Erinnerung ruft in die Verantwortung - Kirchen im Nationalsozialismus; Statement Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich

Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich

Erinnerung ruft in die Verantwortung

Stellungnahme aus Anlass des Gedenkens an die Befreiung vom Nationalsozialismus Die Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich nimmt teil am Erinnern an die Befreiung von der Diktatur des Nationalsozialismus im Jahr 1945 und an die Wiederrichtung und mit dem Staatsvertrag 1955 erreichte volle Selbstständigkeit der Republik Österreich.

Die Evangelischen Kirchen sind sich ihrer Verstrickungen in die dunkle Zeit der Geschichte Österreichs bewusst. Die Kirchen haben gegen sichtbares Unrecht nicht protestiert, sie haben geschwiegen und weggeschaut, sie sind „dem Rad nicht in die Speichen gefallen“ (Bonhoeffer). Leitende Repräsentant:innen der Kirchen haben den Nationalsozialismus aktiv befürwortet und kollaboriert. Zarte Ansätze der Kritik fanden kaum Unterstützung. Damit haben die Kirchen schwere Schuld auf sich geladen.

In Scham und Trauer gedenken wir aller Juden und Jüdinnen, Menschen mit Behinderungen, Roma und Sinti, queerer Menschen und anderer Gruppen, die ihrer bürgerlichen Rechte und ihrer Menschenwürde beraubt, der Verfolgung preisgegeben und in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Die Erinnerung an dieses Versagen in der Vergangenheit ruft in die Verantwortung für die Zukunft.

Wo in wichtigen Fragen Orientierung an ethischen Grundwerten erforderlich ist, sieht sich die Evangelische Kirche A.und H.B. in Österreich in der Pflicht, Stellung zu nehmen. So sehen wir es heute als unsere Verpflichtung, für die gleiche Würde aller Menschen und die Menschenrechte einzutreten und mit Nachdruck auf die Bedeutung der Einhaltung des Völkerrechts hinzuweisen.

Die Menschenrechte sind die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie wurden geboren aus den Schrecken des Nationalsozialismus, der willkürlich bestimmte Menschengruppen rechtlos gemacht, verfolgt und ermordet hat. Diese Erfahrungen führten dazu, dass nach dem Ende der Naziherrschaft die Menschenrechte international kodifiziert wurden. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Europäische Menschenrechtskonvention und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sollen sicherstellen, dass jeder Mensch gleiche Rechte hat und diese auch dann genießen kann, wenn sie ihm in seinem Heimatstaat verweigert werden. Die Menschenrechte sind der lebendige Ausdruck der Achtung und des Schutzes der gleichen Würde aller Menschen. Die Würde des Menschen ist unantastbar und unverfügbar. Es ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, wenn die gleiche Würde aller Menschen geleugnet oder relativiert wird. Dies ist der Fall bei Ideologien, die „das Volk“ vor das gemeinsame Menschsein stellen, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und kultureller Prägung ablehnen und die plurale Demokratie durch einen völkischen Nationalismus ersetzen.

Die Barbarei des NS-Regimes führte auch zur Erkenntnis, „dass es nicht ausreicht, die Grund- und Menschenrechte eines Volkes allein der betreffenden nationalen öffentlichen Gewalt anzuvertrauen“ (Bardo Fassbender). Mit Gründung der Vereinten Nationen 1945 wurde die Geltung der Menschenrechte im Völkerrecht verankert.

Auf der Ebene der Staaten wurde das Prinzip der „souveränen Gleichheit“ (Art. 2 UNCharta von 1945) verankert, das besagt, dass die Souveränität eines Staates nie zulasten eines anderen ausgeübt werden darf. Das allgemeine Gewaltverbot verbietet den Mitgliedsstaaten jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt. Dass das Völkerrecht an verschiedenen Kriegsschauplätzen mit Füßen getreten wird, erfüllt uns mit Sorge und fordert Widerspruch heraus. Es ist unsere tiefe Hoffnung, dass Österreich seiner Tradition treu bleibt und sich für die Wahrung der Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts einsetzt.

Wien, 7. Mai 2025

Evangelischer Oberkirchenrat A.u.H.B. in Österreich