Rundbrief 2016-01 Gedanken über die Zeit

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HAPAX und herzliche Grüße zum Rundbrief Jänner 2016!

Dietrich Bonhoeffer schreibt in der ersten Strophe seines Gedichtes „Von guten Mächten“:

„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“

Wir haben nun das Kalenderjahr 2016. Es gibt aber unterschiedliche Zeitrechnungen. Die christliche Zeitrechnung beginnt mit der Geburt Jesu im Jahr Null, die jüdische beginnt mit der Erschaffung der Welt durch Gott im Jahr 3761 vor Christus und die islamische beginnt mit der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahr 622 nach Christus.

Wer hat nun Recht?

Und was ist Zeit?

Der moderne Mensch hat aber oft keine Zeit, weder für sich selbst, noch für andere Menschen, noch für Gott und weiß auch nicht, was Zeit ist. Bereits Augustin stellte in seinen Bekenntnissen fest: „Denn was ist Zeit? Wer könnte das leicht und kurz erklären?...Und doch: was ist uns in unserer Sprache vertrauter und bekannter als der Begriff der Zeit?...Solange mich niemand fragt, weiß ich es; wenn ich es einem auf seine Frage hin erklären will, weiß ich es nicht…Und nun bekenne ich Dir, o Herr, dass ich immer noch nicht weiß, was die Zeit ist.“ (Augustinus, Aurelius: Dreizehn Bücher Bekenntnisse, übertragen von Carl J. Perl, Paderborn 2. Auflage 1964, SS. 306 und 317 / elftes Buch)

Der gehetzte Mensch der modernen Welt will ständig Zeit sparen, kann aber über den Verbleib von Zeitersparnissen nicht wirklich Auskunft geben. Deshalb lässt Michael Ende in seinem Buch „Momo“ den Agenten XYQ/384/b kritisch bemerken: „Hätten sie schon vor zwanzig Jahren angefangen, täglich nur eine einzige Stunde Zeit einzusparen, dann besäßen Sie jetzt ein Guthaben von sechsundzwanzigmillionen-zweihundertundachtzigtausend Sekunden. Bei zwei Stunden täglich ersparter Zeit wäre es natürlich das Doppelte, also zweiundfünfzigmillionenfünfhundertundsechzigtau-send.“ (Ende, Michael: Momo oder die seltsame Geschichte von den Zeit–Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte. Ein Märchen–Roman, Stuttgart, Wien 1973, S. 65)

Das Leben im Zeitalter der Ruhelosigkeit, der Beschleunigung und des Tempos ist ein Leben, das von der Zeit–ist–Geld–Strategie des Kapitalismus beherrscht wird. Die damit verbundene Maßloßigkeit einer Beschleunigung droht der modernen Menschheit und Kultur großen Schaden zuzufügen. Diese neue Barbarei unserer Zivilisation erkannte bereits Goethe und nannte sie „veloziferisch“: „Für das größte Unheil unserer Zeit, die nicht reif werden läßt, muß ich halten, daß man im nächsten Augenblick den vorhergehenden verspeist, den Tag im Tage vertut und so immer aus der Hand in den Mund lebt, ohne irgendetwas vor sich zu bringen. Haben wir doch schon Blätter für sämtliche Tageszeiten! Ein guter Kopf könnte wohl noch eins und das andere interkalieren. Dadurch wird alles, was ein jeder tut, treibt, dichtet, ja was er vorhat, ins Öffentliche geschleppt. Niemand darf sich freuen oder leiden als zum Zeitvertreib der übrigen; und so springt’s von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles veloziferisch“ (Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden. Textkritisch durchgesehen und kommentiert von Erich Trunz. Goethe Werke Band VII, München 1973, S. 289. Goethe hat aus den beiden lateinischen Wörtern velocitas [Eile, Schnelligkeit] und Luzifer [Lichträger, ein Name für den Teufel] das Adjektiv veloziferisch geschaffen!).

Wenn der flexible, mobile, globale und gehetzte Mensch keine Zeit für das Schöne, Wichtige und Wertvolle seines Lebens hat, dann hat er letztendlich kein Leben. Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.

Gönnen wir uns also genug Zeit für uns selbst, für den Mitmenschen, für Gott etc. Schließlich ist es unser kostbares und von Gott gegebenes Leben.

Letztendlich weiß wohl keiner, was Zeit ist. Aber wir wollen mit der Gewissheit leben, dass alles seine Zeit hat (Prediger 3, 1 – 22) und dass unsere Zeit in Gottes Händen steht. (Psalm 31, 15)

Im Rundbrief vom Dezember 2016 habe ich die Bibellese leider vergessen. Holen wir diese für Dezember 2016 nach: Psalmen 16 – 18 und Matthäus 6, 1 – 4.

 

Lesen wir bis zum nächsten Rundbrief im Feber 2016:

Psalmen 19 – 21; Matthäus 6, 5 – 15

Beste HAPAX-Grüße, Euer Obmann Uwe