Rundbrief 2024-03 Bücher
HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief März 2024!
Am 23. Feber 2024 wäre der deutsche Schriftsteller Erich Kästner 125 Jahre alt geworden. Im Juli 2024 ist sein 50. Todestag. Er wurde am 23. Feber 1899 in Dresden geboren und starb am 29. Juli 1974 in München. Seine vielen Bücher sind bis heute beliebt. Im Herbst 2023 war in Kinos eine neue Verfilmung seines Buches „Das fliegende Klassenzimmer“ zu sehen.
Erich Kästner 1930 und 1961
(Quelle: wikipedia.org)
Am 10. Mai 1933 verbrannten die Nationalsozialisten auf Befehl von Josef Goebbels seine Bücher auf dem Berliner Opernplatz und begannen damit die Kampagne „Wider den undeutschen Geist!“ Auch Bücher der deutschen Schriftsteller Heinrich Mann (1871 – 1950) und Ernst Glaeser (1902 – 1963) wurden dort verbrannt. Andere Orte von Bücherverbrennungen waren unter anderem der Königplatz in München, der Schlossplatz in Breslau (Geburtsstadt Bonhoeffers), der Römerberg in Frankfurt/Main und der Platz vor der Bismarcksäule in Dresden. Tausende Bücher vor allem jüdischer Autoren, aber auch anderer politisch unliebsamer Schriftsteller, wurden verboten und öffentlich verbrannt. Die NS-Bücherverbrennung war letztendlich nur das Vorspiel zum Mord an Europas Juden (Holocaust).
Erich Kästner war am Berliner Opernplatz persönlich anwesend und wurde Zeuge der Verbrennung seiner Bücher. Mit dem zynischen Spruch „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat!“ wurden seine Bücher verbrannt, zum Beispiel sein Roman „Fabian“.
In seinem kleinen Buch „Über das Verbrennen von Büchern“ schreibt er: „Gegen Abend fuhren Hans Wilhelm [ein Freund?] und ich mit der Stadtbahn bis zum Lehrter Bahnhof … Hinter dem Lessingtheater kamen sie … angetrottet. Studenten in SA-Uniform zogen als Prätorianergarde [war eine Garde-Truppe der Römer] voraus … Dass man Bücher nicht nur lieben, sondern auch hassen kann, wussten sie. Dass man Bücher auf Kommando öffentlich verbrennt, mussten sie noch lernen. Es war wohl allen ohne Ausnahme klar, dass sie heute der gesamten zivilisierten Welt ein unvergesslich widerwärtiges Schauspiel boten … Goebbels hatte eine Pöbelparole ausgegeben und ließ sie nicht von der Plebs, sondern von der Elite ausführen … Am Opernplatz formierten die Kolonnen ein großes Karree. Hans Wilhelm und ich standen an der braunen Studentenmauer … Drüben vor den Bankpalästen, rechts von der Oper, war der Scheiterhaufen errichtet worden … Die Lastwagen rollten heran … Tausende Bücher wurden ausgekippt und … ins Feuer geworfen … Dann tauchte Goebbels auf … Er rief Schriftsteller beim Namen und überantwortete ihre Bücher den Flammen und dem Vergessen … Hier rächte sich ein durchgefallener Literat an der Literatur. Hier beseitigte ein durchtriebener Politiker für viele Jahre jede intellektuelle Opposition … Jahre später haben mir Studenten … erzählt, dass sie … heimlich Bände aufrafften … und sie nicht ins Feuer warfen … Es mag ein Zeichen dafür sein, wie schwer es ist, Bücher wirklich zu verbrennen … ‚Dort steht ja Kästner‘, rief plötzlich eine junge Frau … Ihre Überraschung, mich sozusagen bei meinem eigenen Begräbnis unter den Leidtragenden zu entdecken, war so groß, dass sie auch noch mit der Hand auf mich zeigte … Trotzdem beschlossen wir zu gehen … Wir saßen dann noch im Vorgarten eines Lokals … und schwiegen uns an … Der Abend hatte uns die Kehlen zugeschnürt. So einfach war es, eine Literatur auszulöschen? … Mit solchen Methoden kann man zwar ein Volk vernichten, Bücher aber nicht … Man kann von ihren Lebensfaden nicht eine Minute abschneiden, abreißen oder absengen. Bücher, dass wissen wir nun, kann man nicht verbrennen … Ich habe mich damals schon und seitdem manches Mal gefragt: ‚Warum hast du am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin nicht widersprochen?‘ … Was ich getan, genauer, was ich nicht getan hatte, war beileibe keine Heldentat gewesen. Ich hatte mich nur geekelt. Ich war nur passiv geblieben. Auch damals und sogar damals, als unsere Bücher brannten. Ich hatte … nicht aufgeschrien. Ich hatte nicht mit der Faust gedroht … Warum erzähle ich das? … Weil, immer wenn von der Vergangenheit gesprochen wird, auch von der Zukunft die Rede ist … Kein Volk und keine Elite darf die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, dass im Ernstfall … genügend Helden zur Stelle sein werden … Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. Es ist eine Angelegenheit des Terminkalenders, nicht des Heroismus …“ (Quelle: Erich Kästner: Über das Verbrennen von Büchern, Zürich 2012, S. 7 - 11. 23. 24 f.)
Eine Stellungnahme Bonhoeffers zu den Bücherverbrennungen der Nazis habe ich in seinen Werken nicht gefunden. Das Buch der Bücher, die Bibel, wurde in Vergangenheit und Gegenwart vor allem von Gegnern des jüdisch-christlichen Glaubens öffentlich verbrannt. Bonhoeffer hat in seinem Leben und in seiner Berliner Haft viele theologische und weltliche Bücher gelesen. Sein wichtigstes Buch dürfte wohl die Bibel gewesen sein, weil sie für ihn auf viele existentielle Fragen Antwort gibt. Es gab aber auch Zeiten, in denen er die Bibel nicht gelesen hat.
Bonhoeffer schreibt: „Ich wundere mich, daß ich tagelang ohne die Bibel lebe und leben kann … Wenn ich dann wieder die Bibel aufschlage, ist sie mir neu und beglückend wie nie.“ (Quelle: Dietrich Bonhoeffer: Konspiration und Haft 1940 - 1945, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 16, Seite 325)
„Ich glaube, daß die Bibel allein die Antwort auf alle unsere Fragen ist, und daß wir nur anhaltend und etwas demütig zu fragen brauchen, um die Antwort von ihr zu bekommen. Die Bibel kann man nicht einfach lesen wie andere Bücher. Man muß bereit sein, sie wirklich zu fragen. Nur so erschließt sie sich. Nur wenn wir letzte Antwort von ihr erwarten, gibt sie sie uns. Das liegt eben daran, daß in der Bibel Gott zu uns redet. Und über Gott kann man eben nicht so einfach von sich aus nachdenken, sondern man muß ihn fragen. Natürlich kann man die Bibel auch lesen wie jedes andere Buch, also unter dem Gesichtspunkt der Textkritik etc. Nur daß das nicht der Gebrauch ist, der das Wesen der Bibel erschließt, sondern nur ihre Oberfläche. Wie wir das Wort eines Menschen, den wir lieb haben, nicht erfassen, indem wir es zuerst zergliedern, sondern wie ein solches Wort einfach von uns hingenommen wird und wie
es dann Tage lang in uns nachklingt, … so sollen wir mit dem Wort der Bibel umgehen. Nur wenn wir es einmal wagen, uns so auf die Bibel einzulassen, als redete hier wirklich der Gott zu uns, der uns liebt und uns mit unseren Fragen nicht allein
lassen will, werden wir an der Bibel froh.“ (Quelle: Dietrich Bonhoeffer: Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935 - 1937, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 14, Seite 144 f)
Fragen zum Nachdenken:
- Warum wollte Kästner bei der Verbrennung seiner Bücher und die von anderen Autoren dabei sein?
- Welche seiner Bücher und Schriften kennst Du bzw. hast Du gelesen?
- Hast Du schon einmal den Gedanken gehabt, ein bestimmtes Buch öffentlich zu verbrennen?
- Welche Bedeutung hat die Bibel für Dich?
Lesen wir bis zum Rundbrief April 2024: Psalm 96; Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, die Verse 19 - 24.
Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe