Rundbrief 2018-10 Maria, die Mutter Jesu

Posted in Rundbriefe des Obmanns

HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Oktober 2018!

2014 erschien der Roman „Marias Testament" (steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek) des irischen Schriftstellers Colm Tóibín (geboren 1955), in dem es um die Mutter Jesu geht.

Dieser Roman wurde im Theater inszeniert. Die deutschsprachige Erstaufführung war am 29. September 2018 im Theater in der Josefstadt (Wien). Maria wurde von der Schauspielerin Nicole Heesters gespielt.Formularbeginn Sie Formularendewurde 1937 in Potsdam geboren, ist die Tochter des Schauspielers und Sängers Johannes Heesters und spielte an bedeutenden Bühnen wie in Wien, Düsseldorf, Hamburg, Köln, Berlin, Basel und Zürich.

Marias Testament ist die Geschichte einer Mutter mit ihrem Sohn Jesus. Das Besondere an Tóibíns Roman besteht darin, dass er die Leidensgeschichte des Sohnes als die seiner Mutter erzählt. Maria erzählt von ihrer Entfremdung zu ihrem Sohn und von seinem grausamen Tod. Sie erzählt dies alles aus der Perspektive ihrer eigenen, individuellen Erfahrung. Maria ist im Roman mittlerweile eine alte Frau, lebt allein in der antiken Stadt Ephesus und hadert mit ihren Erinnerungen. Zwei Jünger Jesu suchen sie in ihrem Haus auf, fragen sie nach den Ereignissen im Leben Jesu, die sie ja aus nächster Nähe erlebt habt: Die Wunder Jesu, die Kreuzigung und die Auferstehung – wichtige Ereignisse also, von denen die vier Evangelien, Matthäus, Markus, Lukas und Johannes berichten. Vom Erlösungstod Jesu hält Maria so wenig wie vom Glauben an die Auferstehung. Sie hält auch nichts von den Lehren ihres Sohnes, auch nichts von der charismatischen Wirkung, die er auf Menschen ausübte. Und sie glaubt auch nicht, dass sie die Mutter Gottes ist.Formularende Maria liebt ihren Sohn, und je mehr er in seiner Rolle als Wundertäter und Prophet aufgeht, je berühmter er wird, umso fremder wird er ihr aber. Das zeigt auch die Sprache, in der die alte Frau Maria spricht - klar und trocken, unsentimental und nüchtern. Letztendlich stecken in ihren Worten eine große Liebe zu ihrem Sohn und ein großen Schmerz über ihn.

Es ist anzumerken, dass dieser Roman in früherer Zeit des Christentums wohl auf den Index für verbotene Bücher gekommen und dass der Verfasser wahrscheinlich Opfer der Inquisition geworden wäre.

Auf den letzten Seiten 122 – 127 des Romans steht (in Auszügen; mit ich ist Maria gemeint): „Er starb, um die Welt zu erlösen, sagte der andere. Sein Tod hat die Menschheit vor der Finsternis und der Sünde gerettet. Sein Vater hat ihn in die Welt gesandt, auf dass er am Kreuze leiden möchte. Sein Vater?, fragte ich. Sein Vater? Sein Leiden war notwendig, unterbrach er. Genau so würde die Menschheit errettet werden. Errettet?, fragte ich und hob die Stimme. Wer wurde errettet?....Für das ewige Leben errettet, sagte er. Jeder Mensch auf Erden wird das ewige Leben erfahren. Ach so, das ewige Leben, erwiderte ich. Ach so, jeder Mensch auf Erden!...Das war also der Sinn des Ganzen?...Ich habe sein Grab nie gesehen, ich habe seinen Leib nie gewaschen…Du hieltest seinen Leib, als er vom Kreuze abgenommen wurde…Er war der Sohn Gottes, sagte der Mann, und er wurde von seinem Vater ausgesandt, die Welt zu retten. Durch seinen Tod schenkte er uns das Leben, sagte der andere. Durch seinen Tod erlöste er die Welt…Ich war da, sagte ich. Ich floh, bevor es vorbei war, aber wenn ihr Zeugen braucht, dann bin ich eine Zeugin. Und wenn ihr sagt, dass er die Welt erlöst hat, dann sage ich, dass es das nicht wert war. Das war es nicht wert…Ich gehe nicht mehr in die Synagoge. All das ist vorbei. Ich würde bemerkt werden; meine Fremdheit würde auffallen. Doch ich gehe mit Farina zum anderen Tempel…Ich spreche im Flüsterton zu ihr, der großen Göttin Artemis…Ich möchte, das, was geschah, wäre nicht geschehen, hätte einen anderen Verlauf genommen…Und ich flüsterte die Worte im Wissen, dass Worte zählen, und sagte sie lächelnd zu den Schatten der Götter dieser Stätte, die in der Luft verweilen, um mich zu behüten und mich zu hören.“

Drei Texte von Bonhoeffer, in denen es um Maria geht:

  1. „Es genügt vollkommen, wenn das Wort, wie wir es lesen und verstehen, in uns eindringt und bei uns Wohnung macht. Wie Maria das Wort der Hirten in ihrem Herzen bewegte, wie uns das Wort eines Menschen oft lange Zeit nachgeht, in uns wohnt, arbeitet, uns beschäftigt, beunruhigt oder beglückt, ohne daß wir etwas dazu tun könnten, so will Gottes Wort in der Meditation in uns eingehen und bei uns bleiben, es will uns bewegen, in uns arbeiten“ (DBW 5, Seite 71).
  1. „Gott-Kraft – heißt dieses Kind. Das Kind in der Krippe ist kein anderer als Gott selbst. Größeres kann nicht gesagt werden: Gott wurde ein Kind. In dem Jesus Kind der Maria wohnt der allmächtige Gott. Halt einen Augenblick inne! Sprich nicht, denk nicht weiter! Bleib stehen vor diesem Wort! Gott ist ein Kind geworden!...Kniee nieder vor dieser armseligen Krippe, vor diesem Kind armer Leute und sprich im Glauben die stammelnden Worte des Propheten nach: »Gott-Kraft«! – und er wird dein Gott und deine Kraft sein“ (DBW 16, Seite 636 f).
  1. „Wenn Gott die Maria zum Werkzeug erwählt, wenn Gott selbst in der Krippe von Bethlehem auf diese Welt kommen will, so ist das nicht eine idyllische Familienangelegenheit, sondern es ist der Beginn einer völligen Umkehrung, Neuordnung aller Dinge dieser Erde. Was spielen wir denn da mit? Fromme Hirten, die ihre Knie beugen? Könige, die ihre Gaben bringen? Was wird denn da gespielt, wo Maria die Mutter Gottes wird, wo Gott in der Niedrigkeit der Krippe in die Welt kommt? Weltgericht und Welterlösung – das ist es, was hier geschieht; und das Christuskind in der Krippe selbst ist es, das hält, es stößt die Großen und Gewaltigen zurück, es stürzt die Throne der Machthaber, es demütigt die Hoffärtigen, sein Arm übt Gewalt über alle Hohen und Starken, und es erhebt, was niedrig ist und macht es groß und herrlich in seiner Barmherzigkeit…Es gibt für einen Starken, für einen Großen dieser Welt nur zwei Orte, an denen ihn sein Mut verläßt, vor denen er sich in tiefster Seele fürchtet, denen er scheu ausweicht. Das ist die Krippe und das Kreuz Jesu Christi. In die Nähe der Krippe wagt sich kein Gewaltiger, hat sich der König Herodes auch nicht gewagt. Denn eben hier wanken die Throne, fallen die Gewaltigen, stürzen die Hohen, weil Gott mit den Niedrigen ist, hier werden die Reichen zunichte, weil Gott mit den Armen und Hungernden ist, weil er die Hungernden satt macht, aber die Satten und Reichen gehen leer aus. Vor der Maria, der Magd, vor der Krippe Christi, vor Gott in der Niedrigkeit, kommt der Starke zu Fall, hat er kein Recht, keine Hoffnung, ist er gerichtet.“ (DBW 13, Seite 340 f und Seite 342 f)

 

Zwei spannende Fragen sind sehr diskussionswürdig, die aber wohl nicht eindeutig zu klären sind:

  1. Als wen oder was sah Maria ihren Sohn?
  2. Als was oder wen sah Jesus sich selbst?

 

Lesen wir bis zum Rundbrief November 2018:

Psalmen 110 – 112; Matthäus-Evangelium Kapitel 13, die Verse 31 – 35

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe