Rundbrief 2018-02 Mahatma Gandhi

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Feber 2018!

Am 30. Jänner 1948, also vor 70 Jahren, wurde Mahatma Gandhi ermordet.

Gandhi, Mahatma („Mann von erhabenem Wesen“) wurde am 2. Oktober 1869 in Porbandar an der Westküste der Halbinsel Kathiavar im indischen Bundesstaat Gujarat geboren.

Seine Familie, die der Kaufmannskaste angehörte, schätzte Schonsamkeit und Enthaltsamkeit. 13-jährig wurde er mit einem gleichaltrigen Mädchen verheiratet. Er studierte an der Universität Ahmedabad in Gujarat. 18-jährig ging er zum Jurastudium nach London. In den vier Jahren dort studierte er europäische Schriften über den Hinduismus. Er wurde Rechtsanwalt in Porbandar. Eine Handelsfirma schickte den 24-jährigen Gandhi nach Südafrika als Rechtsbeistand für eine indische Firma. Gandhi kämpfte in Südafrika mehr als zwanzig Jahre lang für die Aufhebung von Gesetzen, mit denen die Inder diskriminiert wurden. Er lernte die Bergpredigt Jesu kennen und erkannte in Jesu Lehre Wahrheiten in der hinduistischen Geisteswelt wieder. Nach 1914 wirkte er in Indien ohne offizielle Stellung über dreißig Jahre äußerlich als Politiker, innerlich als Mann der Religion. Bei Ahmedabad gründete er eine Siedlung, in der gemeinsam gelebt und gearbeitet wurde. Sein Auftreten in der Auseinandersetzung mit der Kolonialmacht – seit 1858 regierte die britische Krone in Indien – gewann viele für das zuvor fast vergessene urindische Glaubensgut. An Satya, die Wahrheit, sich klammern und ihr folgen, mit Ahimsa das Gute auch im Gegner achten und Gewalt notfalls durch Selbstpreisgabe vermeiden, davon durfte im Kampf um die politische wie moralische Selbständigkeit nicht abgewichen werden. Wenn es doch geschehen war, übte Gandhi Sühnung durch Fasten. Zwanzig Mal wurde er nach Aktionen politischer Herausforderung gefangen gesetzt. Am 15.8.1947 war die Unabhängigkeit von Großbritannien erreicht, aber das moslemische Pakistan wurde vom hinduistischen Indien getrennt. Gandhi erreichte durch fünftägiges Fasten, dass der Boykott gegen Moslems in Indien und die Beschlagnahme von Moscheen aufgehoben wurden. Dies und sein Bestreben, den Hinduismus vom Ausgrenzen der Kastenlosen zu heilen, kostete ihm das Leben. Als Gandhi sich am 30.1.1948 in New Delhi an seinen Gebetsort begab, tötete ihn ein hinduistischer Attentäter.

Dietrich Bonhoeffer sah schon bald nach der Machtergreifung Hitlers die Gefahr eines kommenden Weltkriegs und den Charakter des Regimes als Terrorherrschaft. Fasziniert von der konkreten Umsetzung der Bergpredigt durch Gandhi wollte er nach Indien reisen, um bei Gandhi zu studieren. In den Werken von Bonhoeffer finden wir einige Texte, die Bonhoeffers Begeisterung für Gandhi verdeutlichen:

„Bonhoeffers, von den Berliner Förderern unterstützter Drang in die weite christliche und nichtchristliche Welt war ein ökumenischer Aufbruch, der damals noch selten war. Doch Hannes Lilje, der später bekannte hannoversche Bischof, theologisch Bonhoeffer etwas ferner stehend, meinte im Rückblick auf die Jahre 1927/29, als für ihn ein Amerikaplan platzte, aber der Plan einer Reise nach Indien erfüllt werden konnte: Der Weg in die Ökumene war unaufhaltsam. Bei Bonhoeffer scheiterte gerade der Indienplan, den er dreimal (1928, 1931 und 1934) faßte. Wie tief in den zwanziger Jahren die Indiensehnsucht in evangelischen und ökumenischen Kreisen ging, hatte schon die begeisterte Aufnahme des indisch-christlichen Wandermönchs Sadhu Sundar Singh im evangelischen Deutschland 1922 gezeigt und erst recht die darüber in den nachfolgenden Jahren geführten Diskussionen unter bekannten Ökumenikern wie Friedrich Heiler und Nathan Söderblom. Indien, Buddha und seine Welt, diese entgegengesetzte Welt im Osten kennen zu lernen, hatte 1928 die Großmutter ihren Enkel in Spanien ermuntert. Schon diesem ersten Indienplan ist daher nicht ausschließlich eine Sympathie für den gewaltlosen Wiederstand und Pazifismus Gandhis zu entnehmen. Als 1934 der dritte Indienplan fast in Erfüllung gegangen und Bonhoeffer am liebsten gleich zu Gandhi gegangen wäre, wird es wieder die Großmutter sein, die zuerst davon erfährt, und nun sind es offenkundig die Themen „community life as well as methods of training“, welche ihm durch Bischof Bells Vermittlung eine persönliche Einladung des großen Mahatma verschaffen werden. Doch dann wird er statt nach Indien nach Pommern reisen, um sein eigenes Ashram, das Seminar, ohne fernöstliche Erfahrungen aufzubauen. So mögen schon die ersten Indienpläne in Spanien und Amerika hauptsächlich von einer frühen Sehnsucht nach geformtem gemeinsamem Leben getragen gewesen sein. In die Zeit bald nach der Rückkehr aus Amerika fällt die Erinnerung Robert Stupperichs, der Vikar in Potsdam war: 1931 habe ihn Bonhoeffer mit einigen Studenten besucht und auf einem Waldspaziergang von der Notwendigkeit der vita communis für evangelische Theologen gesprochen. Christliche Friedensethik und christlicher Ökumenegedanke auf dem Erfahrungsgrund eines gemeinsamen Lebens in der Nachfolge Christi – diese im späteren Werk Bonhoeffers leitenden Gedanken entwickeln sich also schon in diesen ersten Jahren kirchlicher Arbeit“ (Quelle: DBW 10: Barcelona, Berlin, Amerika (1928 – 1931), SS. 620 f, Nachwort des Herausgebers).

„Schreiben Sie doch einfach mal, wie Sie über die Bergpredigt predigen. Ich versuche es gerade – unendlich schlicht und einfach – aber es geht immer um das Halten des Gebotes und gegen das Ausweichen. Nachfolge Christi – was das ist, möchte ich wissen – es ist nicht erschöpft in unserem Begriff des Glaubens. Ich sitze an einer Arbeit, die ich Exerzitium nennen möchte – nur als Vorstufe. Bitte helfen Sie hier mit. Wie lange ich Pfarrer und in dieser Kirche bleibe, weiß ich nicht. Vielleicht nicht mehr lange. Ich möchte im Winter nach Indien“ (Quelle: DBW 13: London 1933 - 1935, S. 129, Brief an Erwin Sutz vom 28. April 1934).

„Ein großer Mann unserer Zeit, ein Nichtchrist – aber man ist wohl versucht zu sagen, ein heidnischer Christ -, erzählt in seiner Lebensgeschichte davon, wie er einst eine Schule geleitet habe und sich mit allen Kräften für die jungen Menschen dort eingesetzt habe und wie ein Tages ein ihn aufs tiefste erschütterndes Unrecht in dieser Schulgemeinschaft geschehen sei. Da habe er aus diesem Vorfall nicht den Ruf zur Strafe oder zum Richten vernommen, sondern ganz allein den Ruf zur Buße – und er sei hingegangen und habe mit Fasten und allerlei Entsagung lange Tage Buße getan… Es bedeutete schließlich, daß hier gesehen wurde, daß es in der Buße allein Glaube und Liebe und Hoffnung gebe“ (Quelle: DBW 13: London 1933 – 1935, SS. 371 f, Predigt über Lukas 13,1-5 vom 8. Juli 1934).

Einladung von Mahatma Gandhi an Bonhoeffer vom 1. November 1934: „Dear friend. I have your letter. If you and your friend have enough money for return passage and can pay your expenses here, say, at the rate of Rs.100 per month each, you can come whenever you like. The sooner the better so as to get the benefit of such cold weather as we get here. The Rs.100 per month I have calculated as the outside limit for those who can live simply. It may cost you even half the amount. It all depends upon how the climate here agrees with you. With reference to your desire to share my daily life, I may say that you will be staying with me if I am out of prison and settled in one place when you come. But otherwise, if I am travelling or if I am in prison, you will have to be satisfied with remaining in or near of the institutions that are being conducted under my supervision. If you can stay in any of the institutions I have in mind and if you can live on the simple vegetarian food that these institutions can supply you, you will have nothing to pay your boarding and lodging. Yours sincerely [Gandhi]“ (Quelle: DBW 13: London 1933 – 1935, S. 213 f.).

Prof. Reinhold Niebuhr, der am Union Theological Seminary in New York lehrte und den Bonhoeffer dort kennenlernte, riet ihm ab, bei Gandhi zu studieren: „Gandhi sei ein ethisch Liberaler mit philosophischen Grundlagen, die von der Weltanschauung eines erfahrenen lutherischen Theologen weit entfernt seien, zudem sei das Deutschland der Nazis kein Ort, um die Praxis des gewaltlosen Wiederstandes auszuprobieren. Gandhi Erfolg hinge vom britischen politischen Liberalismus ab. Hitlers Glaube und Taten hätten mit den britischen Wegen und Methoden keine Ähnlichkeit. Die Nazis würden nicht wie die Engländer bei der Anwendung von Gewalt Gewissensbisse verspüren, und organisierter, passiver Widerstand würde schließlich endgültig scheitern“ (Quelle: DBW 13: London 1933 – 1935, S. 169, Anmerkung 2).

Wer sich intensiver mit Gandhi und Bonhoeffer beschäftigen will, dem empfehle ich das Buch (hat nur 119 Seiten!) von Katharina D. Oppel: „Viel lieber würde ich gleich zu Gandhi gehen…“ Dietrich Bonhoeffer und Mahatma Gandhi. Zwei Stimmen für den Frieden, 2017 (steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek).

Lesen wir bis zum Rundbrief März 2018:

Psalmen 89 – 91; Matthäus-Evangelium Kapitel 12, die Verse 22 – 30

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe