Rundbrief 2023-09 Magnificat

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief September 2023!

Zum römisch-katholischen Feiertag „Mariä Himmelfahrt“ am 15. August 2023 hatte ich eine Einladung zu einem 25-jährigen Priesterjubiläum. In meinem Grußwort ging ich kurz auf Marias Lobgesang ein.  

Dieser, der auch Magnificat genannt wird, steht im ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums. In der lateinischen Übersetzung des Neuen Testamentes heißt es: „Magnificat anima mea Dominum“ (Meine Seele erhebt den Herrn).

Der Lobgesang der Maria nach der Basisbibel: Ich lobe den Herrn aus tiefstem Herzen. Alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter. Denn er wendet sich mir zu, obwohl ich nur seine unbedeutende Dienerin bin. Von jetzt an werden mich alle Generationen glückselig preisen. Denn Gott, der mächtig ist, hat Großes an mir getan. Sein Name ist heilig. Er ist barmherzig zu denen, die ihm Ehre erweisen – von Generation zu Generation. Er hebt seinen starken Arm und fegt die Überheblichen hinweg. Er stürzt die Machthaber vom Thron und hebt die Unbedeutenden empor. Er füllt den Hungernden die Hände mit guten Gaben und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. Er kommt seinem Diener Israel zu Hilfe und erinnert sich an seine Barmherzigkeit. So hat er es unseren Vorfahren versprochen: Abraham und seinen Nachkommen für alle Zeit!

Dieser Lobgesang gehört zu meinen Lieblingstexten der Bibel, vor allem deshalb, weil der Schluss einen sozialkritischen und gesellschaftspolitischen Akzent hat. Machthaber, von denen Gewalt, Hass und Krieg ausgehen, werden für immer entmachtet und vom Thron gestoßen. Arme, Hungernde und Namenlose bekommen ihre Würde und Rechte.  

In Naumburg an der Saale (Sachsen-Anhalt) steht der evangelische Dom St. Peter und St. Paul. Am 3. Juli 2022 wurde dort ein neuer Marienaltar eingeweiht. Das beindruckende Altarbild zu diesem schuf der 1968 geborene und in Leipzig (Sachsen) wirkende deutsche Maler Michael Triegel.

Unter folgendem Link findet Ihr das Bild:
https://www.feinschwarz.net/spaetmoderne-theologie-in-triegels-marien-altar-des-naumburger-doms/

Fasziniert hat mich, dass auf diesem Altarbild keine verklärten Heiligen zu sehen sind, sondern Menschen wie du und ich. Petrus (der zweite von oben rechts) hat eine rote Baseballkappe auf und wirkt mit seinem dichten, grauen Bart wie ein Motorradfahrer. Unter seinem Bart sieht man ein kleines Kreuz, das wohl sein Himmelsschlüssel ist. Rechts neben ihm steht Paulus als ein heutiger jüdischer Rabbiner mit schwarzem Hut, Jacket, langem Bart, einem Buch in der Hand und wirkt als nachdenklich staunender jüdischer Weiser, der Christentum und Judentum ins Gespräch bringen will. In der Mitte des Bildes hält Maria das nackte Jesuskind und zeigt so seine und auch unsere Verletztlichkeit. Dadurch, dass Menschen wie du und ich zu sehen sind, sollen sich die Sphären des Göttlichen mit dem Menschlichen verbinden und die Gottesebenbildlichkeit des Menschen herausgestellt werden. Dieses Altarbild ist ökumenisch. In der Mitte hinter Maria steht Dietrich Bonhoeffer mit einem Buch in der Hand. Der „erste Papst“ Petrus und der evangelische Pfarrer und Christ im Widerstand bilden eine Ökumene der Christusglaubenden über 20 Jahrhunderte hinweg. Außerdem sieht man neben Maria noch sieben weitere Frauen und drei Mädchen als Engel.

Der evangelische Pfarrer Eugen Eckert hat 1994 das berührende Marienlied „Mit dir, Maria, singen wir“ geschrieben, dass das Magnificat interpretiert und dass leider nicht im evangelischen Gesangbuch abgedruckt ist. Auffällig ist die Formulierung „mit Maria“ und nicht „zu Maria“. 

Kehrvers: Mit dir, Maria, singen wir von Gottes Heil in unsrer Zeit; uns trägt die Hoffnung, die du trugst: Es kommt der Tag, der uns befreit.
Strophe 1: Hell strahlt dein Licht durch jede Nacht: Ich preise Gott: MAGNIFICAT. Himmel und Erd er hat gemacht, mein Gott, der mich erhoben hat.
Strophe 2: Du weißt um Tränen, Kreuz und Leid. Du weißt, was Menschen beugt und biegt. Doch du besingst den, der befreit, weißt, dass das Leben letztlich siegt.
Strophe 3: Dein Jubel steckt auch heute an. Österlich klingt er Ton um Ton. Großes hat Gott an dir getan. Großes wirkt unter uns dein Sohn.
Strophe 4:  Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht, pflanzt fort die Lebensmelodie: Es kommt, der satt und fröhlich macht, der deinem Lied den Glanz verlieh.

(Quelle: God for you(th). Das Bendiktbeurer Liederbuch, 2016, Lied 475)

Bonhoeffers hohe Wertschätzung des Magnificats wird in seiner Londoner Predigt vom 17.12.1933 sehr deutlich: „Dieses Lied der Maria … ist das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen, revolutionärste Adventlied, das je gesungen worden ist. Es ist nicht die sanfte, zärtliche, verträumte Maria, wie wir sie manchmal auf Bildern dargestellt sehen, sondern es ist die leidenschaftliche, hingerissene, stolze, begeisterte Maria, die hier spricht. Nichts von den süßen, wehmütigen oder gar spielerischen Tönen mancher Weihnachtslieder, sondern ein hartes, starkes, unerbittliches Lied von stürzenden Thronen und gedemütigten Herren dieser Welt, von Gottes Gewalt und von der Menschen Ohnmacht. Es sind die Töne der prophetischen Frauen aus dem Alten Testament …, die hier im Munde der Maria lebendig werden. Maria, die vom Geiste ergriffen und gefaßt, … sie spricht aus diesem Geist heraus vom Kommen Gottes in die Welt … Sie weiß ja besser als irgendein anderer, was es heißt, auf Christus warten. Sie wartet ja anders auf ihn als irgendein anderer Mensch. Sie erwartet ihn als seine Mutter. Er ist ihr näher als irgendeinem anderen, sie weiß um das Geheimnis seines Kommens … Maria, die harte, fromme, in ihrem Alten Testament lebende und auf ihren Erlöser hoffende niedrige Arbeiterfrau – die Mutter Gottes …“ (London 1933 – 1935, Dietrich Bonhoeffer Werke 13, S. 338 – 343)

Das Naumburger Altarbild, das evangelische Marienlied und Bonhoeffers Predigt mögen die protestantische Reserviertheit gegenüber Maria aufbrechen zu einer „Verehrung“, die das „Mit Maria“ herausstellt, das Heil Gottes in Jesus Christus in einer zunehmend säkularen Welt zu bezeugen.

Fragen zum Nachdenken und Diskutieren:

  1. Wie gefallen Dir das Magnificat, das Altarbild, das Marienlied und die Predigt?
  2. Wer ist Maria für Dich?
  3. Wann werden die gewalttätigen Machthaber endlich vom Thron gestürzt?

Lesen wir bis zum Rundbrief Oktober 2023: 

Psalm 90; Matthäus-Evangelium Kapitel 5, die Verse 23 - 37                   

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe