Rundbrief 2023-06 Die Zukunft der Kirche

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Juni 2023!

Bis heute sind viele Menschen in aller Welt von Dietrich Bonhoeffer fasziniert. Es gibt unterschiedliche Zugangsweisen und Berührungspunkte zu Bonhoeffer. Das dürfte auch bei unseren Vereinsmitgliedern so sein. Eine spannende Frage ist in diesem Zusammenhang: Wer ist Dietrich Bonhoeffer für uns bzw. für Dich heute?

Anne und Nikolaus Schneider hielten am 23. Mai 2023 in der evangelischen Kirche Bad Kleinkirchheim ihren professionellen und berührenden Vortrag „Wer ist Jesus Christus für uns heute. Dietrich Bonhoeffers Impulse für ein widerständiges Gottvertrauen in den Krisen unserer Zeit“. In diesem erwähnten sie das 2017 erschienene Buch „Christsein ist keine einfache Angelegenheit. Mit Dietrich Bonhoeffer auf dem Weg zu einer erneuerten Kirche“ des katholischen Theologen Klaus Pfeffer (steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek, hat nur 140 Seiten und ist gut lesbar).

Zu Beginn seines Buches beschreibt er die Bedeutung Bonhoeffers für ihn persönlich bzw. für seine christliche Identität: „Entscheidend war für mich die Tatsache, dass Bonhoeffer die widersprüchlichen und schwierigen Erfahrungen des Lebens nicht verschweigt. In vielen Texten beschäftigt er sich mit Unsicherheiten, Zweifeln und Ängsten … Ich ahnte, dass da ein Theologe seinen Glauben intensiv mit seinen Lebenserfahrungen in Verbindung brachte … Im Lauf der Jahre begab ich mich auf eine Entdeckungsreise und habe bis heute damit nicht aufgehört. Ich las viele Biographien, weite Teile seiner hinterlassenen Schriften und Briefe, dazu jede Menge Sekundärliteratur. Dietrich Bonhoeffer ist für mich auf diese Weise zu einem Weggefährten geworden. Immer wieder greife ich zu seinen Texten und finde Anregungen für mein eigenes Leben und Denken. In meiner Verkündigung taucht er häufig auf. Seine Lebensgeschichte tröstet, ermutigt und provoziert mich … Bonhoeffer lehrt mich, dass christlicher Glaube nicht vom konkreten Leben mit all seinen Facetten getrennt werden darf.“ (a. a. O., S. 14 f)

Am Ende seines Buches beschreibt er eine Zukunftsvision für die Kirche, über die Bonhoeffer auch nachgedacht hat. Klaus Pfeffer nimmt zwei Äußerungen Bonhoeffers für seine Vision auf: „Was mich unablässig bewegt, ist die Frage, was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist …  Bis Du [gemeint ist sein Patenkind Dietrich Bethge] groß bist, wird sich die Gestalt der Kirche sehr verändert haben. Die Umschmelzung ist noch nicht zu Ende, und jeder Versuch, ihr vorzeitig zu neuer organisatorischer Machtentfaltung zu verhelfen, wird nur eine Verzögerung ihrer Umkehrung und Läuterung sein. Es ist nicht unsere Sache, den Tag vorauszusagen – aber der Tag wird kommen –, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, daß sich die Welt darunter verändert und erneuert. Es wird eine neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu …“ (Widerstand und Ergebung, DBW 8, S. 402 und S. 436).

In Anlehnung an diese Zitate Bonhoeffers beschreibt Klaus Pfeffer seine Vision einer christlichen Kirche der Zukunft: „Die christliche Kirche der Zukunft wird eine Kirche sein, die für die Menschen da ist und die vor allem die Mündigkeit der Menschen ernst nimmt. Sie wird eine Kirche sein, die tief verwurzelt ist in Jesus Christus und die gleichzeitig fest verankert bleibt mitten in der diesseitigen Welt. Sie wird anders sein als die Kirche, die wir von gestern und heute kennen … Christen - … Sie strahlen etwas aus. Sie ruhen in sich, getragen von einer inneren Kraft, von einer Überzeugung, die sie leitet. Sie gehen achtsam und feinfühlig miteinander um … Sie sind aufmerksam … Und sie sind hilfsbereit, verlässlich und setzen sich ein, wo Not ist. Von ihnen geht eine freundliche Wärme aus, eine Liebe, die jeden Menschen vorbehaltlos sieht und annimmt … Sie sind fröhliche Menschen, die Tiefgang haben … Sie leben aus einer tiefen Verbindung zu Gott … Die Christen der Zukunft setzen sich intensiv mit dem Evangelium auseinander. Sie suchen darin und in der gesamten Bibel … Orientierung für ihr Leben und die Herausforderungen der jeweils gegenwärtigen Zeit … Die Christen in der Zukunft sind zahlenmäßig keine überwältigende Mehrheit in der Gesellschaft … - aber sie sind eine der interessantesten Gruppen. Sie sind interessante Gesprächspartner … Sie können bei schwierigen Fragen des Lebens immer eine neue Perspektive einbringen und wissen auch in scheinbar ausweglosen Situationen noch einen Weg – und wenn er nur der ist, unlösbare Probleme schlichtweg durchzustehen … Überall in der Gesellschaft, in Kultur, Wirtschaft und Politik finden sich Christen in verantwortlichen Positionen und fallen durch ihre besondere Art auf … Sie übernehmen Verantwortung und setzen sich für die Werte der freiheitlichen pluralen Demokratie ein … Die Christen der Zukunft sind untereinander gut vernetzt. In den Dörfern, kleinen Städten und in den verschiedenen Regionen der Großstädte gibt es überall kleine Gemeinschaften …, um sich auszutauschen, wie sie ihren Glauben im Alltag leben können … Sie sind gefragt und werden gehört, weil sie die Fähigkeit besitzen, eine alte Glaubenstradition in die gegenwärtige Zeit zu übersetzen … Die alten Kirchengebäude sind in ihrem Zentrum modernisiert worden und verbreiten eine einladend-meditative Atmosphäre. Hier finden an jedem Sonntag Eucharistiefeiern statt … Auch andere gottesdienstliche Formen gehören zum Angebot … Es gibt Chöre und Musikgruppen … Die Geistlichen – Frauen und Männer – sind ausgesprochen gut ausgebildete Gottesdienstleitende. Sie leben aus einer tiefen Spiritualität, können eindrucksvoll predigen, beten und moderieren … In der Kirche der Zukunft gibt es nämlich keine strengen konfessionellen Grenzen mehr … Den Kirchenzentren [kommt] eine große soziale Bedeutung zu. Hier finden sich umfangreiche seelsorgerliche, soziale und caritative Angebote … Die christliche Kirche der Zukunft ist keine Volkskirche. Aber sie hat eine beachtliche Zahl an Mitgliedern, die aus persönlicher Überzeugung ihre christlichen Kirchen tragen und gestalten. Das macht die Kirche stark und oft auch einflussreich … Die Kirche der Zukunft strahlt aus, ist freundlich und dient den Menschen. Sie hat einen Platz in der Gesellschaft, weil sie aus überzeugten und überzeugenden [Menschen besteht] … Die Kirche der Zukunft wird auch Antworten gefunden haben auf die großen Fragen der Lehre und der Strukturen …: Von den Fragen der Bedeutung des Abendmahles oder des kirchlichen Amtes … Diese Antworten liegen noch im Dunkeln. Sie setzen voraus, dass sich die Christen von heute ernsthaft auf den Weg machen, die trennenden Grenzen zwischen den Konfessionen zu überwinden … Darum fängt der Weg der Ökumene beim einzelnen Christen an und setzt dann alles weitere in Bewegung …“ (a. a. O. S. 130 – 137)       

Fragen zum Nachdenken:

  • Wer ist Dietrich Bonhoeffer für Dich heute?  
  • Ist Christsein eine einfache oder keine einfache Angelegenheit?
  • Wie findest Du die Zukunftsvision für die Kirche von Klaus Pfeffer?
  • Welche Merkmale hat eine zukünftige Kirche für Dich? 

Lesen wir bis zum Rundbrief Juni 2023 den Psalm 88 und die nächsten Verse der Bergpredigt Jesu – Matthäus-Evangelium, Kapitel 5, Verse 21 - 26.  

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe