Bedeutung menschlicher Beziehungen
Es gibt aber kaum ein beglückenderes Gefühl als zu spüren, daß man für andere Menschen etwas sein kann. Dabei kommt es garnicht auf die Zahl, sondern auf die Intensität an. Schließlich sind eben die menschlichen Beziehungen doch einfach das Wichtigste im Leben; daran kann auch der moderne „Leistungsmensch“ nichts ändern, aber auch nicht die Halbgötter oder die Irrsinnigen, die von menschlichen Beziehungen nichts wissen. Gott selbst läßt sich von uns im Menschlichen dienen. Alles andere ist der Hybris sehr nahe.
Gewiß kann eine allzu bewußte Pflege der menschlichen Beziehungen und des Einander-etwas-Bedeutens, wie ich sie jetzt gelegentlich in den Briefen der Gabriele v. Bülow-Humboldt empfunden habe, zu einem Kult des Menschlichen führen, der der Wirklichkeit unangemessen ist. Ich meine demgegenüber hier die schlichte Tatsache, daß die Menschen uns wichtiger im Leben sind als alles andere. Das bedeutet gewiß keine Geringschätzung der Welt der Dinge und der sachlichen Leistung. Aber was ist mir das schönste Buch oder Bild oder Haus oder Gut gegenüber meiner Frau, meinen Eltern, meinem Freund? So kann allerdings nur sprechen, wer wirklich in seinem Leben Menschen gefunden hat. Für viele Heutige ist der Mensch doch auch nur ein Teil der Welt der Dinge. Das liegt daran, daß ihnen das Erlebnis des Menschlichen einfach abgeht. Wir müssen froh sein, daß uns in unserem Leben dieses Erlebnis reichlich geschenkt worden ist. Und ein Geburtstag ist der gegebene Tag, um sich darüber gemeinsam zu freuen und sich dessen dankbar bewußt zu werden.
Quelle: Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 567