Rundbrief 2022-09 Edith Stein

Posted in Blog

HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief September 2022!

Am 9. August 1942 wurde Edith Stein - Jüdin, Christin, Philosophin, Frauenrechtlerin, Ordensfrau, Märtyrerin und Heilige - im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet. Aufgrund ihres 80. Todestages gibt es vom 9. August bis 11. Dezember 2022 eine Ausstellung über ihr Leben und Wirken im Kloster Stams (Tirol).


Edith Stein 1938 (Passbild vom Dezember 1938)
Quelle: www.wikipedia.org

Am 12. Oktober 1891 wurde Edith Stein in Breslau (diese ist auch die Geburtsstadt Bonhoeffers) als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Von 1911 – 1915 studierte sie Psychologie, Germanistik, Geschichte und Philosophie in Breslau und Göttingen. Sie wurde Mitglied einer sozialistischen Frauengruppe, in der sie sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzte. Sie promovierte 1916 an der Universität Freiburg und wurde dort Assistentin ihres Doktorvaters Edmund Husserl (deutsch-österreichischer Philosoph, 1859 – 1938). Von 1919 bis 1933 hatte sie Lehrtätigkeiten in Breslau, Speyer und Münster. Ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben war die Lektüre der Autobiographie der Karmelitin Teresa von Ávila (1515 – 1582). Sie überwand ihre atheistische Lebensphase und wurde gläubige Christin. Am 1. Januar 1922 wurde Edith Stein in Bad Bergzabern (Rheinland Pfalz) durch die Taufe in die römisch-katholische Kirche aufgenommen. 1933 verboten die Nazis ihre Lehrtätigkeit. Im April 1933 schrieb Edith Stein einen Brief an den damaligen Papst Pius XI. mit der Bitte, öffentlich gegen die Judenverfolgung zu protestieren. Eine Reaktion des Papstes blieb aber aus. Im gleichen Jahr trat sie in das Karmelitinnenkloster „Maria vom Frieden“ in Köln ein. Sie nahm den Ordensnamen „Teresia Benedicta a Cruce“ (die vom Kreuz Gesegnete) an. 1938 musste sie das Kloster wegen der Judenverfolgung verlassen. Sie übersiedelte in den Karmel im niederländischen Echt. Der römisch-katholische Erzbischof von Utrecht, Johannes de Jong, veröffentlichte am 26. Juli 1942 einen Hirtenbrief gegen das Vorgehen der Deutschen gegen die Juden. Als Reaktion darauf wurden 244 zum Katholizismus konvertierte ehemalige Juden, darunter auch Edith Stein, am 2. August 1942 von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert, wo sie am 9. August 1942 ermordet wurde. Edith Stein wurde am 1. Mai 1987 von Papst Johannes Paul II. in Köln seliggesprochen. Die Heiligsprechung fand am 11. Oktober 1998 in Rom statt. 1999 wurde Edith Stein zur Patronin Europas erklärt.

Der Brief Edith Steins an den Papst Pius XI: „Heiliger Vater! Als ein Kind des jüdischen Volkes, das durch Gottes Gnade seit elf Jahren ein Kind der katholischen Kirche ist, wage ich es vor dem Vater der Christenheit auszusprechen, was Millionen von Deutschen bedrückt. Seit Wochen sehen wir in Deutschland Taten geschehen, die jeder Gerechtigkeit und Menschlichkeit - von Nächstenliebe gar nicht zu reden - Hohn sprechen. Jahre hindurch haben die nationalsozialistischen Führer den Judenhaß gepredigt. Nachdem sie jetzt die Regierungsgewalt in ihre Hände gebracht und ihre Anhängerschar - darunter nachweislich verbrecherische Elemente - bewaffnet hatten, ist diese Saat des Hasses aufgegangen. Daß Ausschreitungen vorgekommen sind, wurde noch vor kurzem von der Regierung zugegeben. In welchem Umfang, davon können wir uns kein Bild machen, weil die öffentliche Meinung geknebelt ist. Aber nach dem zu urteilen, was mir durch persönliche Beziehungen bekannt geworden ist, handelt es sich keineswegs um vereinzelte Ausnahmefälle. Unter dem Druck der Auslandsstimmen ist die Regierung zu ‚milderen‘ Methoden übergegangen. Sie hat die Parole ausgegeben, es solle ‚keinem Juden ein Haar gekrümmt werden‘. Aber sie treibt durch ihre Boykotterklärung - dadurch, daß sie den Menschen wirtschaftliche Existenz, bürgerliche Ehre und ihr Vaterland nimmt - viele zur Verzweiflung: es sind mir in der letzten Woche durch private Nachrichten 5 Fälle von Selbstmord infolge dieser Anfeindungen bekannt geworden. Ich bin überzeugt, daß es sich um eine allgemeine Erscheinung handelt, die noch viele Opfer fordern wird. Man mag bedauern, daß die Unglücklichen nicht mehr inneren Halt haben, um ihr Schicksal zu tragen. Aber die Verantwortung fällt doch zum großen Teil auf die, die sie so weit brachten. Und sie fällt auch auf die, die dazu schweigen. Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich ‚christlich‘ nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland - und ich denke, in der ganzen Welt - darauf, daß die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Mißbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun. Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers, der allerseligsten Jungfrau und der Apostel? Steht nicht dies alles im äußersten Gegensatz zum Verhalten unseres Herrn und Heilands, der noch am Kreuz für seine Verfolger betete? Und ist es nicht ein schwarzer Flecken in der Chronik dieses Heiligen Jahres, das ein Jahr des Friedens und der Versöhnung werden sollte? Wir alle, die wir treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält. Wir sind auch der Überzeugung, daß dieses Schweigen nicht imstande sein wird, auf die Dauer den Frieden mit der gegenwärtigen deutschen Regierung zu erkaufen. Der Kampf gegen den Katholizismus wird vorläufig noch in der Stille und in weniger brutalen Formen geführt wie gegen das Judentum, aber nicht weniger systematisch. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird in Deutschland kein Katholik mehr ein Amt haben, wenn er sich nicht dem neuen Kurs bedingungslos verschreibt.

Zu Füßen Eurer Heiligkeit, um den Apostolischen Segen bittend, Dr. Editha Stein, Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik, Münster/W., Collegium Marianum.“ (Quelle: Zeitschrift Stimmen der Zeit, 2003, S. 147 – 150)

In dem Buch „Glaube als Widerstand. Edith Stein, Alfred Delp, Dietrich Bonhoeffer“ heißt es: „Edith Stein … gehört zu den großen Gestalten des geistigen Widerstandes im nationalsozialistischen Deutschland. Dieser ihr Widerstand geschah nicht mit Waffen, sondern aus der Kraft des Betens, des wiederstehenden, lauteren Herzens, des wahrhaftigen Zeugnisgebens … Edith Stein gehörte zu den Weitsichtigen [so auch Bonhoeffer], die schon Jahre vor Adolf Hitlers Machtergreifung eine Juden- und Kirchenverfolgung in Deutschland voraussahen … Ich hatte ja schon vorher von scharfen Maßnahmen gegen die Juden gehört. Aber jetzt ging mir auf einmal ein Licht auf, daß Gott wieder einmal schwer seine Hand auf sein Volk gelegt habe und daß das Schicksal dieses Volkes auch meines war … durch Gebet und Opfer wollte sie sich für ihr jüdisches Volk und für die Mörder des Nationalsozialismus einsetzen … In Vorahnung ihres Todes verfaßte sie schon im Sommer 1939 ihr Testament und bot sich Gott als Sühneopfer an, um den Frieden in der Welt wiederherzustellen … Leben wir heute nicht von diesen Menschen, die ihr Leben wie Christus preisgaben, um der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen? Zu ihnen gehören Namen wie Dietrich Bonhoeffer … Edith Stein hat widerstanden bis in den Tod: sie widerstand der Bosheit, der Verzweiflung, der Gemeinheit von Menschen in der Kraft des Gebetes, der hingebenden Liebe … Edith Stein … ist für viele, vor allem junge Menschen heute, eine wegweisende Gestalt … Ähnlich wie Dietrich Bonhoeffer …“ (Quelle: Gotthard Fuchs (Hg.): Glaube als Widerstand. Edith Stein, Alfred Delp, Dietrich Bonhoeffer, Frankfurt/M. 1986, S. 70 – 91)

Ich weiß nicht, ob Bonhoeffer Edith Stein persönlich gekannt hat. Vielleicht wird er Schriften von ihr gelesen oder gekannt und von ihrem Wirken gehört haben. Die Zukunft eines glaubwürdigen Christentums sah Bonhoeffer auch in der Kraft des Gebetes. In seinen Gedanken zum Tauftag seines Patenkindes Dietrich Bethge vom Mai 1944 schreibt er: „Du wirst heute zum Christen getauft … und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden, und Organisieren in den Dingen des Christentums muß neugeboren werden aus diesem Beten und diesem Tun.“ (Quelle: Widerstand und Ergebung, DBW 8, S. 435 f.)

Fragen zum Nachdenken:

  • Was hat Dich bei Edith Stein angesprochen?
  • Welche Rolle spielt das Gebet in Deinem Leben?
  • Hattest Du auch schon einmal überlegt, zu einer anderen Religion zu konvertieren?

Lesen wir bis zum Rundbrief Oktober 2022:
Psalm 79; Matthäus-Evangelium, Kapitel 23, Verse 37 - 39              

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe