Rundbrief 2022-12 Geistliche Übung

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Dezember 2022!

Ende Oktober 2022 hatten wir einen inspirierenden Einkehrtag zum Thema „Mit Dietrich Bonhoeffer auf Allerseelen und den Totensonntag zugehen“ unter der Leitung unseres Vereinsmitgliedes Dr. Kurt Udermann. Alle Teilnehmer lasen Texte Bonhoeffers zum Thema, meditierten darüber und äußerten ihre Gedanken, die nicht hinterfragt oder diskutiert wurden.

Von der katholischen Theologin und Bonhoefferexpertin Katharina D. Oppel ist vor einigen Wochen das Buch „Ganz Menschsein in einer brüchigen Welt. Exerzitien im Alltag mit Dietrich Bonhoeffer“ erschienen. Gerade für die Adventszeit, die auch eine Zeit für Stille, Besinnung und Gebet sein soll, ist dieses Buch mit zahlreichen Exerzitien mit Dietrich Bonhoeffer eine wertvolle Quelle für die persönliche Frömmigkeit.

Das Wort „Exerzitien“ leitet sich vom lateinischen Begriff „exercitium“ (Übung) ab. Es sind regelmäßige geistliche Übungen mit Bibellesen, Meditation, Gebet und Stille. Diese gehen auf Ignatius von Loyola (1491 – 1556), dem Begründer des Jesuitenordens, zurück, der auch ein Exerzitienbuch mit geistlichen Übungen verfasst hat. Eine Ausgabe besaß Bonhoeffer, er hat die geistlichen Übungen durchgearbeitet. Sie dürfte auch ihn für die geistliche und theologische Leitung des Predigerseminares Finkenwalde inspiriert haben. Dort war ihm für die Ausbildung der angehenden Pfarrer der Aufbau eines gemeinsamen geistlichen Lebens wichtig, strukturiert durch Zeiten mit Meditationen, Bibellesen, theologischer Arbeit und gemeinschaftlichem Leben mit Sport, Essen und Musik.

Für Bonhoeffer ging es vor allem darum, Gottes Wort für sein eigenes Leben und Christsein zu entdecken und reden zu lassen: „Wir müssen die heilige Schrift erst wieder kennen lernen wie die Reformatoren, wie unsere Väter sie kannten. Wir dürfen die Arbeit und die Zeit dafür nicht scheuen. Wir müssen die Schrift kennen lernen zu allererst um unseres Heiles willen … Wie sollen wir z. B. in unserm persönlichen und kirchlichen Handeln jemals Gewißheit und Zuversicht erlangen, wenn wir nicht auf festem Schriftgrund stehen? Nicht unser Herz entscheidet über unsern Weg, sondern Gottes Wort“ (Dietrich Bonhoeffer: Gemeinsamens Leben. Das Gebetbuch der Bibel, DBW 5, S. 47). Dieses braucht Zeit, bis es wirklich in unser Herz eingedrungen ist: „Gott hat Zeit gebraucht, ehe er in Christus im Heil zu uns kam. Er braucht Zeit, ehe er mir zum Heil in mein Herz kommt.“ (Dietrich Bonhoeffer: Illegale Theologenausbildung Finkenwalde 1935 – 1937, DBW 14, S. 946).   

Nehmen wir uns also nicht nur im Advent, der eine Zeit zwischen Himmel und Erde ist, ausreichend Zeit an einem geeigneten Ort für solche geistlichen Übungen! Ein Bibelleseplan und ein Buch mit ausgewählten Bonhoeffertexten sind für diese hilfreich. Ein Bespiel einer geistlichen Übung mit Dietrich Bonhoeffer aus Oppels Buch möge uns motivieren! (a. a. O, S. 38 f)

Thema: Zwischen Himmel und Erde

Anfangen: Ich bestimme eine feste Zeit in meinem Tagesablauf und suche einen Ort auf, an dem ich meine Übungen so ungestört wie möglich halten kann. Diesen Ort gestalte ich mit meinem Kreuz, einer Bibel, einer Kerze – mit dem, was mir hilft, mich zu sammeln.

Ankommen und still werden: Ich nehme meinen Platz ein, atme ein paarmal ruhig ein und aus und spreche dann mein Vorbereitungsgebet, das immer gleich bleiben kann, z. B.: „Gott, … hilf mir beten und meine Gedanken sammeln; ich kann es nicht allein. In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht. Ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden. In mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den rechten Weg für mich“ (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, DBW 8, S. 204 f).

Bibeltext: „Denkt an das, was droben ist, nicht das Irdische! (Kolosser 3, 2)

Impuls von Dietrich Bonhoeffer: „Daran entscheidet sich heute Gewaltiges, ob wir Christen Kraft genug haben, der Welt zu bezeugen, dass wir keine Träumer und Wolkenwandler sind. Dass wir nicht die Dinge kommen und gehen lassen, wie sie nun einmal sind. Dass unser Glaube wirklich nicht das Opium ist, das uns zufrieden sein lässt inmitten einer ungerechten Welt. Sondern dass wir, gerade weil wir trachten nach dem, was droben ist, nur umso hartnäckiger und zielbewusster protestieren auf dieser Erde“ (Dietrich Bonhoeffer, Ökumene, Universität, Pfarramt (1931 – 1932), DBW 11, S. 446).  

Fragen zur Besinnung:

  1. Inwiefern schenkt mir mein Glaube Kraft, mich für diese Erde einzusetzen?
  2. Welche Antworten finde ich ‚droben‘ für eine gerechtere Welt ‚drunten‘?

Abschließendes Gebet: z.B. Vater Unser, Ehre sei dem Vater oder Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiß an jedem neuen Tag. (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, DBW 8, S. 608)

Frage zum Nachdenken: Wirst Du eine von Dir gestaltete oder die vorgeschlagene geistliche Übung durchführen?

 

Lesen wir bis zum Rundbrief Jänner 2023:
Psalm 82; Lukas-Evangelium, Kapitel 1, Verse 1 - 23              

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe