Rundbrief 2017-08 Der evangelsiche Pfarrer Paul Schneider

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief August 2017!

Paul Schneider – ein Zeitgenosse Bonhoeffers

Am 29. August 1897, also vor 120 Jahren, wurde der deutsche evangelische Pfarrer Paul Schneider in Pferdsfeld (Rheinland Pfalz) geboren und wurde am 18. Juli 1939 im KZ Buchenwald von den Nazis ermordet. Er wird bis heute Prediger von Buchenwald genannt.

Sein Vater Gustav-Adolf Schneider war ein reformierter Pfarrer. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) starb seine Mutter.

Am 29. Juni 1915 bestand Paul Schneider das Notabitur, deswegen so genannt, weil er es innerhalb des Krieges abgelegt hatte. Nach dem Abitur meldete sich Schneider freiwillig zum Kriegsdienst, diente an der Ost- und Westfront und überlebte den Krieg.

Danach studierte Paul Schneider auf Wunsch des Vaters evangelischen Theologie in Gießen, Marburg und Tübingen (in Tübingen begann Bonhoeffer sein Theologiestudium!). Nach bestandenen Prüfungen ging er nach Berlin und arbeitete bei der Stadtmission vor allem unter der Arbeiterschaft im Berliner Osten, um die praktische Arbeit der christlich-sozialen Stadtmission kennen zu lernen. Ende Januar 1925 wurde er ordiniert, im Januar 1926 starb sein Vater.

Im September 1926 trat er als Nachfolger seines Vaters die Pfarrstelle in Hochelheim und Dornholzhausen (Hessen) an. Am 12. August 1926 heiratete er die Pfarrerstochter Margarete Dieterich, mit der er sechs Kinder hatte.

Anfang der dreißiger Jahre erreichte die Weltwirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen in Deutschland auch die Dörfer Hochelheim und Dornholzhausen. Die NSDAP bekam immer mehr Zulauf.

Auch wenn Schneider am Anfang unschlüssig war, was er von Hitler halten solle, war ihm spätestens nach der Machtergreifung klar, dass die Ziele der Nationalsozialisten nicht mit den Aussagen der Bibel in Einklang zu bringen waren.

Am 21. März 1933 kam der neue Reichstag zusammen. Daher sollten von 12.00 Uhr bis 12.30 Uhr im ganzen Land die Glocken geläutet werden. Ein kirchlicher Erlass zur Sache war nicht ergangen. Daher beantragte ein Hochelheimer Gemeindeglied, dass dies auch in der evangelischen Kirche des Ortes geschehen solle. Noch am Vormittag kamen die Presbyter zu einer kurzfristig einberufenen Sitzung im Pfarrhaus zusammen, um über diesen Antrag zu beraten.

Schneider plädierte: „Nicht nur um des Übergriffs der NSDAP und der kommunalen Behörden in die Rechte der Kirche willen, sondern auch um der politischen Zurückhaltung willen seitens der Kirche und um deutlich zu machen, daß wir nicht Staatskirche sind, bittet er, den Antrag abzulehnen, ohne damit dem nationalen Tag irgendwie zu nahe zu treten.“ Das Presbyterium stellte sich gegen Schneider und ließ die Kirchenglocken läuten.

Im Laufe des Jahres 1933 wurden den Kirchen erste Einschränkungen auferlegt. Unter anderem sollten die Pfarrer dafür sorgen, dass keine „Nichtarier“ an den Gottesdiensten teilnahmen. Deswegen gründete sich im September 1933 der Pfarrernotbund, der auf der ersten Barmer Bekenntnissynode im Mai 1934 zur Bekennenden Kirche wurde. Gemeinsam wollte man den Einfluss, den die Nationalsozialisten auf die Kirche ausübten, zurück drängen. Paul Schneider schloss sich der Bekennenden Kirche an. Seine Pfarrstelle in Hochelheim verlor er.

Paul Schneider übernahm dann die reformierten Evangelischen Kirchengemeinden Dickenschied und Womrath im Hunsrück (Rheinland-Pfalz). Ein neuer Konflikt zwischen ihm und der NSDAP entstand. Bei der Beerdigung des Hitlerjungen Moog in der Nachbarkirchengemeinde Gemünden sagte der NS-Kreisleiter, dass der Verstorbene in den himmlischen Sturm Horst Wessels eingegangen sei (Horst Wessel war Pfarrerssohn, Sturmführer des SA und Verfasser des Horst-Wessel-Liedes, eine Hymne auf die NS-Ideologie). Daraufhin konterte Paul Schneider, ob es einen himmlischen Sturm Horst Wessel gebe, wisse er nicht, aber Gott möge den Jungen segnen und ihn in sein Reich aufnehmen. Dieser Konflikt führte dazu, dass Schneider am 13. Juni 1934 verhaftet wurde und für eine Woche in Haft war.

Die Bekennende Kirche verabschiedete am 5. März 1935 ein Wort an die Gemeinden gegen das Neuheidentum der rassisch-völkischen Weltanschauung, die von allen bekenntnistreuen Pfarrern am 17. März 1935 im Gottesdienst verlesen werden sollte. Das Reichsministerium des Innern verbot die Abkündigung, und die Gestapo verlangte von allen Pfarrern entsprechende Erklärungen. Schneider verweigerte diese und wurde darum vom 16. März bis zum 19. März 1935 in Kirchberg (Rheinland-Pfalz) inhaftiert.

Am 29. März 1936 fand eine Reichstagswahl statt. Paul und Margarete Schneider gingen nicht zur Wahl, da auf dem Wahlzettel nur ein Ja angekreuzt werden konnte. In der Nacht auf Ostern wurde das Pfarrhaus beschmiert: „Er hat nicht gewählt! Vaterland? Volk, was sagst du?!“

Seit 1933 unterrichteten zwei Lehrer der evangelischen Volksschulen in Dickenschied und Womrath eine deutsche Glaubenslehre, die den nationalsozialistischen Lehren entsprach.

Zwei Familienväter aus Womrath gingen gegen Schneider vor und versuchten, ihre Kinder aus dem Kindergottesdienst und dem Konfirmandenunterricht herauszuholen und in Gemünden, wo ein deutsch-christlicher Pfarrer amtierte, konfirmieren zu lassen.

Das Womrather Presbyterium stellte sich hinter Schneider und entschloss sich, die beiden Womrather Familienväter von allen kirchlichen Rechten, unter anderem vom Abendmahl, auszuschließen.

Darum war Paul Schneider von Ende Mai 1937 bis Ende Juli 1937 im Koblenzer Gestapo-Gefängnis erneut in Haft. Nach seiner Freilassung sagte man ihm, dass er Aufenthaltsverbot für die Rheinprovinz habe, also auch für seine Gemeinden im Hunsrück.

Er kehrte aber auf Drängen seiner Presbyterien zurück und hielt am 3. Oktober 1937 den Gottesdienst zum Erntedankfest in Dickenschied. Auf dem Weg zum Gottesdienst in Womrath, der am Nachmittag stattfinden sollte, wurde er erneut verhaftet und wieder in das Gefängnis der Geheimen Staatspolizei Koblenz gebracht.

Am 27. November 1937 wurde Paul Schneider nach Weimar in das neu errichtete KZ Buchenwald verlegt, wo er Zwangsarbeit verrichten musste.

Als er bei einem Fahnenappell anlässlich des Führergeburtstages am 20. April 1938 den Hitlergruß verweigerte, seine Mütze nicht abnahm und als Begründung angab: „Dieses Verbrechersymbol grüße ich nicht!“, wurde er öffentlich mit Stockschlägen bestraft und in eine Einzelzelle des Arrestgebäudes (Bunker) gesperrt.

Trotz schwerster Misshandlungen unterließ er es auch weiterhin nicht, aus seinem Gefängnis heraus das Evangelium zu verkünden. So wurde er im Konzentrationslager, in dem zu jener Zeit politisch, religiös oder rassisch Verfolgte sowie Kriminelle einsaßen, für seine Mitgefangenen zum Prediger von Buchenwald.

Am Ostersonntag soll er sich trotz größter Schmerzen an den Gitterstäben seiner Zelle hochgezogen und den tausenden von Häftlingen draußen auf dem Appellplatz zugerufen haben: „Kameraden, hört mich. Hier spricht Pfarrer Paul Schneider. Hier wird gefoltert und gemordet. So spricht der Herr: ‚Ich bin die Auferstehung und das Leben! Amen.‘“

Über ein Jahr lang wurde Paul Schneider in der Einzelzelle gefangen gehalten und gequält, bis er körperlich nur noch ein Wrack und dem Tode nahe war. Paul Schneider wurde am 18. Juli 1939 von dem Lagerarzt Erwin Ding-Schuler durch eine starke Überdosis des Herzmedikaments Strophanthin ermordet.

Paul Schneiders Leichnam wurde nach Dickenschied überführt. Trotz Vorkehrungen seitens der Gestapo fand die Beisetzung unter sehr großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Insgesamt kamen wohl mehr als 1000 Trauergäste, darunter 200 Pfarrer.

Margarete Schneider baute nach dem Krieg die Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit auf. Sie starb am 27. Dezember 2002 in Schwalbach am Taunus. Sie hatte sich in der gesamten Zeit nach dem Krieg versöhnend in den Dörfern Dickenschied und Womrath engagiert und sprach vielfach in Schulen und an anderen Orten über die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Sie wurde in Dickenschied neben ihrem Mann beigesetzt.

 

Würdigung

Dietrich Bonhoeffer sah Paul Schneider als den ersten Märtyrer der Bekennenden Kirche an, als er in London bei seiner emigrierten Zwillingsschwester Sabine Leibholz von dessen Tod erfuhr.

Sieben Tage nach Schneiders Tod verfasste der anglikanische Bischof von Chichester, George Kennedy Allen Bell, ein Mitglied der ökumenischen Bewegung und Freund Bonhoeffers, einen Bericht über die Ermordung Schneiders in Buchenwald, in dem er den Pfarrer aus Dickenschied als deutschen Märtyrer bezeichnet. Dieser Bericht erschien am 27. Juli 1939 als ein „Letter to the editor“ in der Times.

Am 11. Mai 1997 wurde im evangelischen Gemeindezentrum Paul Schneider in Weimar die Pfarrer-Paul-Schneider-Gesellschaft gegründet.

Papst Johannes Paul II. würdigte im Rahmen des Märtyrergedenkens am 7. Mai 2000 im Kolosseum zu Rom zwei Zeugen Christi namentlich. Einer davon war Paul Schneider.

Am 22. April 2017 fand in San Bartolomeo ein von Papst Franziskus zelebrierter Wortgottesdienst im Gedenken an die neuen Märtyrer statt. In diesem erinnerte Karl Adolf Schneider, Paul Schneiders zweitjüngster Sohn, an seinen Vater.

In mehreren deutschen Städten und Gemeinden tragen Straßen, christliche Gemeindehäuser und Schulen den Namen Paul Schneider.

 

In unserer Bonhoeffer-Bibliothek haben wir die Biographie seiner Ehefrau: Schneider, Margarete: Paul Schneider. Der Prediger von Buchenwald, Holzgerlingen 2014 (Erstausgabe 1958).

 

Lesen wir bis zum Rundbrief September 2017:

Psalmen 74 – 76; Matthäus-Evangelium Kapitel 11, die Verse 7 – 19

Beste Grüße, Euer Obmann Uwe