Rundbrief 2023-03 Wiener Widerstandsgruppe "Weiße Rose"

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief März 2023!

Eine bekannte Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime war die "Weiße Rose", zu der auch die Geschwister Sophie und Hans Scholl gehörten. In den Jahren 1942/43 verbreitete die "Weiße Rose” sechs Flugblätter, um auf die Verbrechen der Nazis aufmerksam zu machen. Bei der Verteilung des sechsten Flugblattes wurden die Studenten Sophie und Hans Scholl am 18. Februar 1943 in der Münchner Universität verhaftet. Sie wurden vor 80 Jahren am 22. Februar 1943 vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.

Auch in Österreich gab es eine Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.

Der am 29. Juli 1924 in Wien geborene Josef Landgraf verteilte als 17-jähriger Schüler an einem Wiener Gymnasium Flugzettel in Wien, um die Welt vor dem Bösen, verkörpert durch Adolf Hitler, zu bewahren. Einige Mitschüler schlossen sich Landgraf an. Ihre Aktionen flogen auf. Der Schul­direktor Ferdinand Walter zeigte die Schüler bei der Gestapo an. Josef Landgraf wurde im August 1942 zum Tod verurteilt, 1943 nach Gesuch der Eltern jedoch begnadigt und wurde bis zum 7. April 1945 in einem Jugendgefängnis gefangen gehalten. Mit 94 Jahren starb er am 4. April 2018 in Wien.


Josef Landgraf
(Quelle: Wiener Bezirksblatt vom 14.12.2021)

Nach zehn Jahren der Machtergreifung Hitlers legt Bonhoeffer Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 (siehe den Prolog in DBW 8, S. 19 – 39) ab. In seinen Ausführungen stehen die Abschnitte: „Ohne Boden unter den Füßen“; „Wer hält stand?“; „Civilcourage?“; „Vom Erfolg“; „Von der Dummheit“; „Menschenverachtung?“; „Immanente Gerechtigkeit“; „Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte“; „Vertrauen“; „Qualitätsgefühl“; „Mitleiden“; „Vom Leiden“; „Gegenwart und Zukunft“; „Optimismus“; „Gefährdung und Tod“; „Sind wir noch brauchbar?“ und „Der Blick nach unten“.  

Lebensnah und spannend zu lesen sind die Memoiren Landgrafs, die in dem 2021 erschienenen Buch „Die weiße Rose von Wien, geboren 1924“ (steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek) veröffentlicht wurden

Auch er gibt Rechenschaft über sein Leben und Wirken in dem Abschnitt „Gedanken eines Ungebeugten“ (S. 279 – 314): „Die Deutschen galten als das Volk der Dichter und Denker. Zahlreiche Heimatdichter wie etwa Peter Rosegger betonten immer wieder ihre Zugehörigkeit zum stolzen Deutschtum. Zuletzt herrschte in Österreich überdies eine Clique, die die Demokratie schlecht machte und verabscheute … Das Deutschtum, das man nun kennenlernte, war nicht schön, sondern nur primitiv und brutal … Jetzt ließ sich der neue Machtapparat nicht mehr beseitigen und Hitler saß fest im Sattel. Von nun ab war Widerstand gegen die neue Staatsgewalt mehr oder weniger Selbstmord oder zumindest Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und Verlust der bürgerlichen Rechte … Viel zu wenige Vernünftige hatten warnende Worte gesprochen … Die westlichen Demokratien [waren] dekadent und verjudet. Die Juden wurden … als feiges Volk bezeichnet … Hitler … hielt sich für unbesiegbar. In diesem Zusammenhang wirft sich die ganz allgemeine Frage auf: Wie lange kann man ein Volk belügen? … Leider verblassen die Erinnerungen an diese Zeit immer mehr, und ich sehe daher die Gefahr kommender Leichtfertigkeit im Hinblick auf Kampf und Krieg für die Jugend entstehen. Bei Gesprächen mit jungen Leuten stelle ich immer wieder fest, dass es der heutigen Jugend unverständlich ist, wieso die große Mehrheit durch eine gewaltige Propagandamaschine bis zur Selbstaufgabe und in den sicheren Tod getrieben werden konnte … Für mich taucht immer wieder die gleiche Frage auf. Wieso konnte man diesen Mann [Hitler] so großartig finden? … Wie war es also möglich, ein gesundes Volk mit Wahnideen in den Abgrund zu reißen? … Wir waren zumindest teilweise von Stolz auf Österreich und seine Vergangenheit erfüllt. Wir waren aber auch stolz auf unser Deutschtum und die deutsche Geschichte. Wir hatten die alten Schulweisen im Latein- und Griechischunterricht gelehrt bekommen, wonach diese tapferen Völker und großen Reiche etwas Besonderes und Unvergleichbares waren … Wir hatten auch sehr liebenswerte Juden unter den Mitschülern und Lehrern kennengelernt. Dann gab es die Zeitschrift ‚Der Stürmer‘, in der die Juden nur mehr Parasiten am gesunden Körper der Arier waren … Menschlichkeit und Humanität wurden als Schwäche und Verweichlichung verächtlich gemacht … Woran hätten sich … die junge Menschen 1938 festklammern können? Hitler beseitigte zweifellos die Arbeitslosigkeit in Deutschland und Österreich. Aber seine Mittel waren Kriegsproduktion und schließlich der Krieg selbst … Nach einem Vortrag wurde ich einmal gefragt, woher ich als schüchterner Schüler den Mut nahm, eine Widerstandsgruppe zu gründen und zu leiten? Ich erklärte dies mit dem Hinweis auf einen Topf Wasser. Beim Erhitzen entstehen nur langsam Dampf- und Wasserbläschen. Aber letztendlich kocht der Topf über, und so ähnlich erging es mir von 1939 bis 1941. Da hörte sich die Introvertiertheit auf, und der Unmut suchte sich freie Bahn … Von Studenten … wurden mir … einige Fragen gestellt … Würden Sie heute in einer derartigen Situation wieder Widerstand leisten? …Wieso entschlossen Sie sich dazu, ein Gegner des Nationalismus zu werden? … Sowohl ein junger wie auch ein älterer Mensch konnten schon nach einiger Zeit erkennen, wie sehr die Wurzeln der Ideologie nicht gesund waren, sondern auf Unrecht, Machtgier und Unmenschlichkeit beruhten … Grundsätzlich ist zu sagen, dass es naturgemäß Personen ohne Familienanhang leichter fällt, die Risiken auf sich zu nehmen … Im … Falle meiner Widerstandsgruppe war jedoch sicherlich der Zeitpunkt verfrüht. Wir hatten damals keine Chance für das Gelingen des Vorhabens. Die große Masse … ließ sich von der Propaganda nur zu gerne davon überzeugen, dass es sich um eine gerechte Sache für das deutsche Volk handelte … Die Klügeren warteten einen späteren und günstigeren Zeitpunkt für ihren Widerstand ab … Eine Pflicht zum Widerstand erschien mir daher in den nachfolgenden Jahren immer mehr gegeben … Von der Erziehung her und vom Elternhaus war ich ursprünglich christlich-konservativ geprägt, doch zu viele Geschehnisse bewiesen mir, wie gefährlich es ist, sich an einer Richtung festzuklammern. Über Politik zu schreiben ist ein trügerischer Boden … Staatsmänner hätten geradezu die Pflicht, bei bestimmten Angelegenheiten zu lügen. Die ganze Geschichte lehrt uns, wie sehr tatsächlich stets nach dieses Maxime verfahren wurde … Ich gehöre durchaus nicht zu den verbitterten Mitmenschen, die die Meinung vertreten, alle Politiker seien schlecht und immer nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Das ist ganz bestimmt nicht richtig … Dass der Samen des Judenhasses auf so fruchtbaren Boden fiel, mag sicher viele Gründe und Quellen haben. Der Hauptgrund war offensichtlich Neid. Die Juden wurden beneidet, weil sie in Kunst und Literatur erfolgreich waren, weil sie im Geschäftsleben großteils tüchtig waren und vielfach im Unterschied zu den armen ‚Ariern‘ auch begütert und wohlhabend gewesen sind … Es wird immer geklagt, die Jugend interessiere sich nicht für das Geschehen in ihrer Heimat und in der ganzen Welt und sei völlig unpolitisch. Wenn ich an die Informationen denke, die uns zufließen, dann kann mich dieses Verhalten der Jugend nicht verwundern. Die uns übermittelten Nachrichten sind nach meiner langjährigen Erfahrung zu ca. 50% unrichtig. Wie soll man sich da eine richtige, ordentliche Meinung bilden können? … Vielleicht ist die Jugend also gar nicht so schlecht beraten, wenn sie sich nicht allzu sehr in politische Fragen verwickeln läßt … Man soll nur sehr vorsichtig sein und nicht alles glauben, was ‚aus sicherer Quelle berichtet wird‘. Viele dieser sicheren Quellen sind Giftquellen … Ich möchte meine Zeilen daher mit einer Bitte an die Jugend schließen: Vergesst niemals die vielen Opfer des Kampfes für Freiheit, Recht und Vaterland. Zeigt euch dieser Opfer würdig und werdet echter Österreicher, die ihre Heimat lieben … Eines aber wissen wir heute genau: Jetzt kann es keine Ausrede mehr dafür geben, dass man nicht wissen kann, wohin Gewaltherrschaft und Terror führen können! Die Generation, die diese Jahre miterlebt hat, darf nicht schweigen, sie hat die Pflicht, der Jugend wahrheitsgemäß ein Bild dieser Zeiten zu übermitteln …“

Fragen zum Nachdenken:

  • Hast Du von dieser Wiener Widerstandsgruppe um Josef Landgraf gewusst?
  • Welche Aussagen von Josef Landgraf haben Dich angesprochen?
  • Was verbindest Du mit dem Begriff Deutschtum?
  • Wer war Hitler für Dich?
  • Was würdest Du der heutigen Jugend empfehlen bzw. raten?

Lesen wir bis zum Rundbrief April 2023 den Psalm 85!  Lesen wir erneut die Bergpredigt Jesu, die uns in den Kapiteln 5 – 7 des Matthäusevangeliums überliefert ist. Beginnen wir mit Kapitel 5, Verse 1 – 12!   

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe