Rundbrief 2023-04 Gemeinschaft

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief April 2023!

Die 1968 geborene evangelische Theologin Jutta Koslowski (www.jutta-koslowski.de) wohnt mit ihrer Familie in der Familien-Kommunität des Klosters Gnadenthal im deutschen Bundesland Hessen (www.kloster-gnadenthal.de). Sie ist auch Expertin für Theologie und Leben Bonhoeffers und hat einige Bücher über ihn veröffentlicht, unter anderem auch das 2020 erschienene Buch „Gemeinsames Leben? Klösterliche Tradition von Benedikt bis Bonhoeffer – und eine Vision für die Zukunft.“

In ihrem Buch entwickelt sie aufgrund ihrer Lebens- und Glaubenserfahrungen im Kloster Gnadenthal eine Vision für die Zukunft der Kirche. Auch Ausführungen in Bonhoeffers Buch „Gemeinsames Leben“ werden reflektiert. Für sie „eignet sich [sein] Buch … nicht als Programmschrift für die kommunitäre Bewegung, auch wenn es als solche verwendet worden ist. Tatsächlich ist es eher eine Gelegenheitsschrift, die Dietrich Bonhoeffer im Herbst 1938 innerhalb von vier Wochen im leerstehenden Haus seine vor den Nazis nach England geflohenen Zwillingsschwester Sabine niedergeschrieben hat. Bonhoeffer reflektiert dabei die Erfahrungen, die er als Leiter des Preigerseminars Finkenwalde gemacht hatte, das von 1935 bis 193 existierte … Bonhoeffer hatte schon lange eine Neigung zu klösterlichen Formen gemeinsamen Lebens verspüt … Er war fasziniert von den spirituellen Schätzen der katholischen und anglikanischen Kirche und bewies damit eine ökumenische Offenheit, mit der er seiner Zeit weit voraus war. Bevor er sich im Predigerseminar Finkenwalde niederließ, wollte er nach Indien zu Ghandi reisen … Sein Horizont ging also über die christliche Ökumene hinaus und umfasste auch andere Religionen. In seinen letzten Lebensjahren hat er sich mehrmals für Wochen oder Monate in das oberbayrische Benediktinerkloster Ettal zurückgezogen, wo er … in Ruhe an seiner Ethik schreiben konnte. Insofern ist es begreiflich, dass Bonhoeffers Buch zum Wegbereiter kommunitären Lebens in der evangelischen Christenheit in Deutschland und auch darüber hinaus geworden ist.“ (a. a. O., S. 75 – 77).

Bonhoeffer hat sich immer wieder Gedanken über die Zukunft der Kirche gemacht. Vor allem seine fragmentarische Beschreibung von Kirche in seiner Haft in Berlin-Tegel wird immer wieder gerne zitiert: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. Um einen Anfang zu machen, muß sie alles Eigentum den Notleidenden schenken. Die Pfarrer müssen ausschließlich von den freiwilligen Gaben der Gemeinden leben, eventuell einen weltlichen Beruf ausüben. Sie muß an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend. Sie muß den Menschen aller Berufe sagen, was ein Leben mit Christus ist, was es heißt, für andere dazusein.“ (Widerstand und Ergebung, DBW 8, S. 560)

Jutta Koslowski fasst ihre Vision für die Zukunft der Kirche mit dem Begriff „Gemeinde als Gemeinschaft“ zusammen: „Unter dem Stichwort Gemeinde als Gemeinschaft wird eine Idee entwickelt, wie dem massiven Traditionsabbruch in katholischen und evangelischen Kirchengemeinden begegnet werden könnte, indem ein flächendeckendes Netzwerk von ökumenischen Kommunitäten als Kloster ohne Mauern entsteht. Um diese möglichst konkret zu fassen, wurde der Versuch [im vorangehenden Kapitel des Buches] gewagt, den Entwurf einer Regel für eine solche Gemeinschaft auf dem Weg zu formulieren.“ (a. a. O, S. 198)

In dem Kapitel „Entwurf einer Regel für das gemeinsame Leben“ schreibt sie: „Die Gemeinschaft auf dem Wege leitet ihren Namen von der Bezeichnung für die ersten Christen ab, die sich im Neuen Testament findet [Apostelgeschichte 19, 9: „Als sie vor der ganzen Versammlung schlecht über den neuen Weg redeten, wandte Paulus sich von ihnen ab.“]. Der christliche Glaube ist nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches – ein Weg … Der Glaube eröffnet neue Wege, und so versteht sich diese Gemeinschaft als innovativ und visionär. Sie möchte eine glaubwürdige Gestalt für das Christentum zu Beginn des dritten Jahrtausends verwirklichen und dabei nicht nur für neue Formen, sondern auch für neue Inhalte offen sein … Die Gemeinschaft auf dem Weg möchte Gemeinde als Gemeinschaft leben und orientiert sich dabei an der Beschreibung der christlichen Urgemeinde [Apostelgeschichte 2, 42: „Die Menschen, die zum Glauben gekommen waren, trafen sich regelmäßig und ließen sich von den Aposteln unterweisen. Sie lebten in enger Gemeinschaft, brachen das Brot miteinander und beteten.“] … Wir bilden ein Kloster ohne Mauern. Wir wohnen in unmittelbarer Nähe zueinander, jeder in seinem eigenen Haus oder seiner Wohnung … Die Gemeinschaft auf dem Weg steht in der Tradition des christlichen Glaubens. Ihre Grundlage ist die Bibel … Wir anerkennen die Taufe … und feiern miteinander das Abendmahl. Darüber hinaus praktizieren wir Beichte, Firmung und Konfirmation, Krankensalbung, Eheschließung und die Einsetzung in den geistlichen Dienst … die örtliche Kirchengemeinde ist die Mitte für die Gemeinschaft auf dem Weg … Die Gemeinschaft will keine Parallelstruktur zur Kirche schaffen und nicht mir ihr in Konkurrenz treten … Die Gemeinschaft auf dem Weg ist eine ökumenische Kommunität. Christen alle Konfessionen … können hier Mitglied werden … In der Gemeinschaft auf dem Weg gelten Ehe und Familie als Fundament … Wir bejahen Kinder als Geschenk Gottes und wertvolle Bereicherung unseres Lebens … Wir bilden eine Kommunität aus ledigen Schwestern, Brüdern und Familien … Gesellschaftspolitisches Engagement ist uns wichtig. Wir sind in unserem Umfeld ehrenamtlich tätig und arbeiten caritativ; außerdem sind wir politisch aktiv … Die Gemeinschaft auf dem Weg ist auf Wachstum ausgerichtet. Sie versteht sich als Teil einer weltweiten Bewegung, in der Christen sich zu gemeinsamem Leben zusammenschließen … Deshalb sind neue Mitglieder bei uns willkommen, und jeder kann dazugehören, der die Verpflichtung dieser Regel auf sich nimmt – unabhängig von seinem Alter, seinem Geschlecht, sowie Konfession oder Nationalität … Jede Gemeinschaft auf dem Weg wird von zwei Verantwortlichen geleitet … Das Leitungsteam soll aus einer Frau und einem Mann bestehen … Oberstes Prinzip für alles Leitungshandeln sind Transparenz und Konfliktfähigkeit … Jede Gemeinschaft auf dem Weg ist an ihrem jeweiligen Ort unabhängig und selbständig … Alle Gemeinschaften auf dem Weg sind zu einem Bund zusammengeschlossen … Die Gemeinschaft auf dem Wege besitzt keine eigenen Gebäude ... Sie nutzt im Einverständnis mit der jeweiligen örtlichen Kirchengemeinde die dort vorhandenen Räume … Ihre Gebetszeiten und Gottesdienste hält sie in der Kirche ab … Die Gemeinschaft auf dem Wege bildet kein Vermögen. Um die laufenden Kosten für ihre Arbeit zu decken …, soll jedes Mitglied … einen Teil seines Einkommens als freiwillige Spende geben … Jedes Mitglied … sorgt für seinen eigenen Lebensunterhalt …“ (a. a. O., S. 178 – 196)          

Fragen zum Nachdenken:

  • Wie findest Du die Vision „Gemeinschaft als Weg“ mit ihrer Regel für eine zukunftsfähige Kirche?
  • Könntest Du in einer solchen Gemeinschaft leben?
  • Könntest Du in einem Kloster Urlaub machen?
  • Welche Vision für eine Zukunft der Kirche hast Du?

Lesen wir bis zum Rundbrief Mai 2023 den Psalm 86 und die nächsten Verse der Bergpredigt Jesu – Matthäus-Evangelium, Kapitel 5, Verse 13 - 16!  

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe