Rundbrief 2024-05 Ewiger Frieden

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Mai 2024!

Er gehört zu den bedeutendsten Philosophen. Selbst diejenigen, die sich mit Philosophie nicht auskennen, haben seinen Namen irgendwann einmal gehört. Gemeint ist Immanuel Kant, der vor 300 Jahren am 22. April 1724 in Königsberg (damals Preußen, heute eine russische Exklave zwischen den Staaten Polen und Litauen) geboren wurde. Nur dort lebte und wirkte er. Dort starb er auch am 12. Feber 1804.


Immanuel Kant
Quelle: www.wikipedia.org

Kant war evangelisch, besuchte allerdings nur selten den Gottesdienst. Er schätzte die Kirche als eine Gemeinschaft, in der wichtige moralische Ziele erreicht und verwirklicht werden können. Sein kategorischer Imperativ, den er in seiner Schrift „Kritik der praktischen Vernunft“ von 1788 entfaltet, ist das grundlegende Prinzip moralischen Handelns: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz wird.“  

1795 veröffentlichte Kant seine berühmte und nur ca. 50seitige Schrift „Zum ewigen Frieden“ (ein holländisches Wirtshaus trug diesen Namen). Kern seiner Abhandlung ist die Frage, wie kann Frieden gestiftet und erhalten werden. Mit dieser war er seiner Zeit bzw. ist er auch unserer Zeit weit voraus, wenn man vor allem an die beiden gegenwärtigen Kriege Russland/Ukraine und Israel/Hamas denkt. (Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, Berlin 2016)

Der erste Abschnitt enthält sechs „Präliminarartikel“ – das sind in diesem Fall Verbotsgesetze als Voraussetzungen für den Frieden.

  1. „Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“
  1. „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“
  1. „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“
  1. „Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.“
  1. „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staates gewalttätig einmischen.“
  1. „Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats (perduellio) in dem bekriegten Staat etc.“

Der zweite Abschnitt enthält drei konkrete „Defintivartikel“ für den Erhalt des Friedens.

  1. „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.“
  1. „Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein.“
  1. „Das Weltbürgerrecht soll auf die Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.“

Erst nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs wurde Kants Ruf nach einem Völkerrecht konkret. 1920 wurde der Völkerbund mit Sitz in Genf gegründet. 1946 kam es zur Gründung der Vereinten Nationen mit Sitz in New York. 1993 wurde die Europäische Union mit dem Europäischen Parlament in Brüssel gegründet. 

Bis heute beschäftigt Kant die wissenschaftliche Theologie. Auch in Dietrich Bonhoeffers Schriften werden Kants philosophische Erkenntnisse und einige seiner Werke erörtert, so zum Beispiel bereits in Bonhoeffers Dissertation „Sanctorum Communio“ von 1927 (Dietrich Bonhoeffer-Werke Band 1, S. 22–24 und weitere Seiten).

Kants Schrift „Anthropologie [Lehre vom Menschen] in pragmatischer Hinsicht“ kannte Bonhoeffer nicht und hat diese erst in seiner Haft in Berlin Tegel gelesen: „Die ‚Anthropologie‘ von Kant, für die ich Dir, Papa, sehr danke, habe ich durchgelesen; ich kannte sie nicht. Ich fand vieles sehr Interessante darin, aber es bleibt doch eine sehr rationalistische Rokokopsychologie [Rokoko war eine Kunstrichtig zwischen 1740 und 1780; allerdings weiß ich nicht, was Bonhoeffer mit Rokokopsychologie meint], die an vielen wesentlichen Erscheinungen einfach vorbeigeht. Kannst Du mit etwas Gutes über Formen und Funktionen des Gedächtnisses schicken? Das interessiert mich in diesem Zusammenhang jetzt sehr. Sehr hübsch sind Kant’s Deutungen des ‚Rauchens‘ als Selbstunterhaltung.“ (Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 92, Brief vom 4. Juni 1943 an die Eltern)

Bonhoeffer war Vikar in Barcelona. In seiner Abschiedspredigt vom 3. Feber 1929 über den Bibelvers „Der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“ (Philipper, Kapitel 4, Vers 7) schreibt er über Frieden: „ … Als Fremdling, ja mehr noch als Vertriebener und Abgefallener geht der Mensch durch die Welt Gottes, er sieht gleichsam das Paradies vor sich liegen und ist doch ausgetrieben, kann seinen Seligkeit nicht genießen, er trägt ein Kainszeichen auf der Stirn, das Zeichen des Menschseins, das heißt das Zeichen der Friedlosigkeit. Ein furchtbarer widergöttlicher Wille hat sich im Menschen aufgebäumt und hat über die Menschheit das graue Schicksal der Friedlosigkeit gebracht, aber es hat in der Seele des Menschen einen brennenden Durst, die quälende Sehnsucht gelassen nach dem Frieden, der doch nur ein Friede mit Gott sein kann. Das Wort vom Frieden hat für uns alle einen wundersamen Klang … wir … suchen doch im Grunde nur eines: … hineinwachsen in den Frieden … [wir sehnen uns] ja nicht nach einem Frieden, wie ihn uns die Befriedigung irgend eines Wunsches geben kann, sondern nach dem Frieden, den nur Gott über unsre Herzen bringen kann, nach dem endgültigen, den ewigen Frieden Gottes … wir können ja gar nichts anderes wollen als den Frieden Gottes … Aber mit elementarer Gewalt bricht immer wieder in der Menschheit der Ruf nach dem Frieden durch … und nun in jüngster Zeit … in der Sehnsucht nach dem Weltfrieden. Aber so schön und ernstgemeint all diese Hoffnungen sind, sie erkennen nicht, daß der Friede, den wir brauchen, der Friede ist, der von der Ewigkeit herabkommt, der Friede Gottes mit seiner Menschheit, mit jedem einzelnen von uns. Solange du von diesem Frieden nicht weißt, ist alles andere nur Scheinfriede … Euer Leben ist geplagt von Angst und Unruhe, wo anders wird sie gestillt als im ewigen Frieden Gottes? … Frieden haben heißt sich getragen wissen, sich geliebt wissen, sich behütet wissen, heißt still, ganz still werden können … Frieden haben heißt eine Heimat haben in der Unruhe der Welt … Der Friede Gottes ist die Treue Gottes unserer Untreue zum Trotz, im Frieden Gottes sind wir geborgen, behütet und geliebt …, einst aber wird Gott ein Reich aufrichten, in dem der Friede König ist, ein ewiges Friedensreich, nicht von dieser Welt, sondern von der Welt, aus der der Friede stammt ...“ (Dietrich Bonhoeffer: Barcelona, Berlin, Amerika 1928 – 1931, Dietrich Bonhoeffer-Werke Band 10, S. 534 – 539)

Fragen zum Nachdenken:

  • Kennst Du die Lebensgeschichte Immanuel Kants?
  • Welche seiner Schriften kennst Du?
  • Welcher Philosoph ist für Dich bedeutend?
  • Wie und wann wird ewiger Frieden?
  • Welche Begründung zum ewigen Frieden hat dich angesprochen - die von Kant oder Bonhoeffer?

Lesen wir bis zum Rundbrief Juni 2024:
Psalm 98; Matthäus-Evangelium, Kapitel 7, die Verse 1 – 6                                                      

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe