Rundbrief 2024-07 Bonhoeffer bei Höcke
HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Juli 2024!
Björn Höcke wurde am 1. April 1972 in Lünen (Stadt im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen) geboren. Er studierte Sport und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien, war Oberstudienrat, ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie im deutschen Bundesland Thüringen. Seit 2013 ist er Mitglied der Partei Alternative für Deutschland (AFD) und Vorsitzender der Thüringer AFD.
Höcke hatte in einer Rede im Mai 2021 am Ende gesagt: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland". Der dritte Teil ist eine verbotene Parole der nationalsozialistischen SA. Angeblich hat Höcke das nicht gewusst. Wegen Verwendung dieser NS-Parole wurde er am 14. Mai 2024 vom Landgereicht Halle/Saale zu einer Geldstrafe von 13.000,00 Euro verurteilt.
Björn Höcke 2019
Quelle: www.wikipedia.org
2018 erschien sein knapp 300 Seiten dickes Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ (mittlerweile erschien es 2024 in der siebten Auflage). In einem ausführlichen Gespräch mit dem 1972 in Leipzig geborenen Maler, Kunsthistoriker und Publizist Sebastian Hennig entfaltet Höcke seine politischen Ansichten und Ziele. Das Vorwort schrieb der 1941 geborene Autor, Kulturwissenschaftler Franz Böckelmann. Er ist auch Herausgeber des Magazins Tumult, Vierteljahresschrift für Konsensstörung, für das Hennig schreibt.
Erstaunlicherweise und für mich überraschend wird in Höckes Buch viermal der Name Dietrich Bonhoeffer erwähnt. Vielleicht kennt Höcke Bonhoeffers Buch „Widerstand und Ergebung“, denn er beruft sich auf einen Brief Bonhoeffers aus der Haft.
- „Höcke beruft sich auf den ‚patriotischen Widerstand gegen Hitler‘, namentlich auf Stauffenberg und Dietrich Bonhoeffer. Er beklagt, daß der ‚aufrichtige Wille‘ der Deutschen, ‚die Verfehlungen und Verbrechen des Dritten Reiches zu verarbeiten‘ von den Siegermächten missbraucht worden sei.“ (Vorwort S. 11)
- Frage von Sebastian Henning: „Das allgegenwärtige Verhängnis des eigenen Todes ist also eine Art ‚Lehrmeister‘ für das Leben?“ Antwort von Björn Höcke: „ … Erst das Bewußtsein von Endlichkeit und Vergänglichkeit speist den menschlichen Elan vital. Daß man dabei mit seinen Projekten und Ideen oft scheitert, ist kein Argument dagegen: alles Leben ist letztendlich fragmentarisch. Dietrich Bonhoeffer hat während seiner Inhaftierung im Dritten Reich in einem ‚Brief aus dem Gefängnis‘ die geistige Existenz als Torso bezeichnet. Das bleibe dem menschlichen Leben wesenhaft. Er meint aber auch, es gebe zwei Arten von Fragmenten: die einen, die auf den Kehrichthaufen der Geschichte gehörten und die anderen, bei denen man auch im Unvollendeten das Ganze in seiner Größe erkennen könne. Der Weg der Geschichte ist gepflastert mit beiden Varianten.“ (S. 60)
- Frage von Sebastian Henning: „Nachdem eine ganze Reihe Namen aus dem 19. Jahrhundert gefallen sind – was prägte Sie denn aus dem 20. Jahrhundert philosophisch?“ Antwort von Björn Höcke: „Dieses 20. Jahrhundert bestand geistig zum größten Teil aus einem Streit der Ideen der beiden vorangegangenen Jahrhunderte und kann damit viel weniger Eigenständigkeit vorweisen, als weithin geglaubt wird. Gleichwohl gibt es auch eine Reihe herausragender Denker. Ich erwähne Ludwig Klages [1872 – 1956], Edgar Jung [1894 – 1934], Dietrich Bonhoeffer [1906 – 1945], Martin Heidegger [1889 – 1976].“ (S. 76 f)
- Frage von Sebastian Henning: „Wie sehen Sie die Chancen, Ihre kühnen Ideen eines Tages umzusetzen?“ Antwort von Björn Höcke: „Mit viel Tatkraft und mehr Fortune werden wir am Ende Bonhoeffersche Fragmente schaffen. Fragmente hoffentlich der zweiten Art.“ (S. 291)
Hinsichtlich des Lebens als Fragment schreibt Bonhoeffer: „Außerdem – ein Leben, das sich im Beruflichen und Persönlichen voll entfalten kann und so zu einem ausgeglichenen und erfüllten Ganzen wird, wie es in Eurer Generation auch möglich war, gehört wohl nicht mehr zu den Ansprüchen, die unsere Generation stellen darf. Darin liegt wohl der größte Verzicht, der uns Jüngeren, die wir Euer Leben noch vor Augen haben, auferlegt ist und abgenötigt wird. Das Unvollendete, Fragmentarische unseres Lebens empfinden wir darum wohl besonders stark. Aber gerade das Fragment kann ja auch wieder auf eine menschlich nicht mehr zu leistende höhere Vollendung hinweisen. Daran muß ich besonders beim Tode so vieler meiner besten ehemaligen Schüler denken. Wenn auch die Gewalt der äußeren Ereignisse unser Leben in Bruchstücke schlägt, wie die Bomben unserer Häuser, so soll doch möglichst noch sichtbar bleiben, wie das Ganze geplant und gedacht war, und mindestens wird immer noch zu erkennen sein, aus welchem Material hier gebaut wurde oder werden sollte.“ (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, S. 330 f – Brief Bonhoeffers an seine Eltern vom 20. Feber 1944)
„Je länger wir aus unserem eigentlichen beruflichen und persönlichen Lebensbereich herausgerissen sind, desto mehr empfinden wir, daß unser Leben – im Unterschied zu den unserer Eltern – fragmentarischen Charakter hat … Wo gibt es heute noch ein geistiges ‘Lebenswerk‘? … Wo gibt es noch die schöne Zwecklosigkeit und doch die große Planung, die zu einem solchen Leben gehört? Ich glaube, auch bei Technikern und Naturwissenschaftlern, die als einzige noch frei arbeiten können, existiert so etwas nicht mehr. Wenn mit dem Ende des 18. Jahrhunderts der ‚Universalgelehrte‘ zu Ende geht …, so ist heute eigentlich jeder nur noch ‚Techniker‘ selbst in der Kunst (in der Musik von gutem Format, in Malerei und Dichtung nur von höchst mäßigen!). Unsere geistige Existenz aber bleibt dabei ein Torso. Es kommt wohl nur darauf an, ob man dem Fragment unsres Lebens noch ansieht, wie das Ganze eigentlich angelegt und gedacht war und aus welchem Material es besteht. Es gibt schließlich Fragmente, die nur noch auf den Kehrichthaufen gehören … und solche, die bedeutsam sind auf Jahrhunderte hinaus, weil ihre Vollendung nur eine göttliche Sache sein kann, also Fragmente, die Fragmente sein müssen – ich denke z.B. an die Kunst der Fuge [von Johann Sebastian Bach]. Wenn unser Leben auch nur ein entferntester Abglanz eines solchen Fragmentes ist, in dem wenigstens eine kurze Zeit lang die sich immer stärker häufenden, verschiedenen Themata zusammenstimmen und in dem der große Kontrapunkt von Anfang bis zum Ende durchgehalten wird, so daß schließlich nach dem Abbruch – höchstens noch der Choral: ‚Vor deinem Thron tret‘ ich allhier‘ [von Johann Sebastian Bach] – intoniert werden kann, dann wollen wir uns auch über unser fragmentarisches Leben nicht beklagen, sondern daran sogar froh werden.“ (a. a. O., S. 335 f – Brief an Eberhard Bethge vom 23. Feber 1944)
„Wir sind aufgewachsen in der Erfahrung unserer Eltern und Großeltern, der Mensch könne und müsse sein Leben selbst planen, aufbauen und gestalten, es gebe ein Lebenswerk, zu dem der Mensch sich zu entschließen und das er dann mit ganzer Kraft auszuführen habe und auch vermöge. Es ist aber unsere Erfahrung geworden, daß wir nicht einmal für den kommenden Tag zu planen vermögen, daß das Aufgebaute über Nacht verstört wird und unser Leben im Unterschied zu dem unserer Eltern gestaltlos oder doch fragmentarisch geworden ist … Wir werden unser Leben mehr zu tragen als zu gestalten haben, wir werden mehr hoffen als planen, mehr ausharren als voranschreiten. Aber wir wollen Euch Jüngeren, der neugeborenen Generation, die Seele bewahren, aus deren Kraft Ihr ein neues und besseres Leben planen, aufbauen und gestalten sollt.“ (a. a. O., S. 432 f – Gedanken zum Tauftag von Bonhoeffers Patenkind Dietrich Bethge im Mai 1944)
Fragen zum Nachdenken:
- Was weißt Du über Björn Höcke?
- Bist Du so wie ich überrascht, dass Bonhoeffer in Höckes Buch nicht nur erwähnt, sondern auch für eine wichtige Erkenntnis für ihn herangezogen wird?
- Hat Höcke Bonhoeffers Ausführungen über das fragmentarische Leben richtig verstanden? Oder benutzt er diese nur für seine Zwecke?
- Welche Projekte und Ideen hast Du in Deinem Leben umsetzen können? Welche sind Fragmente geblieben?
- Wie empfindest Du Dein Leben – erfüllt oder fragmentarisch?
Lesen wir bis zum Rundbrief August 2024: Psalm 100; Matthäus-Evangelium, Kapitel 7, die Verse 12 – 23.
Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe