Rundbrief 2022-05 Vergebung

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Mai 2022!

Im März 2022 sah ich den deutschen TV–Film „Honecker und der Pastor“. Regie führte der Schauspieler Jan Josef Liefers. Der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker (1912 – 1994), war nach dem Untergang der DDR im Jahre 1990 mit seiner Frau Margot (1927 – 2016) obdachlos geworden. Das Ehepaar Honecker wurde vom evangelischen Pastor Uwe Holmer aufgenommen und wohnte vom 30. Jänner bis 3. April 1990 im Pfarrhaus mit der Familie Holmer.

Pfarrer Holmer handelte aus der christlichen Überzeugung heraus, dass Vergebung und Versöhnung große Mauern zwischen Menschen überwinden können. Viele Mitbürger und Pfarrerkollegen konnten damals sein mutiges Handeln nicht verstehen, denn durch das sozialistische Regime – nicht nur unter Honecker – wurden viele Menschen wegen ihres christlichen Glaubens diskriminiert und verhaftet.


Uwe Holmer (2000)
Quelle: commons.wikimedia.org

Uwe Holmer wurde am 6. Februar 1929 in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Er war nach dem Theologiestudium Landpfarrer im mecklenburgischen Kreis Ludwigslust. 1983 wurde er Leiter der Hoffnungstaler Anstalten der Gemeinde Lobetal (Brandenburg), die sich vor allem um die Patienten des Lobetaler Fachkrankenhauses für Neurologie, Psychiatrie und Epileptologie kümmerten und auch Bürgermeister der Gemeinde. Während seiner Amtszeit erhielt er die Verdienstmedaille der DDR. Der heute 93-jährige Holmer lebt mit seiner zweiten Frau Christine in Serrahn (Mecklenburg-Vorpommern).

Pfarrer Holmer schreibt in seinem 2009 erschienenen Buch „Der Mann, bei dem Honecker wohnte“ über Vergebung und Versöhnung: „Am Abend des 30. Januar 1990 sollten sie [das Ehepaar Honecker] gebracht werden … Es könnte Unruhe geben. Es könnten Menschen kommen und protestieren … Doch dann dachten wir an das Außerordentliche der Stunde und an den Auftrag von uns Christen, Vergebung zu üben, Versöhnung zu leben … Vergebung besiegt den Hass … Vergebung ist eine Entscheidung, ein Willensakt … Sie reinigt das Herz von Zorn und Bitterkeit und Selbstmitleid, ja, auch von Hass … Wer Wut und Bitterkeit im Herzen festhält, behält Gift in seiner Seele … Vergebung ist Gottes Heilmittel für Seele und Leib und für unser Miteinander … Erst Gott macht den Menschen zum Menschen, wie er sein soll. Denn er gibt Sinn und Freude, Verantwortung und Zuversicht, Liebe und Fürsorge ins Herz.“ (Diese Zitate stehen im Kapitel 9 „Honecker“, S. 132 – 154.)

Bonhoeffer thematisiert Vergebung und Versöhnung in seiner Predigt über Matthäus, Kapitel 18, Verse 21 – 35, die er am 17. November 1935 im Predigerseminar Finkenwalde gehalten hat. Petrus fragt in diesem Bibeltext Jesus, wie oft man einem Menschen vergeben müsse. „Wir wollen uns zu Beginn dieser Predigt einmal fragen, ob wir einen Menschen wissen …, dem wir ein Unrecht, das er uns angetan hat, nicht vergeben haben … Oder sollten wir wirklich so unachtsam sein, daß wir sagen, wir wüßten keinen … Und unter diesen Menschen vielleicht ein guter Freund, ein Bruder, einer unserer Eltern? … Wir machen es uns ja so leicht mit anderen Menschen. Wir stumpfen uns gänzlich ab und meinen, wenn wir gegen jemand keine bösen Gedanken hegen, dann sei das eben dasselbe als hätten wir ihm vergeben … ‚Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben?‘ Wie lange muß ich es ertragen, daß er hart gegen mich ist, mich kränkt und verletzt, daß er ohne Rücksicht und Zartheit ist, daß er mir weh tut ohne Maßen – Herr, wie oft …? … Laßt uns nur mit dieser Frage immer zu Jesus gehen, wie es Petrus tat. Denn gingen wir zu einem andern, fragten wir uns selbst … Nicht zählen, Petrus, sondern vergeben ohne Zahl – nicht dich quälen mit der Frage, wie lange, – ohne Ende, Petrus, ohne Ende: das ist vergeben – und das ist Gnade für dich, das allein macht frei … Vergebung ist ohne Anfang und Ende, sie geschieht täglich unaufhörlich, denn sie kommt von Gott. Das ist Befreiung aus allem Krampfhaften im Zusammensein mit dem Nächsten, denn hier werden wir befreit von uns selbst, hier dürfen wir alles eigene Recht aufgeben und dem andern allein helfen und dienen … Als Jesus das dem Petrus sagte, da hat er ihm etwas ganz Fröhliches und Herrliches sagen und schenken wollen, da hat er ihn frei machen wollen aus dem quälenden Gegeneinander der Menschen. Ihr dürft einander vergeben, sagt Jesus. Das ist wahrhaftig frohe Botschaft … Ach wie schwer ist das, was Jesus uns da auflegt, wie unerträglich schwer. Das ist ja keine Hilfe, das ist ja eine Last … Und siehe, erst wenn wir so reden, wird Jesus zornig über uns … Liebe Brüder, wer es einmal erfahren hat, daß Gott ihn aus seiner großen Sünde gerissen und ihm vergeben hat, wem Gott einmal in solcher Stunde einen Bruder geschickt hat, dem wir unsre Sünden sagen durften … - dem vergeht alle Sucht zum Richten und zum Nachtragen, der will nur noch eines: Mittragen an der Not des Bruders, dienen, helfen, vergeben … Herr, unser Gott, laß uns deine Barmherzigkeit erfahren, daß wir Barmherzigkeit üben ohne Ende! Amen.“ (Dietrich Bonhoeffer: Illegale Theologenausbildung 1935 – 1937, DBW 14, S. 905 – 911)       

Fragen zum Nachdenken:

  • Wie findest Du Holmers Entscheidung, aus Vergebung und Versöhnung dem Ehepaar Honecker Asyl angeboten zu haben?  
  • Wann und warum hast Du einem Menschen vergeben?
  • Wann und warum hat ein Mensch Dir vergeben?  
  • Würdest Du Putin vergeben und ihn aufnehmen?

Lesen wir bis zum Rundbrief Juni 2022:
Psalm 75; Matthäus-Evangelium, Kapitel 22, die Verse 41 – 46            

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe 

Jesus Christus sagt: „Friede sei mit Euch!“

Frieden für die Ukraine und für die Welt

 

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