Rundbrief 2017-09 Der Pädagoge und Arzt Janusz Korczak

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief September 2017!

Am 7. August 1942, also vor 75 Jahren, ging der polnische Pädagoge und Arzt Janusz Korczak mit 200 Kindern in den Tod.

Er hätte weglaufen und wenigstens sein eigenes Leben retten können. Doch das wollte Janusz Korczak nicht. Als die Nazis etwa 200 jüdische Kinder aus einem Waisenhaus im Warschauer Ghetto zum Bahnhof trieben, um sie zum NS-Vernichtungslager Treblinka zu deportieren und zu vergasen, bestieg er zusammen mit seinen Kindern am 5. August 1942 den Zug. Mit den Waisen hatte der polnische Pädagoge, Arzt und Kinderbuchautor zuvor jahrelang zusammengelebt.

Geboren wird der Sohn jüdischer Eltern in Warschau am 22. Juli 1878 oder 1879 - das genaue Geburtsjahr ist nicht bekannt - als Henryk Goldszmit. Nach dem Medizinstudium wird er Kinderarzt. Nebenbei versucht er sich als Schriftsteller.

Als er mit dem Pseudonym "Janusz Korczak" einen literarischen Wettbewerb gewinnt, behält er diesen Namen. Dem bald weithin bekannten Kinderbuchautor liegen Waisenkinder besonders am Herzen. 1912 eröffnet er das Haus "Dom Sierot" (Haus der Waisen) in Warschau, dessen Direktor er 30 Jahre lang bleibt. Zudem lehrt er Pädagogik an der Universität Warschau.

Korczak gilt als einer der wichtigsten Reformpädagogen des 20. Jahrhunderts. Er hatte eine Vorreiterrolle in der Kinderrechts-Diskussion und appellierte an die Erwachsenen, Kinder als vollwertige Menschen zu achten. Korczaks Überzeugung war, dass Kinder nicht erst Menschen werden, denn sie sind es bereits. 1929 erschien sein pädagogisches Hauptwerk "Das Recht des Kindes auf Achtung".

Im Waisenhaus "Dom Sierot" verdichtet Korczak seine Ideen zu einem Erziehungsprogramm. Er formuliert Grundrechte für Kinder. Demnach hat jedes Kind ein Recht auf Achtung und Liebe. Auch Regeln waren Korczak wichtig, doch sollten die Kinder sie mit aushandeln können, etwa in einem Kinderparlament.

Im August 1942 wurde die 200 Kinder des Waisenhauses von der SS zum Abtransport in das Vernichtungslager Treblinka abgeholt. Obwohl Korczak wusste, dass dies den Tod bedeutete, wollte er die Kinder nicht im Stich lassen und ging mit ihnen in den Tod.

Der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck (ist auch ev. Pfarrer) schreibt in seinem Grußwort zum Janusz-Korczak-Jahr 2012 (Quelle: www.janusz-korczak.de):

„70 Jahre nach seiner Ermordung durch Nationalsozialisten blicke ich mit Bewunderung und Demut auf die Lebensgeschichte von Janusz Korczak, dem großen Polen, dem die Liebe zu seinen Kindern wichtiger war als das eigene Leben.

Welch eine Tapferkeit! Er hätte versuchen können zu fliehen. Aber er wollte die fast 200 Waisenkinder, ‚seine Kinder‘ nicht im Stich lassen und wurde mit ihnen gemeinsam aus dem Ghetto, das die deutschen Besatzer errichtet hatten, nach Treblinka deportiert, in die Vernichtung.

Seine Ideen und sein Anliegen aber leben. Bis heute bringen uns seine weisen und zugleich heiteren Bücher nahe, wie wertvoll jedes Kind ist. Wer sie liest, spürt etwas von der Zuversicht, der Kraft und der Haltung, mit der er Verantwortung übernommen und seine Ideale von Menschlichkeit umgesetzt hat: als Gründer von Waisenhäusern für jüdische und nichtjüdische Kinder, als Betreuer und innovativer Pädagoge, als Militärarzt im Seuchenlazarett, als Schriftsteller und als Initiator der ersten Zeitung von Kindern für Kinder.

Janusz Korczak bleibt ein Vorbild, weil er für die Rechte aller Menschen kämpfte, unabhängig von ihrer sozialen, nationalen oder religiösen Herkunft, als frühe europäische Stimme für einen vielfältigen und sozialen Gesellschaftsentwurf, vor allem aber, weil er für die Würde, die Interessen und die Rechte von Kindern stritt. Es würde ihn froh machen, dass sich heute Länder weltweit und – mit der Kinderrechtskonvention – auch die Vereinten Nationen zu diesen bekennen.

Ich freue mich über die Entscheidung des polnischen Parlaments, das Jahr 2012 Janusz Korczak zu widmen. Lassen Sie uns seine Ideale weitertragen und fortentwickeln – aus Respekt vor den Kindern der Welt. Oder, wie Janusz Korczak es gesagt, gelebt hat: ‚Hundert Kindern, hundert menschlichen Individuen – nicht erst morgen, sondern jetzt, hier und heute.‘“

Einige Aussagen von Joachim Gauck passen auch zu Bonhoeffer:

72 Jahre nach seiner Ermordung durch Nationalsozialisten blicken wir mit Bewunderung und Demut auf die Lebensgeschichte von Dietrich Bonhoeffer.

Welch eine Tapferkeit! Er hätte versuchen können zu fliehen, aber er wollte seine Lieben und vor allem seine Verlobte nicht gefährden.

Seine Ideen und sein Anliegen aber leben. Bis heute bringen uns seine weisen Schriften und Bücher, seine berühmten Briefe und Gedichte aus der Haft seine Verantwortung für Menschlichkeit nahe.

Dietrich Bonhoeffer bleibt als Theologe und Christ im Wiederstand ein Vorbild, weil er für die Rechte aller Menschen kämpfte, unabhängig von ihrer sozialen, nationalen oder religiösen Herkunft. Er ist eine frühe europäische Stimme für eine weltweite Ökumene und für eine Welt ohne Hass und Krieg.

Lassen wir mit unserem Verein HAPAX seine Ideale weitertragen und fortentwickeln, denn „es gibt vor Gott kein lebensunwertes Leben; denn das Leben selbst ist von Gott wert gehalten.“ (Quelle: Dietrich Bonhoeffer: Ethik, DBW Band 6, Seite 188)

 

Buchtipp zu Janusz Korczak (steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek): Waaldjk, Kees: Janusz Korczak. Vom klein sein und groß werden, Weinheim, Basel 2002.

Lesen wir bis zum Rundbrief Oktober 2017:

Psalmen 77 – 79; Matthäus-Evangelium Kapitel 11, die Verse 20 – 30

 

Beste Grüße, Euer Obmann Uwe