Rundbrief 2024-09 Es ist geschehen
HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief September 2024!
Anfang August 2024 sah ich im Klagenfurter Volkskino den Film „Führer und Verführer“. Der Regisseur Joachim Lang zeigt in diesem beeindruckenden Film den Aufstieg von Joseph Goebbels (1897 – 1945) als Reichspropagandaminister. Dieser wird von dem am 3. August 1982 in Friesach (Kärnten) geborenen Schauspieler Robert Stadlober sehr anschaulich dargestellt.
Robert Stadlober 2019
Quelle: Wikipedia
Er verkörpert meisterhaft Goebbels als den Meister des Lügens und der populistischen Phrasen, der das Volk führt und verführt und der den Fanatismus der nationalsozialistischen Weltanschauung in Schriften und Reden verkörpert. Der Film umfasst die Zeit von der Annexion Österreichs im März 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945. Die Spielszenen und Dokumentaraufnahmen konzentrieren sich vor allem auf das Auftreten der Protagonisten Hitler und Goebbels in deren Alltag, in deren Büros, Villen und Restaurants, in der Wolfsschanze (Kriegsquartier Hitlers, in dem das Attentat am 20. Juli 1944 missglückte) und im Berliner Führerbunker, in dem Hitler und Goebbels Suizid begangen. Zeitzeugen, wie zum Beispiel die hochbetagte Margot Friedländer, die am 5. November 1921 in Berlin geboren wurde und den Holocaust überlebt hat, kommen zu Wort. Am Schluss des Films werden Worte des italienischen Schriftstellers und Auschwitz-Überlebenden Primo Levi (1919 – 1987) eingeblendet: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“
Dieses Zitat steht im Schlusswort seines Buches „Die Untergegangenen und die Geretteten“, München 1990: „Unfaßlicherweise hat es sich ereignet, daß ein ganzes zivilisiertes Volk … einem Hanswurst folgte … Und dennoch gehorchte man Adolf Hitler und bejubelte ihn bis zur Katastrophe. Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben. Es kann geschehen, überall.“ (Seite 214). In seinem Buch „Ist das ein Mensch?“, München 1992, schreibt Primo Levi zum Schluss, dass eine große Katastrophe über die Menschheit kommen könnte, die aber abgewendet werden kann: „Ich glaube, in den Schrecken des Dritten Reichs ein einzigartiges, exemplarisches, symbolisches Geschehen zu erkennen, dessen Bedeutung allerdings noch nicht erhellt wurde: die Vorankündigung einer noch größeren Katastrophe, die über der ganzen Menschheit schwebt und nur dann abgewendet werden kann, wenn wir alle es wirklich fertigbringen, Vergangenes zu begreifen, Drohendes zu bannen.“ (Seite 169)
Brunhilde Pomsel (1911 – 2017) war von 1942 – 1945 in Berlin Goebbels Sekretärin und hat ihn hautnah erlebt, reden und wirken sehen. 2017 erschien ihr Buch „Ein Deutsches Leben. Was uns die Geschichte von Goebbels' Sekretärin für die Gegenwart lehrt“.
Dort heißt es: „Nachdem die Nazis an der Macht waren, war das ganze Land wie unter eine Glocke. Wir waren ja alle in einem riesigen Konzentrationslager. Nachdem Hitler an der Macht war, war es für alle zu spät. Und jeder hatte seine persönlichen Dinge, mit denen er fertig werden musste, und es waren nicht nur die Judenverfolgungen. Es war ja so vieles anderes auch. Dazu kamen die vielen Schicksale der eigenen Verwandten, die im Krieg waren. Das soll nichts entschuldigen (Seite 139) … Ich hab vielleicht mit mehr Kriminellen in meinem Land gearbeitet, als ich weiß. Das weiß man ja vorher nicht. Und in der Zeit, als ich bei Goebbels gearbeitet habe, da war er natürlich einer der allerobersten Chefs, kam gleich nach Hitler für mich. Und die Anordnung kam aus dem Ministerium an mich (Seite 145) … Sein wahres Gesicht [gemeint ist Goebbels] habe ich erst langsam entdeckt. Ich erinnere mich noch an die berühmte Sportplatzveranstaltung ‚Wollt ihr den totalen Krieg‘. Das war wirklich ein Ausbruch, wie ein Ausbruch in einer Irrenanstalt, würde ich sagen. Nach dem Motto: Ihr könnt nun mal alle tun, was ihr wollt. Und dann, als ob jeder Einzelne aus dieser Menge von einer Wespe gestochen wäre, ließen sich alle plötzlich völlig gehen, schrien, trampelten und hätten sich am liebsten die Arme ausgerissen…Dass ein Mensch in der Lage war, Hunderte von Menschen dazu zu bringen, dass sie schreien, schreien, schreien: ‚Ja, wir wollen den totalen Krieg.‘ Wenn man das heute jemandem erzählt, die müssen doch alle den Kopf schütteln und sagen: ‚Ja, waren die denn alle besoffen oder was? Wie kamen diese Menschen dazu, so zu schreien?‘ Ich habe ihn in dem Augenblick scheußlich gefunden. Angst machend. Aber ich habe es dann auch wieder verdrängt (Seite 154) … Wenn ich es alles hätte vorher erahnen oder wissen können, dann wäre ich bestimmt nicht in den Rundfunk oder ins Propagandaministerium gegangen. Goebbels war für mich ein Politiker, der ein bisschen laut schreien konnte. Ich habe doch überhaupt nicht darüber nachgedacht. Ich habe mir auch den ganzen Stuss, seine Reden, nie angehört. Jeder redete dasselbe. Genauso höre ich mir hier keine Bundestagsreden an. Ist doch alles nur Gewäsch, was sie von sich geben.“ (Seite 173)
Am 1. Februar 1933 hielt Bonhoeffer den Radiovortrag „Der Führer und der Einzelne in der jungen Generation“ und stellte dort heraus, dass ein Führer den Menschen zum Guten dienen und ihn nicht zum Bösen verführen soll: „Natürlich hat es immer Führer gegeben. Wo Gemeinschaft ist, gibt es Führung…: während früher Führertum zum Ausdruck kam beim Lehrer, beim Staatsmann, beim Vater, d. h. in den gegebenen Ordnungen und Ämtern, ist jetzt der Führer zu einer selbständigen Gestalt geworden. Der Führer ist vom Amt völlig gelöst, er ist wesentlich und nur Führer…Der Führer wird sich dieser klaren Begrenzung seiner Autorität verantwortlich bewußt sein müssen. Versteht er seine Funktion anders, als sie so in der Sache begründet ist, …läßt er sich vom Geführten dazu hinreißen, dessen Idol darstellen zu wollen – und der Geführte wird das immer von ihm erhoffen – dann gleitet das Bild des Führers über in das des Verführers, dann handelt er unsachlich und verbrecherisch am Geführten wie an sich selbst. Der echte Führer…muß die Geführten von der Autorität seiner Person weg zur Anerkennung der echten Autorität der Ordnungen und des Amtes führen. Der Führer muß den Geführten hineinführen in die Verantwortlichkeit gegenüber den Ordnungen des Lebens, gegenüber Vater, Lehrer Richter, Staat…Führer und Amt, die sich selbst vergotten, spotten Gottes und des vor ihm einsam werdenden einzelnen und müssen zerbrechen. Nur der Führer, der selbst im Dienst der vorletzten und letzten Autorität steht, kann Treue finden.“ (Dietrich Bonhoeffer: Berlin 1932 – 1933, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 12 12, S. 242 - 260)
„Es ist geschehen … und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“
Ja, die Verbrechen der Nazis sind geschehen. Das darf nie wieder geschehen. Die Verantwortung für die Zukunft haben wir heute. Darin liegt der Kern, was unser Verein HAPAX auch zu sagen hat.
Fragen zum Nachdenken:
- Was weißt Du über Josef Goebbels?
- Welche großen Katastrophen könnten für die Menschheit kommen?
- Welche Menschen waren bzw. sind für Dich aufrichtige Führungspersönlichkeiten?
- Wann, wie und wo führst Du Menschen?
Lesen wir bis zum Rundbrief Oktober 2024: Psalm 102; Matthäus-Evangelium, Kapitel 8, die Verse 1 – 4
Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe