Rundbrief 2020-11 Musik
HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief November 2020!
1770, also vor 250 Jahren, wurde der Komponist Ludwig van Beethoven in Bonn (D) geboren. Sein genauer Geburtstag ist allerdings nicht bekannt. Mit seinem Taufdatum vom 17. Dezember 1770 beginnt Beethovens dokumentiertes Leben. Mit 56 Jahren starb er am 26. März 1827 in Wien. Berühmt wurde Beethoven zum Beispiel mit seiner 5. Sinfonie, („Schicksalssinfonie“), mit seiner 9. Sinfonie („Ode an die Freude“), mit „Für Elise" oder mit der "Frühlingssonate". Bonhoeffer hatte eine zwiespältige Meinung zur Musik Beethovens.
Ludwig van Beethoven (Quelle: Wikipedia)
Dietrich Bonhoeffer war nicht nur theologisch, sondern auch musikalisch hoch gebildet, und zwar in der klassisch-romantischen Tradition des 19. Jahrhunderts. „Bald gab es keinen Zweifel mehr, daß Dietrich die naturwissenschaftlichen Neigungen der Älteren nicht teilte; stattdessen … machte er ungewöhnliche Fortschritte in der Musik … Musikalischer und technischer Fortschritt gingen jedoch bei Dietrich am Klavier so Hand in Hand, daß tatsächlich für ein gewisse Zeit bei ihm wie bei den Eltern der Gedanke aufkam, er könne sich ganz der Musik verschreiben … Mit zehn Jahren spielte er Mozartsonaten vor … Sonnabend abends wurde er zum versierten Begleiter der Lieder von Schubert, Schumann, Brahms und Hugo Wolf, welche seine Mutter und stimmbegabte Schwester Ursula sangen … Frühzeitig war er dazu erzogen, unbefangen vorzuspielen … So war es in Bonhoeffers Jugendzeit die Musik, die ihm in der Schule und unter den Studenten eine besondere Stellung verschaffte.“ (Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer, S. 47 f)
Bonhoeffer hat mit seiner endgültigen Wendung zur Theologie seine Liebe zur Musik nicht aufgegeben. So hat er seine pianistischen Fähigkeiten in der Gemeindearbeit eingesetzt – 1928 als Vikar in Barcelona oder 1933 – 1935 als Auslandspfarrer in London. In der Zeit als Leiter des Predigerseminars Finkenwalde hat er mit seinem Freund Eberhard Bethge Lieder von Heinrich Schütz (1585 – 1672) und des österreichischen Komponisten Hugo Wolf (1860 – 1903) musiziert. Johannes Goebel, Schüler Bonhoeffers im Predigerseminar Finkenwalde, stellte fest, am Klavier einen anderen Bonhoeffer als sonst erkannt zu haben. „Einmal war ich dabei, als er sich ans Klavier setzte. Er improvisierte … Ich fragte ihn alsdann, ob er auch versucht hätte oder auch versuchte, zu komponieren. Mit einem deutlichen Ton der Abwehr sagte er etwas, daß er damit aufgehört hätte, seit er Theologe geworden sei. Mir scheint das als ein typischer Wesenszug: Bonhoeffer ist … leidenschaftlicher Prediger und Theologe gewesen. Am Instrument improvisieren und gar komponieren – das kann man auch nur aus und in Leidenschaft … Als er am Klavier saß und spielte, kam etwas Urwüchsiges, Naturhaftes, das ich an seinem Wesen noch nicht kannte und später auch nie mehr bemerkt habe, zum Ausdruck, ein anderer Dietrich, als er sich sonst zeigte. Nicht nur seine frische Art, seine Energie, sein Wille … Er saß nicht gerade, sondern quer nach rechts …; er saß wie ein Klavierschüler nie hätte sitzen dürfen. Und er spielte hart, etwas zu sehr hämmernd, auch einfach zu laut. An den musikalischen Stil seiner Improvisation kann ich mich leider nicht erinnern. Sicherlich deswegen nicht, weil mir in diesem einen Augenblick der Durchbruch des Menschlichen durch seine Persönlichkeit fesselnder geworden war als die Art seiner Musik.“ (Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, S. 97 f.)
Bonhoeffer prüfte den gottesdienstlich - liturgischen Gebrauch von Komponisten, ob ihre Musik dazu beitragen könne, das Wort Gottes zu verkünden. Für ihn konnte das die Musik von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750), die von Beethoven aber nicht. „Bach hat über alle seine Werke geschrieben: soli deo gloria [allein Gott sei Ehre und Ruhm] – oder Jesu juva [Jesus, hilf], es ist, als ob seine Musik nichts anderes wäre als ein unermüdlicher Lobpreis dieses Gottes – und es ist andererseits, also ob die Musik Beethovens nichts anderes wäre als der unvergängliche Ausdruck menschlichen Leidens und menschlicher Leidenschaft. Darum können wir Bach im Gottesdienst hören und Beethoven nicht.“ (DBW 13, S. 354)
In der Berliner Haft hebt Bonhoeffer in seinem Brief vom 27. März 1944 an Eberhard Bethge die wichtige Bedeutung des Musizierens hervor und meint, durch die Haft den tauben Beethoven besser zu verstehen. „Seit einem Jahr habe ich keinen Choral mehr singen hören. Aber es ist merkwürdig, wie die nur mit dem inneren Ohr gehörte Musik … fast schöner sein kann als die physisch gehörte; sie hat eine größere Reinheit, alle Schlacken fallen ab; … Es sind nur einige wenige Stücke, die ich so kenne, daß ich sie von innen her hören kann; aber gerade bei den Osterliedern gelingt es besonders gut. Die Musik des tauben Beethovens wird mir existentiell verständlich, besonders gehört für mich dahin der große Variationssatz aus Opus 111 … Wie du ohne Musik fertig wirst, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, oder hast Du die Flöte doch mit? Kannst Du nicht versuchen, eine Gambe oder Oboe zu kaufen? Oder eine gute Gitarre?“ (DBW 8, 367 f.)
Bonhoeffer unterscheidet in seiner Ethik die vier göttlichen Mandate Ehe, Arbeit, Staat und Kirche. In seinem Brief vom 23. Jänner 1944 an Renate und Eberhard Bethge fragt er, wie es mit Kultur und Bildung steht und stellt die wichtige Bedeutung der Musik heraus. „Wie steht es aber mit Kultur und Bildung? Ich glaube nicht, daß man sie einfach dem Arbeitsbegriff unterordnen kann … Sie gehören nicht in den Bereich des Gehorsams, sondern in den Spielraum der Freiheit … Ob vielleicht … der Begriff der Kirche (Kunst, Bildung, Freundschaft, Spiel) wieder zu gewinnen ist? Also die ästhetische Existenz gerade nicht aus dem Bereich der Kirche zu verweisen, sondern gerade in ihr neu zu begründen wäre? … Wer kann denn z. B. in unseren Zeiten noch unbeschwert Musik oder Freundschaft pflegen, spielen und sich freuen? Sicher nicht der ethische Mensch, sondern nur der Christ.“ (DBW 8, S. 291)
Bonhoeffers Verständnis von Musik erklärt gut Andreas Pangritz in seinem kleinen Buch: Polyphonie des Lebens. Zu Dietrich Bonhoeffers „Theologie der Musik“, Stuttgart 2020 (steht in unserer Bonhoeffer-Bibliothek).
Zwei Fragen zum Nachdenken und Diskutieren:
- Welche Musikrichtung gefällt Dir?
- Welche MusikerInnen, SängerInnen und Musikgruppen hörst Du gerne?
Lesen wir bis zum Rundbrief Dezember 2020:
Psalmen 32 – 34; Matthäus-Evangelium Kapitel 19, die Verse 1 – 12.
Liebe Grüße
Euer Obmann Uwe