Rundbrief 2019-09 Städtepartnerschaft

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief September 2019!

Die deutsche Stadt Moers und die italienische Stadt St. Anna di Stazzema besiegelten am 12. August 2019 eine Städtepartnerschaft. Freude über diese haben Christoph Fleischhauer, Bürgermeister von Moers und Maurizio Verona, Bürgermeister von St. Anna di Stazzema.

Die Stadt Moers ist meine Heimatstadt. Von meinem zweiten Lebensjahr bis zu meiner Übersiedlung nach Österreich im Mai 2003 lebte und arbeitete ich dort. Moers gehört zum deutschen Bundesland Nordrhein Westfalen, ist eine Nachbarstadt meiner Geburtsstadt Duisburg, liegt am linken Niederrhein in der Nähe der niederländischen Grenze und hat 103.000 Einwohner. Von diesen sind ca. 30.000 evangelisch und ca. 30.000 katholisch. Auch viele Moslems wohnen dort. 1561 führte Graf Hermann von Neuenahr-Moers die Reformation ein, sodass Moers also recht früh protestantisch wurde. Ein bekannter Moerser Protestant war der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, der 2005 verstarb und Ehrenbürger der Stadt ist.

1933 lebten in Moers nur ca. 230 Juden. Sie waren voll integriert und überwiegend als Kaufleute und Handwerker tätig. Mit der Machtergreifung der Nazis kam es ab März 1933 zum Boykott jüdischer Geschäfte in Moers. Die jüdische Schule wurde 1939 geschlossen. In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde die Synagoge demoliert. 1942 wohnten keine Juden mehr in Moers. In der Innenstadt gibt es viele „Stolpersteine“, die an die Moerser Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Sant’Anna di Stazzema ist ein kleines italienisches Dorf in der Toskana in der Gemeinde Stazzema (Provinz Lucca). Zwei bekannte Städte gehören zur Toskana - Pisa und die Hauptstadt Florenz.

Deutsche Soldaten der 16. SS-Panzergrenadierdivision fielen am frühen Morgen des 12. August 1944 in das toskanische Bergdorf Sant‘Anna di Stazzema ein. Sie waren auf der Suche nach Partisanen. Die Männer des Dorfes flüchteten, weil sie befürchteten, als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt zu werden. Ihren Frauen, Kindern und Eltern versicherten sie, dass die Deutschen ihnen nichts tun würden. Doch die Männer der Waffen-SS kannten keine Gnade. Drei Stunden dauerte das Massaker, am Ende waren ca. 560 Menschen ermordet - Alte, Frauen und Kinder. Die meisten von ihnen wurden auf dem Kirchplatz zusammengetrieben und dort erschossen. Nur wenige überlebten. Später haben die Soldaten die Toten auf einen Haufen geworfen, Kirchenbänke darüber geworfen und mit Benzin angezündet.

Jahrzehntelang wurde das Verbrechen weder von italienischen noch von deutschen Justizbehörden verfolgt. Erst 1994 wurden die Unterlagen im sogenannten "Schrank der Schande" wiederentdeckt. Daher kam es 2004 in Italien zum Prozess.
Zehn frühere SS-Angehörige wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Deutschland lieferte sie aber nicht aus. Stattdessen leitete 2002 die Staatsanwaltschaft Stuttgart mehrere Ermittlungsverfahren ein. 2012 wurden sie eingestellt, weil eine Anklage aus rechtlichen Gründen nicht möglich war. Den Beschuldigten könne eine individuelle Schuld nicht nachgewiesen werden.

Und so wird wohl das SS-Massaker von Sant'Anna di Stazzema für immer ungesühnt bleiben. Doch ein kleiner Lichtblick ist, dass zum 75. Jahrestag des schrecklichen Kriegsverbrechens am 12. August 2019 die Städtepartnerschaft der oben genannten Städte entstand und mit dieser auch ein „Stolperstein“ gelegt wurde, der an dieses Massaker erinnern soll.


Mahnmal „Mutter und Kind“ zur Erinnerung an das Kriegsverbrechen
in Sant’Anna di Stazzema (Quelle: Wikipedia)

2020 feiern wir unser fünfjähriges Vereinsbestehen. Daher wäre aus diesem Anlass eine Reise zum Beispiel nach Sant'Anna di Stazzema mit einem Treffen von einheimischen Bürgern und Delegierten aus Moers zu überlegen, um ein würdiges Zeichen unserer Anteilnahme an das Massaker von 1944 zu setzen. Und diese Würdigung wäre auch eine konkrete Umsetzung von zwei Vereinszwecken, die im § 2 unserer Vereinsstatuten erwähnt werden, nämlich die Förderung der christlichen Verantwortung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und des Widerstandes gegen die Verletzung der Menschenrechte durch politischen und religiösen Radikalismus.

Zwei Fragen zum Nachdenken und Diskutieren:

1. Welches Unrecht und welche Ungerechtigkeiten in der Welt und in meinem persönlichen Umfeld sind ungesühnt geblieben?
2. Warum ist der Mensch zu bösen Taten fähig?

Noch eine Anmerkung zur fortlaufenden Bibellese: Bonhoeffer hat die Psalmen und die Bergpredigt sehr geschätzt. Daher haben wir mit meinem ersten Rundbrief begonnen, alle 150 Psalmen und die Bergpredigt zu lesen. Die Psalmen haben wir bald alle gelesen. Die Bergpredigt, die in den Kapiteln fünf bis sieben des Matthäusevangeliums überliefert ist, haben wir auch schon lange gelesen, sodass ich die Bibellese mit den darauffolgenden Bibelstellen vorschlage.

Lesen wir bis zum Rundbrief Oktober 2019:
Psalmen 143 - 145; Matthäus-Evangelium Kapitel 15, die Verse 32 - 39

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe