Rundbrief 2020-10 Kunst

Geschrieben von Super User on . Posted in Rundbriefe des Obmanns

HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Oktober 2020!

Vor einigen Wochen sah ich in einem deutschen TV-Sender die sehenswerte kanadisch-irische Filmbiografie „Maudie“ aus dem Jahr 2016. Der Film beschreibt das Leben der kanadischen Malerin Maud Lewis.


Maud Lewis mit einem ihrer Bilder vor ihrem Haus (Quelle: Wikipedia)

Sie wurde am 7. März 1903 in South Ohio (Kanada) geboren und starb am 30. Juli 1970 in Digby (Kanada). Sie litt schon früh an Behinderungen an Armen und Händen als Folge der rheumatoiden Arthritis, die sie schon als Kind hatte. 1938 heiratete sie Everett Lewis und lebte mit ihm in sehr bescheidenen Verhältnissen. Sie begleitete ihren Mann auf seinen täglichen Fahrten, bei denen er Fische an Haustüren verkaufte. Dadurch begann ihre künstlerische Laufbahn. Sie zeichnete zunächst Weihnachtskarten, die bei den Kunden ihres Mannes sehr beliebt waren. Dann malte sie kleinformatige, farbenfrohe Bilder mit Ölfarben.

Maud Lewis’ Bilder sind recht klein, meist nur 20 bis 25 Zentimeter groß, ihr größtes Bild misst 90 Zentimeter. Ihre Bilder zeigen Szenen mit Menschen, Haus- und Wildtieren wie Pferde, Katzen und Vögel. Lewis’ Maltechnik bestand darin, die Farben direkt und ungemischt aus den Farbtuben aufzutragen, sodass sie leuchtend und knallig wirken und die Flächen klar voneinander abgegrenzt sind. Sie benutzte dabei alle möglichen Materialien als Grundlage, darunter auch Holzbretter, Backbleche und sogar die Wände ihres Hauses. Ihre Bilder kosteten anfangs nur zwei bis drei Dollar. Der Verkaufspreis ihrer Werke stieg aber ständig. Das teuerste Bild wurde 2009 auf einer Auktion für 22.200 Dollar verkauft.

Ihre Bilder faszinieren und berühren mich, weil diese ihre Sichtweise und Vorstellungen eines heilen Lebens widerspiegeln.

In Dietrich Bonhoeffers Familie hatten Kunst, Musik und Literatur einen hohen Stellenwert. Bonhoeffer ist dreimal in Rom gewesen – 1924, 1936 und 1942. Als 18-jähriger Student reiste er 1924 mit seinem Bruder Klaus nach Italien und studierte die Kunst in Rom und im Vatikan. Seine Eindrücke beschreibt er mit einem sehr hohen Reflexionsvermögen und mit sehr guten Kenntnissen in seinem Tagebuch, das auch als eine gute Vorbereitung für eine eigene Romreise genutzt werden kann:

„Dann Vatikan. Zuerst die Stanzen [die von Raffael und seinen Schülern ausgemalten Räume im Vatikan], die mich nicht sehr fesselten. Historische Malerei in jedem Sinne scheint mir stillos. Ich muß das noch genauer bedenken, warum? – Dann Sixtinische Kapelle, genau studiert mit immer wachsender Begeisterung, zuerst die Fresken (Perugino!!), dann nach der Reihe die Deckenmalerei. Aber über den Adam wäre ich fast nicht hinausgekommen, es ist eine so unerschöpfliche Gedankenfülle in dem Bild: in der Gestalt Gottes, dessen riesiger Macht, zärtlicher Liebe oder vielmehr aller, über dieses beides so Menschliche weit entfernt liegender Eigenschaften; und des Menschen, der zum ersten Leben erwachen soll, auf der sprossenden Wiese vor unendlichen Bergen, auf sein späteres Los deutend, ganz irdisch und doch ganz rein. Kurz: man kann es nicht ausdrücken. Das größte malerische Kunstwerk ist wohl der Jonas [gemeint ist der Prophet Jona aus dem Alten Testament, der von einem Walfisch verschluckt wurde], man beachte nur die unglaubliche Kunst der perspektivischen Verkürzung … Sonntag Vormittag Villa Borghese. Gleich zum Tizian: ‚Himmlische und irdische Liebe‘, lange ohne Erfolg an der richtigen Deutung rumgerätselt … Es macht mir augenblicklich viel Freude, die Schulen und einzelnen Künstler zu erraten und ich glaube überhaupt allmählich etwas mehr von den Sachen zu verstehen als vorher, obwohl man als Laie ja vielleicht ganz schweigen muß und alles den Künstlern selbst lassen; denn das Schlimmste ist ja der übliche Kunsthistoriker, auch besseren Stils … Das Deuten ist überhaupt eines der schwierigsten Probleme, und doch ist unser ganzes Denken darauf eingestellt; wir müssen deuten, Sinn geben, damit wir leben und denken können. Es ist das alles sehr schwierig; aber wenn man nicht deuten muß, dann lasse man es doch; und ich glaube, bei der Kunst ist das nicht nötig. Man hat nicht mehr davon zu wissen, ob das der ‚gotische Mensch‘ ist, der sich daran ausspricht, oder der ‚primitive‘ usw. Ein Kunstwerk mit klaren Sinnen und Verstand aufgenommen tut im Unterbewußtsein das Seine, und das Verstehen des Kunstwerkes wird kein Deuten mehr nötig haben, sondern man sieht entweder intuitiv das Richtige oder nicht. Das nenne ich Kunstverständnis, daß man nach gründlicher Arbeit bei der Aufnahme das unbedingt sichere Gefühl hat: hier habe ich den Kern gefaßt, auf Grund irgendwelcher unbewußter Vorgänge, die intuitive Sicherheit entsteht. Dieses Ergebnis dann aber in Worte zu fassen zu einer Deutung, ist sinnlos für andere, da es den einen nicht hilft, die anderen es nicht brauchen, und bringt der Sache selbst keinen Vorteil. Es geht hier leider immer um schwer meßbare Größen und Werte und gelöst ist die Sache natürlich noch lange nicht.“ (Dietrich Bonhoeffer: Italienreise 1924, Gütersloh 2012, S. 105 – 107)         

Zwei Fragen zum Nachdenken und Diskutieren:

  1. Was verstehst Du unter Kunst?
  2. Welche Kunstrichtung gefällt Dir?

Lesen wir bis zum Rundbrief November 2020: 

Psalmen 29 - 31; Matthäus-Evangelium Kapitel 18, die Verse 21 - 35                   

Liebe Grüße
Euer Obmann Uwe