Rundbrief 2021-05 Das Projekt Weltethos
HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Mai 2021!
Am 6. April 2021 ist der römisch-katholische Theologe Hans Küng verstorben. Ich habe ihn sehr geschätzt, weil er ein kritischer, weitsichtiger, vorausdenkender Theologe war, weil er den ökumenischen Dialog gefördert hat und weil seine zahlreichen Bücher gut verständlich geschrieben sind.
Hans Küng 2009
Quelle: Wikipedia
Hans Küng wurde am 19. März 1928 in Sursee im Schweizer Kanton Luzern geboren und starb in der Baden-Württembergischen Stadt Tübingen, in der Bonhoeffer sein Theologiestudium begann. Küng studierte Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. 1954 wurde er zum Diözesanpriester für das Bistum Basel geweiht. Ab 1960 lehrte er als Professor für Fundamentaltheologie an der katholisch-theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität in Tübingen.
Mit der römisch-katholischen Kirche geriet er in einen großen Konflikt, weil er unter anderem immer wieder für innerkirchliche Erneuerungen plädierte und weil er die Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes kritisierte. Im Advent 1979 kam es zum offiziellen Bruch mit der römisch-katholischen Kirche durch einen von Papst Johannes Paul II. gebilligten Erlass der Kongregation für die Glaubenslehre der römisch-katholischen Kirche und den Entzug der Missio canonica (kirchliche Beauftragung mit Verkündigungs- und Lehraufgaben) durch die Deutsche Bischofskonferenz. Weltweites Aufsehen entstand, als der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. Küng 2005 in Castel Gandolfo (Stadt in der Nähe Roms und Sommerresidenz des Papstes) empfing. Sie diskutierten aber nicht über kirchliche Lehrfragen. Vor einigen Wochen hat sich der frühere Präsident der Wirtschaftskammer, ÖVP-Politiker und engagierte Katholik Christoph Leitl in einem Brief an Papst Franziskus um die Rehabilitierung von Hans Küng bemüht, weil er vielen Menschen eine Brücke zum Glauben eröffnet und sich für Frieden unter den Religionen eingesetzt hat.
Küng blieb nach dem Entzug seiner Lehrerlaubnis als fakultätsunabhängiger Professor für Ökumenische Theologie in Tübingen und gründete dort 1990 das Projekt Weltethos. Dieses stellt wichtige ethische Gemeinsamkeiten aller Weltreligionen für eine friedliche, gerechte und ökologische Weltordnung heraus. Küng war nämlich davon überzeugt, dass die Menschheit nur dann überleben kann, wenn die Weltreligionen in einen Dialog treten: „Notwendig ist eine ökumenische Weltordnung … Kein Überleben ohne ein Weltethos“ (Küng, Projekt Weltethos, S. 96). Dieses gemeinsame Weltethos sieht Küng auch in der Goldenen Regel (vgl. Küng: Projekt Weltethos, S. 84) begründet, die in allen großen Religionen (Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus) gelehrt wird: „Behandelt andere Menschen genau so, wie ihr selbst behandelt werden wollt.“ (Matthäus 7, 12 nach der Basis Bibel von 2021).
Die Programmatik des Projektes Weltethos fasst Küng in drei Basissätzen zusammen: „kein menschliches Zusammenleben ohne ein Weltethos der Nationen; kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen; kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog unter den Religionen“ (Küng: Projekt Weltethos, S. 171).
1993 trafen sich in Chicago (USA) Vertreter vieler Religionen zum Weltparlament der Religionen und unterzeichneten die Erklärung zum Weltethos mit den Werten Gewaltlosigkeit, Ehrfurcht vor allem Leben, Solidarität, gerechte Wirtschaftsordnung, Toleranz und Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Hans Küng war sich bewusst, dass die Werte des Projektes Weltethos nur dann realisiert und umgesetzt werden können, wenn die Menschheit gemeinsam von der Verwirklichung und Erfüllung dieser träumt: „Auch mein Traum wird von vielen geträumt, meine Vision einer versöhnten Christenheit, eines Friedens der Religionen und einer echten Gemeinschaft der Nationen wird von vielen geteilt. Ich werde so wenig wie Martin Luther King die Erfüllung meiner Vision erleben. Aber ich werde sie auch nicht mit ins Grab nehmen. Sie wird weitergetragen werden von der Sehnsucht ganzer Generationen nach einer friedlicheren, gerechteren, humaneren Welt. Daran glaube ich, darauf hoffe ich“ (Küng: Was ich glaube, S. 313). Daran wollen auch wir glauben, darauf wollen auch wir hoffen.
Der Aufruf zum Frieden zwischen den Religionen und Nationen ist ein wichtiger Pfeiler des Projektes Weltethos. Diesen Appell hat auch Dietrich Bonhoeffer in seiner großartigen Friedensrede von 1934 formuliert (Dietrich Bonhoeffer: London 1933 – 1935, DBW 13, S. 298 – 301; die Rede steht auch auf unserer Homepage unter „Ausgewählte Texte“ Bonhoeffers). Bonhoeffer hat auch gewusst, dass ein Christ oder eine christliche Kirche allein die Vision des allumfassenden Friedens in der Welt nicht erreichen wird, sondern nur ein ökumenisches Konzil der Heiligen Kirche Christi: „Noch einmal darum: Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden, daß die Welt es hört, zu hören gezwungen ist?, ???? daß alle Völker darüber froh werden müssen? Der einzelne Christ kann das nicht – er kann wohl, wo alle schweigen, die Stimme erheben und Zeugnis ablegen, aber die Mächte der Welt können wortlos über ihn hinwegschreiten. Die einzelne Kirche kann auch wohl zeugen und leiden – ach, wenn sie es nur täte - aber auch sie wird erdrückt von der Gewalt des Hasses. Nur das Eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, daß die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muß und daß die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt.“ Daran wollen auch wir glauben, darauf wollen auch wir hoffen.
Mit den Zielen unseres Vereins stehen wir durchaus in der Nachfolge von Küngs Projekt Weltethos und Bonhoeffers Friedensrede.
In den Vereinsstatuten heißt es nämlich:
„Der „HAPAX – Dietrich-Bonhoeffer-Verein in Österreich“ bezweckt, Dietrich Bonhoeffer bekannt zu machen und seine Bedeutung und Aktualität zu bewahren und zu fördern in Bezug auf:
- die persönliche Spiritualität und das christliche Leben im Alltag.
- die christliche Verantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
- die Verkündigung der christlichen Kirchen, ihre ökumenische Beziehung zueinander und ihren Dialog mit anderen Religionen.
- die gegenwärtige Situation in der österreichischen, europäischen und weltweiten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
- den Widerstand gegen die Verletzung der Menschenrechte durch politischen und religiösen Radikalismus.“
Literatur- und Homepagetipps:
- Hans Küng: Projekt Weltethos, München 1990.
- Hans Küng: Was ich glaube, München 2009.
- www.weltethos.org
Fragen zum Nachdenken:
- Wie findest Du das Projekt Weltethos?
- Welcher der drei Weltethos-Basissätze hat Dich angesprochen?
- Mit welchem Ziel unseres Vereins kannst Du Dich identifizieren?
Lesen wir bis zum Rundbrief Juni 2021:
Psalmen 50 - 52; Matthäus-Evangelium Kapitel 20, die Verse 29 - 34
Liebe Grüße,
Euer Obmann Uwe