Rundbrief 2015-11 Die vier Mandate
HAPAX und herzliche Grüße zum Rundbrief November 2015!
Innerhalb der letzten monatlichen Versammlung am 14. Oktober 2015 haben die Anwesenden den Brautbrief von Dietrich Bonhoeffer an seine Verlobte Maria von Wedemeyer vom 13. August 1944 diskutiert (Brautbriefe Zelle 92, München 1992, SS. 201 f.).
Maria hat in Berlin ihre neue Arbeit aufgenommen. Bonhoeffer wünscht Maria, dass ihre Arbeit sich als Wohltat erweisen möge und beschreibt Arbeit: „Angestrengte Arbeit wird schon seit Jahrhunderten als die beste Medizin gegen Kummer und Sorgen gepriesen. Manche mögen das Wohltuende der Arbeit darin sehen, daß sie alles Persönliche betäubt. Ich glaube aber, die Hauptsache ist, daß rechte Arbeit selbstlos macht und daß der Mensch, dessen Herz voller Wünsche und Sorgen ist, nach solcher Selbstlosigkeit im Dienste anderer Menschen Verlangen hat. Und so wünsche ich Dir von Herzen, liebste Maria, daß Deine neue Arbeit Dir diese Wohltat erweist und daß Du gerade in den besonderen Schwierigkeiten auch eine besondere innere Befreiung empfindest…Du glaubst nicht, als was für eine Befreiung ich es empfinden würde, endlich einmal wieder nicht nur für mich allein, sondern für andere arbeiten zu können.“
Bonhoeffer entfaltet in seiner unvollendeten Ethik vier Mandate, die in Beziehung zu Jesus Christus stehen (Ethik, München 1992, SS. 54 – 62):
„Die Welt steht in Beziehung auf Christus…Diese Beziehung der Welt auf Christus wird konkret in bestimmten Mandaten: die Arbeit, die Ehe, die Obrigkeit, die Kirche. Wir sprechen von göttlichen Mandaten statt von göttlichen Ordnungen, weil damit der Charakter des göttlichen Auftrages gegenüber dem einer Seinsbestimmung deutlicher heraustritt…Gott hat die Menschen unter alle diese Mandate gestellt, nicht für jeden Einzelnen unter je eines desselben, sondern alle Menschen unter alle vier…Das Mandat der Arbeit begegnet uns nach der Schrift schon beim ersten Menschen. Adam soll den Garten Eden bauen und bewahren (1 M 2, 15)…Es geht bei der Arbeit, die im Paradies begründet ist, um ein mitschöpferisches Tun der Menschen…Kein Mensch kann sich diesem Mandat entziehen.
Bonhoeffer beschreibt kurz in einem Brief aus der Haft an seinen Freund Eberhard Bethge die Kirche der Zukunft, in der die Pfarrer einen weltlichen Beruf ausüben sollen: „Die Pfarrer müssen ausschließlich von den freiwilligen Gaben der Gemeinde leben, eventuell einen weltlichen Beruf ausüben.“ (Widerstand und Ergebung, München 1998, S. 560, Entwurf für eine Arbeit)
Das Mandat Arbeit ist auch ein Menschrecht und gehört zum Menschsein des Menschen. Ohne Arbeit fühlen sich Menschen wertlos. Ohne Arbeit ist die Existenz von Menschen und Familien gefährdet. „Arbeit war sein Leben“ – so steht es oft auf Parten von Verstorbenen. Aber Arbeit ist das halbe Leben. Zu der anderen Hälfte des Lebens gehören sicherlich auch andere sinnvolle und schöne Dinge (Freizeit, Ruhe, Hobby, Familie, Freunde, Wellness, etc.). Noch haben wir das System des Kirchenbeitrages. Noch arbeiten so gut wie alle Pfarrerinnen und Pfarrer nur in diesem Beruf. In der gegenwärtigen Arbeitswelt haben Menschen zwei bis drei Arbeitsplätze und müssen daher enorm flexibel sein. Es wäre sicherlich für viele Pfarrerinnen und Pfarrer eine große Umstellung und Herausforderung, wenn sie in einer weltlichen Firma angestellt wären und zugleich als Geistliche arbeiteten. Aber würden sie so nicht mehr von der Welt sehen und erfahren, um dann das Evangelium von Gottes Liebe lebensnaher und realistischer predigen zu können? Noch ist Bonhoeffers Vision von der Zukunft der Kirche nicht – oder nur zum Teil – umgesetzt. Aber die Zeit dafür wird kommen.
Lesen wir weiter bis zum sechsten Rundbrief im Dezember 2015:
Psalmen 13 – 15; Bergpredigt Jesu in Matthäus 5, 38 – 48
Beste HAPAX-Grüße, Euer Obmann Uwe