Rundbrief 2019-06 Der Zug

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Juni 2019!

Im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Cannes vom 14. bis 25. Mai 2019 konkurrierte der Film „Ein verborgenes Leben“ (internationaler Titel „A Hidden Life“) um die Goldene Palme. Dieser drei Stunden lange deutsch-amerikanische Film des US-amerikanischen Regisseurs Terrence Malick zeigt die Lebensgeschichte des oberösterreichischen Landwirts und Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter, der von den Nazis ermordet wurde.

In diesem Film wirken bekannte Schauspieler mit – Bruno Ganz (verstorben), Jürgen Prochnow, Tobias Moretti, Karl Markovics, Ulrich Matthes etc. Diesen Film werde ich für unsere Bonhoeffer-Bibliothek kaufen, den wir uns dann auch anschauen sollten.  

   
Franz Jägerstätter und sein Grab an der r.k. Kirche St.Radegund
Beide Fotos: Sziklai in der Wikipedia auf Deutsch

Franz Jägerstätter wird als Franz Huber am 20. Mai 1907 in St. Radegund (Oberösterreich) geboren und stirbt am 9. August 1943 in Brandenburg (Deutschland).

Seine Mutter und Bauernmagd Rosalia Huber kann seinen Vater und Knecht Franz Bachmeier wegen der Armut nicht heiraten. Die Mutter heiratet dann 1917 den Bauern Heinrich Jägerstätter, der bei der Hochzeit Franz adoptiert. Inspiriert durch den Adoptivgroßvater interessiert sich Franz für Bücher und für religiöse Literatur. Von seinem Adoptivvater erbt er den Bauernhof.

Von 1927 bis 1930 arbeitet er im Erzabbau in Eisenerz (Steiermark). 1933 wird er Vater einer unehelichen Tochter Hildegard. Gründonnerstag 1936 heiratet er die Bauerntochter Franziska Schwaninger. Franz und Franziska haben drei Töchter, beten miteinander und lesen die Bibel. Franz ist ab 1941 auch Mesner der r. k. Kirche St. Radegund.

Den Nationalsozialisten, die in Österreich 1938 die Macht übernehmen, verweigert Jägerstätter von Anfang an jede Zusammenarbeit oder Unterstützung, denn Christentum und Nationalsozialismus sind für ihn nicht vereinbar. 1940 wird Jägerstätter zum Militärdienst einberufen, wird aber auf Betreiben seiner Heimatgemeinde zweimal unabkömmlich gestellt. Franz betet, fastet und diskutiert mit dem Linzer Diözesanbischof Joseph Fließer über seinen Entschluss, den Wehrdienst zu verweigern. Für Hitler zu kämpfen und zu töten, sieht Franz nämlich als schwere Sünde an.

Folglich verweigert er eine erneute Einberufung zum Wehrdienst am 1. März 1943 aus religiösen Gründen. Jägerstätter wird in das Wehrmachts-Untersuchungsgefängnis im Linzer Ursulinenhof gebracht. Anfang Mai 1943 wird er in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel überstellt. Am 6. Juli 1943 wird er wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und am 9. August 1943 in Brandenburg enthauptet. 

In der römisch-katholischen Kirche wird Franz Jägerstätter als Seliger verehrt. Seine Seligsprechung war am 26. Oktober 2007 im Linzer Mariendom.

Franz Jägerstätter war ein Prophet mit einem Weitblick und Durchblick, wie ihn damals die wenigsten seiner Zeitgenossen hatten. Er war Anwalt der Gewaltlosigkeit und des Friedens, Warner vor totalitären Ideologien und ein gläubiger Mensch, dem Gott Mitte und Zentrum des Lebens war. Wegen seinem Zeugnis für die christliche Wahrheit hat er ein entschiedenes Nein zum Nationalsozialismus gesagt, hat für dieses gelebt und ist für dieses gestorben. Und bemerkenswert ist, dass er zwar kein Intellektueller wie Bonhoeffer war, aber aus seinen Worten klingen nicht nur ein tiefer Glaube, sondern auch eine hohe analytische Intellektualität. 

Sein gesamter Briefwechsel mit seiner Frau von 1941 bis 1943 ist erhalten. Dieser steht in dem Buch: Franz Jägerstätter: Der gesamte Briefwechsel mit Franziska. Aufzeichnungen 1941 – 1943, Wien, Graz, Klagenfurt 2007. Das Buch steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek.

Darin finden wir den Abschnitt„ Über das Thema der jetzigen Zeit: Katholik oder Nationalsozialist“. In diesem erzählt er von einem Traum, der seinen Entschluss zum Widerstand gegen die Nazis stark beeinflusst hat. Ich zitiere auszugsweise aus diesem Abschnitt (S. 231 – 242):

„Will nun gleich zu Beginn ein kurzes Erlebnis schildern, was ich in einer Jännernacht 1938 erlebte. Erst lag ich fast bis Mitternacht im Bett ohne zu schlafen, obwohl ich nicht krank war, muß aber dann doch ein wenig eingeschlafen sein, auf einmal wurde mir ein schöner Eisenbahnzug gezeigt, der an einen Berg fuhr, abgesehen von den Erwachsenen strömten sogar die Kinder diesem Zug zu und waren fast nicht zurückzuhalten, wie wenig Erwachsene es waren, welche in selbiger Umgebung nicht mitfuhren, will ich am liebsten nicht sagen oder schreiben. Dann sagte mir auf einmal eine Stimme: ‚Dieser Zug fährt in die Hölle. ‘Gleich darauf kam es mir vor, als führte mich jemand bei der Hand. ‚Jetzt gehen wir ins Fegefeuer“, sagte dieselbe Stimme zu mir. Was ich da für ein Leiden geschaut und verspürte war furchtbar…Dann hörte ich noch ein Sausen, sah ein Licht und alles war weg…Anfangs war mir dieser fahrende Zug ziemlich rätselhaft, aber je länger die ganze Sache ist, desto entschleierter wird mir auch dieser fahrende Zug. Und mir kommt es heute vor, als stellte dieses Bild nichts anders dar als den damals hereinbrechenden oder schleichenden Nationalsozialismus…Ich möchte eben jedem zurufen, der sich in diesem Zug befindet: ‚Springet aus, ehe dieser Zug in deine Endstation einfährt, wenn es dabei auch das Leben kostet!‘ Somit glaub ich, hat mir Gott es durch diesen Traum oder Erscheinung klar genug gezeigt und ins Herz gelegt, mich zu entscheiden, ob Nationalsozialist – oder Katholik!...Wenn wir in der Geschichte nachschauen und die letzten Jahrhunderte verfolgen, so brauchen wir uns nicht wundern, daß wir heute soweit sind, denn immer mehr ist der tiefe und fromme Glaube zurückgegangen und das neue Heidentum hat sich immer mehr vorgedrängt…Christus hat uns durch sein bitteres Leiden und Sterben ja nur vom ewigen Tod erlöst, nicht aber vom irdischen Leiden und Sterben. Christus verlangt aber auch von uns ein öffentliches Bekenntnis unseres Glaubens…Die Gebote Gottes lehren uns zwar, daß wir auch den weltlichen Oberen Gehorsam zu leisten haben, auch wenn sie nicht christlich sind, aber nur soweit sie uns nichts Schlechtes befehlen. Denn Gott müssen wir noch mehr gehorchen als den Menschen…“

Fragen zum Nachdenken und Diskutieren:

  1. Welche Gemeinsamkeiten siehst Du zwischen Bonhoeffer und Jägerstätter?
  2. Hattest Du auch schon Träume, in denen Du Botschaften von Gott gesehen oder gehört hast?
  3. Wo siehst Du in unserem Land und unserer Welt Züge, die Unheil bringen?

Lesen wir bis zum Rundbrief Juli 2019: 

Psalmen 134 - 136Matthäus-Evangelium Kapitel 15, die Verse 1 - 20          

Liebe Grüße,

Euer Obmann Uwe