Rundbrief 2021-12 Selig sind, die Frieden stiften

Posted in Blog

HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Dezember 2021!

Jesus sagt in seiner berühmten Bergpredigt: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus-Evangelium, Kapitel 5, Vers 9 nach der Lutherbibel von 1984)

Bertolt Brecht (geboren 1898 in Augsburg, gestorben 1956 in Ost-Berlin) war ein bedeutender deutscher Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Seine Werke wurden weltweit aufgeführt. Zu seinen bekanntesten Stücken zählen „Die Dreigroschenoper“, „Mutter Courage und ihre Kinder“ und „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten verbrannt und verboten. Brecht wurde 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Seit 1933 lebte er im Exil, unter anderem in Dänemark, Schweden, Finnland und in den USA. Seit 1948 lebte er bis zu seinem Tod in Ost-Berlin.

Bertolt Brecht (Quelle: Wikipedia)

Im dänischen Exil verfasste Brecht das Theaterstück „Furcht und Elend des Dritten Reiches“. Die erste deutschsprachige Ausgabe enthielt 24 Szenen. Diesen geht jeweils ein kurzes Gedicht voraus, und diese stehen in keinem direkten Zusammenhang zueinander. Die Protagonisten treten nur jeweils in einer Szene auf. In den einzelnen Szenen wird die nationalsozialistische Diktatur im Alltag dargestellt, wie diese in alle Gesellschaftsschichten und Lebensbereiche der Menschen eindringt und Angst und Misstrauen verbreitet.

Die Szene 20 heißt „Bergpredigt“.

„Es müssen die Christen mit Schrecken Ihre zehn Gebote verstecken. Sonst hagelt es Prügel und Spott. Sie können nicht Christen bleiben. Neue Götter vertreiben Ihren jüdischen Friedensgott.  

Lübeck, 1937, Wohnküche eines Fischers. Der Fischer liegt im Sterben. An seinem Lager seine Frau, in SA-Uniform sein Sohn. Der Pfarrer ist da.

Der Sterbende: Sagen Sie, gibt es wirklich was danach?

Der Pfarrer: Quälen Sie sich denn mit Zweifeln?

Der Pfarrer: Danach gibt es das ewige Leben.

Der Sterbende: Und das ist besser?

Der Pfarrer: Glauben Sie mir, Gott weiß das.

Der Sterbende: Meinen Sie? Da oben kann man dann vielleicht wieder das Maul aufmachen, wie?

Der Pfarrer: Es steht geschrieben: Der Glaube versetzt Berge. Sie müssen glauben. Es wird ihnen leichter dann.

Die Frau: Sie dürfen nicht meinen, Herr Pfarrer, daß es ihm an Glauben fehlt. Er hat immer das Abendmahl genommen. Der Pfarrer meint, du glaubst gar nicht. Aber du glaubst doch, nicht?

Der Sterbende: Da ist doch sonst nichts.

Der Pfarrer: Was meinen Sie damit? Da ist doch sonst nichts?

Der Sterbende: Na, da ist doch sonst nichts. Nicht? Ich meine, wenn es irgendwas gegeben hätte.

Der Pfarrer: Aber was hätte es denn geben sollen?

Der Sterbende: Irgendwas.

Der Pfarrer: Aber sie haben doch ihre liebe Frau und ihren Sohn gehabt.

Der Sterbende: Ich meine, wenn irgendwas los gewesen wäre im Leben.

Der Pfarrer: Ich verstehe Sie vielleicht nicht ganz. Sie meinen doch nicht, daß Sie nur glauben, weil ihr Leben Mühsal und Arbeit gewesen ist?

Der Sterbende, der seinen Sohn ansieht: Und wird es jetzt besser für die?

Der Pfarrer: Sie meinen für die Jugend? Ja, das hoffen wir.

Der Sterbende: Wenn wir einen Motorkutter hätten.

Die Frau: Wir kommen doch durch.

Der Sterbende: Aber vielleicht gibt‘s Krieg?

Die Frau: Red doch jetzt nicht davon. In der letzten Zeit hatte er immer mit den Jungen über den Krieg geredet. Sie sind aneinandergeraten darüber.

Der Sohn: Er glaubt nicht an den Aufstieg.

Der Sterbende: Sagen Sie, will der da oben denn, daß es Krieg gibt?

Der Pfarrer: Es heißt, selig sind die Friedfertigen.

Der Sohn: Der Führer will keinen Krieg.

Der Sterbende: Wenn es also Krieg gibt.

Die Frau: Sei still jetzt.

Der Sterbende: Sagen Sie dem was von den Friedfertigen!

Der Pfarrer: Wir stehen alle in Gottes Hand, vergessen Sie das nicht.

Der Sterbende: Sagen Sie es ihm?

Die Frau: Aber der Pfarrer kann doch nichts gegen den Krieg machen, sei doch vernünftig! Darüber soll man gar nicht reden in diesen Zeiten, nicht, Herr Pfarrer?

Der Sterbende: Sie wissen doch, es sind alles Schwindler. Ich kann für mein Boot keinen Motor kaufen. In ihre Flugzeuge bauen sie Motoren ein … Diese Schwindler. Krieg machen sie!

Der Pfarrer: Beruhigen Sie sich doch, Herr Claasen.

Der Sterbende: Sagen Sie ihm das von den Friedfertigen?

Der Pfarrer: Er kann es selber lesen. Es steht in der Bergpredigt.

Der Sterbende: Er sagt, das ist alles von einem Juden und gilt nicht.

Die Frau: Fang doch nicht wieder damit an! Er meint es doch nicht so. Das hört er eben bei seinen Kameraden.

Der Sterbende: Gilt es nicht?

Die Frau: Bring den Herrn Pfarrer nicht ins Unglück, Hannes. Du sollst ihn das nicht fragen.

Der Sohn: Warum soll er ihn nicht fragen?

Der Sterbende: Gilt es oder nicht?

Der Pfarrer: In der Schrift steht auch: Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ (Bertolt Brecht, Furcht und Elend des Dritten Reiches, Berlin 2019, S. 102 – 105)

In den Werken Bonhoeffers finden sich keine Äußerungen über Brecht. Lediglich in einer Anmerkung wird erwähnt, dass ein evangelischer Theologe eine Parallele zwischen Worten Bonhoeffers seines Romanfragmentes und Worten eines Gedichtes Brechts sieht. (Dietrich Bonhoeffer, Fragmente aus Tegel, DBW 7, Anmerkung 19 der Seite 184)

In einem Brief vom 27. Jänner 1936 an Elisabeth Zinn, mit der Bonhoeffer liiert war, bekannte er, dass er erst durch die Bibel und Bergpredigt ein richtiger Christ wurde: „Dann kam etwas anderes, etwas, was mein Leben bis heute verändert hat und herumgeworfen hat. Ich kam zum ersten Mal zur Bibel … Ich hatte schon oft gepredigt, ich hatte schon viel von der Kirche gesehen, darüber geredet und geschrieben – und ich war noch kein Christ geworden, sondern ganz wild und ungebändigt mein eigener Herr … Ich hatte auch nie, oder noch wenig gebetet. Ich war bei aller Verlassenheit ganz froh an mir selbst. Daraus hat mich die Bibel befreit und insbesondere die Bergpredigt.“ (Dietrich Bonhoeffer, Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935 – 1937, DBW 14, S. 113)

Folglich legt Bonhoeffer in seinem wichtigen Werk „Nachfolge“, das Ende 1937 erschien, die Bergpredigt aus. Er schreibt zum Vers „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“: „Jesu Nachfolger sind zum Frieden berufen. Als Jesus sie rief, fanden sie ihren Frieden. Jesu ist ihr Friede. Nun sollen sie den Frieden nicht nur haben, sondern auch schaffen. Damit tun sie Verzicht auf Gewalt und Aufruhr … Das Reich Christi ist ein Reich des Friedens, und die Gemeinde Christi grüßt sich mit dem Friedensgruß. Die Jünger Jesu … sind die Stifter göttlichen Friedens mitten in einer Welt des Hasses und Krieges … Die Friedfertigen werden mit ihrem Herrn das Kreuz tragen; denn am Kreuz wurde der Friede gemacht …“ (Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, DBW 4, S. 107 f.)

Dieser Friede ist mit der Geburt Jesu angebrochen. Daher feiern wir das Weihnachtsfest, das Bonhoeffer als das Fest des Friedens herausstellt: „Mit der Geburt Jesu ist das große Friedensreich angebrochen … ‚Friede-Fürst‘ - wo Gott in Liebe zu den Menschen kommt, sich mit ihnen vereint, dort ist Friede geschlossen zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch. Fürchtest du dich vor Gottes Zorn, so geh zum Kind in der Krippe und laß dir hier den Frieden Gottes schenken. Bist du in Streit und Haß mit deinem Bruder zerfallen, komm und sieh, wie Gott aus lauter Liebe unser Bruder geworden ist und uns miteinander versöhnen will. In der Welt herrscht die Gewalt, dieses Kind ist der Fürst des Friedens. Wo es ist, dort herrscht Friede.“ (Dietrich Bonhoeffer, Konspiration und Haft 1940 -1945, DBW Band 16, Seite 637 f.)


„Plötzlich war der Engel umgeben vom ganzen himmlischen Heer der Engel. Die lobten Gott und riefen: ‚Gottes Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe! Sein Frieden kommt auf die Erde zu den Menschen, denen er sich in Liebe zuwendet!‘“ (Lukas-Evangelium, Kapitel 2, Vers 13 – 14 nach der Basis Bibel)

Ich wünsche uns allen, dass der Lobpreis der Engel unsere Herzen erfüllt, sodass wir Friedensstifter in einer noch nicht heil gewordenen Welt sind.

Fragen zum Nachdenken:

  1. Wie findest Du das Stück von Brecht?
  2. Wie würdest Du den Vers „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ interpretieren?
  3. Was bedeutet das Weihnachtsfest für Dich?

Anstatt der gewohnten fortlaufenden Bibellese lesen wir passend zum Thema bis zum Rundbrief Jänner 2022 die Seligpreisungen in der Bergpredigt Jesu nach Matthäus, Kapitel 5, die Verse 1 - 12 und die Weihnachtsgeschichte nach Lukas, Kapitel 2, die Verse 1 - 21

Eine besinnliche und friedliche Advents- und Weihnachtszeit und ein gesegnetes neues Jahr 2022 wünscht Euch Euer Obmann Uwe.