Rundbrief 2025-09 Hans von Dohnanyi

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief September 2025!

Dietrich Bonhoeffers Eltern Paula (1876 – 1951) und Karl Bonhoeffer (1868 – 1945) verloren vier Familienmitglieder durch ihren Widerstand gegen das NS-Regime: ihre beiden Söhne Klaus (1901 – 1945) und Dietrich (1906 – 1945), ihre Schwiegersöhne Rüdiger Schleicher (1895 – 1945, war verheiratet mit Dietrichs Schwester Ursula) und Hans von Dohnanyi (1902 – 1945, war verheiratet mit Dietrichs Schwester Christine).

Hans von Dohnanyi wurde am 1. Jänner 1902 in Wien geboren. Er studierte Jura in Berlin. Am 12. Feber 1925 heiratete er Christine Bonhoeffer (1903 – 1965), mit der er drei Kinder hatte (Klaus, geboren 1928, Christoph, geboren 1929 und Barbara, 1926 - 2016). Vom Nationalsozialismus distanzierte er sich und wurde kein Parteimitglied. Er knüpfte vielmehr Kontakte mit Repräsentanten des militärischen Widerstands gegen Hitler, mit dem Generalmajor Hans Oster und dem Admiral Wilhelm Canaris. Beide wurde mit Bonhoeffer am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet. Als eine führende Person des militärisch-politischen Widerstandes gegen Hitler hatte Dohnanyi das Ziel, Hitler zu töten. Am 5. April 1943 wurde er festgenommen und im Berliner Wehrmachtsuntersuchungs-gefängnis inhaftiert. Im April 1945 entdeckte die Gestapo sein geheimes Tagebuch, das ihn, seinen Schwager Dietrich Bonhoeffer, Wilhelm Canaris und Hans Oster schwer belasteten. Der mittlerweile schwer erkrankte Hans von Dohnanyi wurde am 9. April 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen (nördlich von Berlin) ermordet.

Seine Frau Christine beschreibt ihren Mann in einem Brief an Ricarda Huch (deutsche Schriftstellerin, 1864 – 1947): „Ich will nun versuchen, Ihnen ein Bild meines Mannes zu geben … Wir kennen uns, seitdem er 17 und ich 15 Jahre alt war … So ist die Musik für ihn eigentlich immer etwas höchst persönliches geblieben und er hat Kammermusik sein Leben lang den großen Philharmonischen Konzerten vorgezogen … Als mein Mann 23 und ich 21 Jahre alt waren, heirateten wir … Wir hatten wenig Geld, viel Arbeit und waren sehr vergnügt … Es gibt wohl Menschen, die immer bis an die Grenzen ihrer Kraft belaste werden. Mein Mann war einer von ihnen … Unser gemeinsames Leben schloß die Möglichkeit eines Geheimnisses voreinander einfach von selbst aus. Es war selbstverständlich, daß er mir Dinge erzählte und mit mir besprach, ebenso wie es selbstverständlich war, daß ich darüber schwieg … Wer meinen Mann nicht näher kannte, hat in ihm zunächst den zurückhaltenden, wohl ungewöhnlich klugen und hilfsbereiten Verwaltungsbeamten gesehen … [Es] gehört zu meinen liebsten Erinnerungen, wieviel wir miteinander gelacht haben … Seine Liebe zu Natur und Tieren ist meinem Mann sein Leben lang geblieben … Ich glaube, er hat viel Kraft aus der Ruhe in der Natur geschöpft … Auf Spaziergängen hatte er oft beim Anblick irgendeines malerisch reizvollen Eindrucks gesagt: ‚Das möchte ich malen können.‘ In die Einsamkeit seiner Haft habe ich ihm Pastellkreiden und Bleistifte geschickt … Er hat dann … Zeichnungen von unseren Kindern, später auch von sich selbst gemacht … Er ist kein durchschnittlicher Mensch gewesen, daß weiß jeder, der ihn kannte …“

(Quelle: Hans von Dohnanyi, in: Eberhard und Renate Bethge (Hg.): Letzte Briefe im Widerstand. Aus dem Kreis der Familie Bonhoeffer, München 1984, S. 57 – 65)

In Bonhoeffers berühmtestdem Buch „Widerstand und Ergebung“ ist nur ein einziger Briefwechsel aus der Haft zwischen ihm und seinem Schwager überliefert. Am Karfreitag 1943 (23. April) schreibt Hans von Dohnanyi aus dem Berliner Wehrmachtsgefängnis an Bonhoeffer: „Draußen läuten die Glocken zum Gottesdienst, Erinnerungen steigen auf an schöne, ernste Stunden in der Garnisonskirche [steht in Potsdam], die wir gemeinsam verlebt haben, und an viele fröhliche, heitere unbeschwerte Ostern mit Kindern, Eltern und Geschwistern. Dir wird es auch so gehen und es gehört viel Kraft dazu, dieser Erinnerungen Herr zu werden. Daß ich der Anlass dazu bin, daß Dir, Christel, den Kindern, den Eltern dieses Leid widerfährt, daß meine geliebte Frau und Du der Freiheit beraubt seid – Du glaubst nicht, wie mich das bedrückt … Was gäbe ich darum, Euch wieder frei zu wissen; alles würde ich auf mich nehmen, wenn Euch diese Prüfung erspart bleiben könnte … Ich lese jetzt viel in der Bibel; es ist das einzige Buch, das meine Gedanken nicht immer wieder abschweifen läßt … Ich bin Dir dankbar für alles, was Du meiner Frau, den Kindern und mir warst und bist, das sollst Du wissen. Und damit Gott befohlen!“ (Quelle: Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 47 – 49.)

Dietrich Bonhoeffer antwortet seinem Schwager aus dem Gefängnis Berlin-Tegel am 5. Mai 1943: „Dein Brief hat mich so überrascht, gefreut und bewegt … Du mußt wissen, daß auch nicht ein Atom von Vorwurf oder Bitterkeit in mir ist über das, was Dir und mir zugestoßen ist. Solche Dinge kommen von Gott und ihm allein, und ich weiß …, daß es vor ihm nur Unterwerfung, Ausharren, Geduld – und Dankbarkeit gibt. Darum verstummt jede Frage nach dem ‚Warum‘, weil sie ihre Antwort gefunden hat. Wir haben … so viel Gutes miteinander erleben dürfen, daß es fast vermessen wäre, wollten wir nicht auch etwas Schweres ruhig, tapfer – und auch wirklich dankbar hinnehmen … Ich will dich nun auch wissen lassen … - daß ich seit Januar mit Maria von Wedemeyer verlobt bin … Ich lese, lerne, arbeite viel und planmäßig … Du darfst und Du brauchst Dir um uns jetzt garkeine Sorgen zu machen; diese Sorge hat Dir jetzt ein Anderer abgenommen. Das, was wir nicht können, müssen wir jetzt einfach aus der Hand geben und uns auf das beschränken, was wir können und sollen, nämlich mitten im Leid im Vertrauen auf Gott männlich und stark sein … Bleib gesund und guten Mutes! Ich denke dankbar an die vielen schönen Stunden bei Euch im Haus; an Musik, Spaziergänge, Gartenfreuden, Spiele und Gespräche … Gott behüte Dich! …“ (Quelle: Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 59 – 60.)

Fragen zum Nachdenken:

  • Hast Du von Hans von Dohnanyi gewusst? Was weißt Du über ihn?
  • Bist Du wie von Dohnanyi ein Mensch, der immer bis an die Grenzen seiner Kraft belastet ist?
  • Schöpfst Du wie von Dohnanyi viel Kraft aus der Ruhe in der Natur?
  • Wo und wann hast Du wie Bonhoeffer Gutes und Schweres in Deinem Leben erfahren und erlebt?

Lesen wir bis zum Rundbrief Oktober 2025: Psalm 77; Matthäus-Evangelium, Kapitel 9, die Verse 35 – 37.                                                      

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe