Gottlos glauben? Missbrauch, Gewalt und der Zerfall von Gottesvorstellungen Seminararbeit unseres Mitgliedes Mechthild Podzeit-Lütjen
SE (2023 S) Katholische Theologie 180046
Gottlos glauben? Missbrauch, Gewalt und der Zerfall von Gottesvorstellungen
Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Treitler
--------------------------------------------------------------------------------
Mechthild Podzeit-Lütjen, BA MA
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Wien, Juni 2023
Seminararbeit
mit Impulsreferat
T h e m a
Gottlos glauben? Missbrauch, Gewalt und der Zerfall von Gottesvorstellungen
Der ausgebrannte Mensch und die Hoffnung
Leiden Annehmen und widerstehen Dorothee Sölle
Wenn ihr wollt ist es kein Märchen. Theodor Herzl
*
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Vaclav Havel
Studienkennzahl lt. Studienblatt UA 066 795 Matrikelnummer: 0803441
Studienrichtung lt. Studienblatt Theologische Spezialisierungen Kath. Theologie
Inhaltsverzeichnis
Zitate, umfassend zum Thema
Einleitung
Karfreitag: unterschiedliche Zugänge; Phänomenologisch
Antlitz kein vice versa DU? Oder Spuren der Zeichnung
Fähigkeit, Scheitern zu akzeptieren und Neues zu versuchen
Die Hoffnung ist ein Fake?
Alles wird gut: Zur Dialektik der Hoffnung
Katastrophe versus Apokalypse
Das Leiden
Und die Hoffnung? Oder doch bloße Zuversicht?
Conclusio
Das Leiden ist eine Schneekugel
Grace
Bibliographie
Du bist auf der Welt, dafür gibt es keine Heilung.
SAMUEL BECKETT
*
„Dann feiern das Brautfest Menschen und Götter,
Es feiern die Lebenden all,
Und ausgeglichen
Ist eine Weile das Schicksal.“
FRIEDRICH HÖLDERLIN
*
„Der Narben lacht, wer
Wunden nie gefühlt.“
SHAKESPEARE
*
"Der Friede ist ein klitzekleines Hirsekorn."
DOROTHEE SÖLLE
Einleitung
IMMER NEU MIT DEM ANFANG ANFANGEN Karl Barth
Den ersten Schnee
wollt‘ ich malen – doch wieder ist
auf meinem Blatt
nur der Weg
den du verlassen hast
Gabriele Hartmann
Arthur Schopenhauer (1788-1860) : „…es ist besser nicht am Leben zu sein, als zu leben…“
Ich gehe hier in medias res. Das genannte Thema „Der ausgebrannte Mensch und die Hoffnung“ lege ich aktuell jetztzeitig an – perzipiere gleichzeitig Zitate aus allen Zeiten der Literatur und im Kontext des Seminartitels. Ich sammle Aussagen zum Thema von Schriftstellern, Antworten aus einem Blog zur Relevanz. Ich habe keine Lösung! Sondern öffne die Vielfalt der Zugänge und Tatsachen, die zu allen Zeiten der Menschheit reflektiert wurden. Es gibt keine Antwort – aber es bleiben viele Fragen.
In einer Conclusio biete ich abschließend in einen kurzen Exzerpt Gedanken von Dorothee Sölle an. Werde zu dem der du bist, Pindar, übersetzt von Nietzsche.
Leiden geht mit den Termini Schmerz, Schweres, Dulden, Trauma, Weh, Katastrophe, Erschöpfung einher: einen Zustand von schwerer Krankheit, Schmerzen, seelischem Leiden o. Ä. auszuhalten, zu ertragen, zu erdulden haben.
Leiden ist auch eine Stadt in den Niederlanden.
Leiden oder Lieben ein Buchtitel, dessen Inhalt behauptet: nur die heitere Liebe leidet nicht!
Geworfenheit. Mit Geworfenheit beschreibt Heidegger die Unausweichlichkeit des Daseins: Das ungefragt in die Welt geworfen worden sein. Der Begriff der Geworfenheit bezeichnet die willkürliche, undurchsichtige und unwissbare Natur, die Faktizität des Daseins als konstitutive Bedingung des menschlichen Lebens. Auf den Terminus Leiden explizit geht Heidegger in dem Kontext nicht ein.
Trauer ist ein Terminus, der Leiden impliziert. Auferlegtes Leiden. Als Folge des umfassenden Menschseins. Immer aber fußt Trauer auf Hoffnung. Für das Dies- und das Jenseits. Oft unbenannt – weil wir nicht wissen, was wir hoffen dürfen oder können. Diffuse Hoffnung.
„Es ist … mein anthropologisches Anliegen aufzuzeigen, daß das Wesen des Menschen nicht nur aus Angst, sondern auch aus der Freude heraus erklärt werden kann. Der Mensch ist zwar durchaus ein Angstwesen, er ist aber auch ein Freudenwesen. Angst treibt den Menschen in die Vereinzelung, Freude aber ist die grundlegende Emotion für Verbundenheit und Solidarität.“ (Verena Kast)
Vorweg aber sei gesagt, dass Leid, verursacht durch eine Institution wie die Kirche (u.a.) in Missbrauchsfällen, auch von dieser behoben, behandelt, eliminiert und geheilt werden MUSS!
Dafür müssen sich Geschundene nicht rechtfertigen. Dafür trägt die Kirche Verantwortung. In Hierarchien bis zu Wurzeln, die Strukturen ins Wanken bringen. Dieses unermessliche Leid sei hier benannt, und ist in seiner Kausalität Inhalt vieler Worte, die aber die Taten nach sich lassen; dies kann hier in der Komplexität nicht das Thema sein. Ich darf auf meine Seminararbeit verweisen, die dieses Thema reflektierend beinhaltet.
Die erste Elegie (Duineser Elegien) von Rainer Maria Rilke:
Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel
Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme
einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem
stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.
Mit der Premiere einer bereits vor einem Jahr angekündigten, doch krankheitsbedingt verschobenen Produktion hat gestern, Donnerstag, im Theater in der Josefstadt die neue Saison begonnen. Doch Leo Tolstois Roman "Anna Karenina", in den 1870ern geschrieben, ist zeitlos. Das betont auch Amélie Niermeyer in ihrer Inszenierung, die sich stark an der oft gespielten Fassung von Armin Petras orientiert, eigene Akzente einbaut und sich dafür selbst viel Zeit nimmt. Über drei Stunden.
Man kann nicht schlecht über Meisterwerke dramatischer Literatur aus Russland denken, nur weil ein wahnsinniger Despot einen Konflikt mit der Welt führt. So heißt es in der Presseaussendung.[1]
- Anna Karenina: Ich wuchs wie eine Birke in meinem Wald. Ich kann nicht mehr warten.
- …da wo du stehst, ist ein Loch in der Welt:
- Ich habe ständig das Gefühl, am Rand von etwas zu sein.
- …ein Leben, ausgehungert nach Liebe –
- Jugend verschwendet
- Lerne das Lernen zu lieben
- Glück der Vergebung.
- Ich will mehr hoffen.
- Respekt statt Liebe.
- Lass uns Freunde bleiben
- Sie erkannte an der Traurigkeit, dass sie sich getäuscht hatte
- Ich möchte meine Ruhe zurück
- Schaut über die Brücke zurück, wo der Abgrund gähnt –
Das Stück endet nicht mit dem Suizid von Anna Karenina.
Tolstoi lässt Kitty sagen: „das Gute, das hineinzubringen in meiner Macht steht“.
Karfreitag: unterschiedliche Zugänge; Phänomenologisch
Dieses Jahr habe ich ein ganzes Jahr Karfreitag gehabt. Der Feiertag ist gestrichen. Von Staats wegen sowieso. Zu feiern gibt es nach einem Jahr Karfreitag und ebenso langer Fastenzeit nichts, sagt M. zu mir. Ich verstehe, was gemeint ist.
Macht es überhaupt heute noch Sinn, zu fasten? Wenn der Karfreitag in Frage gestellt wird? Der Verzicht von Essen und Trinken sei nicht zeitgemäß, und anders zu interpretieren; man könne temporär auf soziale Medien verzichten, auf elektronische Geräte, gerade auch während des Ramadan. Traditionell aber verlange der Verzicht auf Nahrung von Beginn der Morgendämmerung an bis zur Abenddämmerung als Herausforderung Disziplin. Daher sei dieses Fasten mit Leiden verbunden.
Und ich lächle im Dunkel dem Leben, das alles traurige Lügen streift.
DIE LIEBE GELINGT IM MOMENT. TRÄGT SIE DARÜBER HINAUS? Ich hätte auch titeln können: die Dauer der Liebe oder Darhöhung?
"Niemand und nichts ist real. Am wenigsten die Wahrheit." (Gerhard Roth)
Frisch war der einzige Mann, mit dem Bachmann zusammenlebte. Die Trennung war für Ingeborg Bachmann verheerend; später zeichnete sie Frisch als Mann, der sie zugrunde gerichtet habe. Es erhebt sich die Frage: Warum hat Bachmann sich zugrunde richten lassen? Wie war es möglich, dass ein solches Leid sich ihrer bemächtigte?
Ein Fastentuch ist vom Medium Kunst besetzt und nimmt eine vermittelnde Rolle ein, die der Kunst zutiefst zu eigen, da nicht von liturgischer Notwendigkeit und öffnet damit einen Blick auf Welt. So auch das monumentale Kunstwerk im Stephansdom. Das hier dargestellte Blut- und Fleischthema assoziiert nicht zwanghaft Leib. Fleisch (sarx) wird bei Aristoteles thematisiert, in einem weitaus umfassenderen Zusammenhang betrachtet: Für Maurice Merleau-Ponty steht es analog zu einem Sein, welches er ‚Sein zur Welt‘ nennt.[2] Phänomenologisch betrachtet, finden wir uns in einer Welt vor, in der wir Berührter und Berührender zugleich sind, d. h. Ereignisse schreiben sich nicht nur in uns ein, sondern auch wir sind verantwortlich an der Teilhabe (Lenkung bzw. Berührung) der Welt.[3] Das Fleisch ist also ein Sein, das seine Vernetzung in alle Bereiche des Lebens – auch in jene des Nichtmateriellen, der sinnlichen Wahrnehmung –, ausdehnt. Petričs netzartige Silhouette ist somit auch Sinnbild des Fleisches, des Gewebes der Welt.[4]
Antlitz kein vice versa DU? Oder Spuren der Zeichnung
In den vergangenen drei Jahrzehnten trafen mich mehrmals Augen von Überlebenden der Schoa. Blicke, die Verbindungen schufen, die fragten, die stumm sprachen, Blicke, in denen Vergangenheit sich sammelte und Zukunft aufleuchtete; harte Blicke, gerade Blicke, einladende Blicke, geheimnishafte Blicke. Und jedes Mal hörte ich Geschichten mit, die diese Menschen, die den Massenmord überlebt hatten, schrieben und erzählten, in Gedichte fassten oder in Gemälde. Dass sie so oder so immer noch am Beten und vielleicht deshalb am Leben waren, wobei Beten Grund und Abgrund solcher Augenblicke andeutete, hielt über weite Strecken das eigene Beten und Leben in Gang, gebrochen, stolpernd, ohne den Kitt und Panzer harter Theorien, Theologien, Ideologien.[5]
*
"Zwar weist E. Levinas immer wieder darauf hin, daß das Angesicht die Spur des Anderen ist. Somit scheint die Kategorie der Spur diejenige der Epiphanie zugleich zu korrigieren und zu ergänzen. Vielleicht muß der Philosoph als Philosoph zugeben, daß er nicht weiß und nicht sagen kann, ob dieses Andere, als Quelle der Aufforderung, ein Anderer ist, dem ich ins Angesicht sehen oder der mich anstarren kann, oder meine Ahnen, von denen es keinerlei Vorstellung gibt, sosehr konstituiert mich meine Schuld ihnen gegenüber, oder Gott - der lebendige Gott, der abwesende Gott - oder eine Leerstelle. Bei dieser Aporie des Anderen bleibt der philosophische Diskurs stehen."(Ricoeur p426)
Dieser Gedanke geht konträr zur These Martin Bubers: „Ich werde am Du“!
Wieso sollte das Antlitz nicht die Spur des Anderen sein? Hat das nicht etwa mit Authentizität zu tun?
Fähigkeit, Scheitern zu akzeptieren und Neues zu versuchen
Einmal fuhren die Mutter und ich mit einem Boot … Vom Wunsch, gemeinsam unterzugehen und gemeinsam zu ertrinken und alle anderen allein zurückzulassen. (Für meine Mutter, sie starb vor einem Jahr. Josef Winkler)
Bleistifte und Füllfedern usw. sollte es geben, die schreiben nur bei einer gewissen Langsamkeit. (Peter Handke)
Der Mensch ist ein Gottesbeweis aber wahrscheinlich hat das Christentum noch gar nicht begonnen. Im Grunde interessieren mich als Autor nur zwei Themen: die Liebe und die Religion. Für beide Themen ist im innerdeutschen Katholizismus kein Platz. (Heinrich Böll)
Vertrauen in dunkelsten Zeiten
Der Theologe Fulbert Steffensky (Ehemann von Dorothee Sölle) hat in der Zeitschrift „Zeitzeichen“ die Anziehungskraft des Böll’schen Werks für seine Generation näher so gekennzeichnet: Es habe für sie nicht viele „Väter, Dichter, Theologen und Lehrerinnen“ gegeben, denen man vertrauen wollte. „Die Alten standen unter dem Generalverdacht, in der finsteren Zeit geschwiegen, zugeschaut oder mitgemacht zu haben. Nach der Zeit des Verrats kam die Zeit des Verschweigens. Der Wohlstand wuchs, die Städte wurden aufgebaut, die Institutionen machten weiter, als sei nichts geschehen. Dann lasen wir Heinrich Böll. Er war in der Nazizeit und im Krieg kein Mensch des Widerstands, aber danach einer, der die Mauern der unerlaubten Selbstverständlichkeiten durchbrach. So verschlungen wir seine Bücher.“[6]
Es gibt zu Böll in diesem LeidKontext viel zu sagen. Ich wähle indes einen kurzen Text des Autors aus – anhand dessen man Verwandlung von Leid erkennen kann.
Zum Beispiel die zwei jungen Menschen in dem erst nach seinem (Bölls) Tod veröffentlichten Roman „Der Engel schwieg“. Er ist Kriegsheimkehrer, sie hat gerade ihr neugeborenes Kind begraben müssen. Beide begegnen sich in einem Krankenhaus. Sie bleiben zusammen, ohne dass sie wirklich wissen, warum. Doch nach ein paar Wochen kommt es zu einer zeichenhaften Begegnung der Liebenden.
„Komm, sagte er leise und hob sein Glas, du bist jetzt meine Frau, willst Du es sein? Ja sagte sie ernst, ich will es. Ich werde dich nicht verlassen, solange ich lebe.“ Der Kriegsheimkehrer erklärt der Frau, dass er ihr Messwein eingeschenkt hat. Sie erschrickt. „Keine Angst, sagte er und legte seine Hand einen Augenblick auf ihren Arm. Es ist Wein, nur Wein. Glaubst du denn daran? – Ja, ja, sagte sie, ich glaube daran, Du nicht? – Doch, … ich hatte auch Angst, jetzt nicht mehr.“ In dieser Szene ereignet sich eine tiefere Wirklichkeit. Kuschel: „Gottes Präsenz mitten im Alltag der Welt, Gottes Zuwendung zu Menschen, wo und wie auch immer sie leben. Ein amtskirchlicher Sakramentsverwalter ist dafür unnötig.“[7]
Die Hoffnung ist ein Fake?
Aber hier geht es doch darum, mit Wissen Hoffnung zu verlieren – etwa nicht?
Asana: Meine Kriegerin in Hatha Yoga: vermittelt Kraft – Stärke - Mut – vermittelt sie?
„In der Vergangenheit ist nichts unwiederbringlich verloren. Im Gegenteil, hier ist alles unverlierbar geborgen.“ (Viktor Frankl)
Diese Frage stellte ich in einem Blog[8]:
„Manchmal ist dies ein Glück - das fortdauert in der Erinnerung. Für Viele jedoch wäre ein Nichterinnern müssen eine Befreiung... - wie geben Menschen Leid in der Erinnerung Platz?“
Folgende Antworten:
- „Eine wichtige Frage, manche Erinnerungen wiegen tatsächlich sehr schwer. Frankl, welcher ja selbst unsägliches Leid erfuhr, sagt, das unabänderliches Leid, in Würde und Tapferkeit getragen, zu einer menschlichen Leistung wird, welche für immer unauslöschlich bleibt. Immer wieder gelingt es Menschen, durch erfahrenes Leid über sich selbst hinauszuwachsen und die leidvolle Erfahrung zu transformieren. Sowie Frankl seine Erfahrungen in den Konzentrationslagern im Nachhinein (und schon in der Situation selbst) "nutzte", um anderen Menschen helfen zu können. So ist es selbst in leidvollen Erfahrungen noch möglich, Sinn zu stiften.“
Tumor der Erinnerung?
Beckett: „Was bleibt, wenn die Schreie enden?"
- „Das ist eine wichtige Frage. Ich habe zehn Jahre als Psychotherapeutin in einer psychosomatischen Klinik gearbeitet. Viele Patienten waren schwer traumatisiert. Meine Erfahrung in dieser Zeit war, dass Menschen unglaublich resilient sind und es nach dem Fokus auf die Ressourcen zuallererst einen Raum der Würdigung und Wertschätzung für das erlittene Leid braucht. Die Anteile in uns, die das Leid erlebt haben, wollen gesehen und gehört werden, einen Platz bekommen. Und dann kann man gemeinsam schauen, wie der Schmerz und die schweren Erinnerungen einen neuen Platz bekommen können. Wie sie losgelassen werden können. Unser Unbewusstes hat fantastische Fähigkeiten, uns dabei zu unterstützen. Aber ohne die Würdigung des Schmerzes und der Verletzung in einem geschützten Raum ist es aus meiner Erfahrung nicht möglich.
Was mir selbst hilft: Das therapeutische Schreiben. Sich die Dinge von der Seele schreiben. Die inneren Anteile beim Schreiben zu Wort kommen lassen. Und die eigene Geschichte neu schreiben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das ein sehr heilsamer Prozess ist. Und schreibe selbst täglich.“
- „Was mir zusätzlich noch dazu einfällt, ist das ermutigende Menschenbild der Logotherapie: laut Frankl HABEN wir Körper und Psyche, SIND aber geistige Person. Die Person, die wir sind, kann nicht erkranken und bleibt immer heil, auch wenn unser Körper, oder unsere Psyche verletzt/ krank sind. Deshalb SIND wir z.B. auch nicht unsere Depression, oder unsere traumatische Erfahrung, wir HABEN diese nur und können lernen damit umzugehen.“
(soweit die Antworten der Teilnehmenden Frauen)
- Alles wird gut?: Zur Dialektik der Hoffnung
Das 26. Philosophikum Lech stand dieses Jahr in Lech am Arlberg im Zentrum dieses Themas. Was dürfen wir hoffen? Immanuel Kants berühmte Frage müsste heute umformuliert werden: Dürfen wir überhaupt noch hoffen? Hoffnung war immer schon ein zweischneidiges Schwert. Hoffnung ist das, was bleibt, wenn nichts mehr getan werden kann. Hoffnung ist das Eingeständnis eines Scheiterns, das nur noch auf das Unverfügbare setzen kann, auf ein Wunder.[9]
Manchmal hofft man aber auf etwas, was nicht zu benennen ist – eine Lösung muss her. Eine Lösung ist kein Wunder oder nimm der Ohnmacht ihre Macht.
Die Auguren waren im antiken Rom vom Staat damit betraut, am Vogelflug den Willen der Götter abzulesen.
Hoffnung ist aber auch, was uns in finsteren Zeiten aufrecht hält und an eine Zukunft glauben lässt. Wie begründet unsere Hoffnungen sind oder ob sie uns in die Irre leiten und zu einem falschen, getrübten Blick auf die Welt führen, ist deshalb Gegenstand heftiger Debatten. Alles wird gut. Ob dieser Satz seine Berechtigung hat oder ironisch verstanden werden muss? [10] –
Der letzte Text den Beethoven vertont hat, lautet: „Wir irren allesamt, nur jeder irret anders.“ (Albrecht von Haller, Mediziner)[11]
Was soll da noch Schlimmes kommen? Ist das unsere Hoffnung? Das ist eher Zuversicht. Wir leben in einer Zeit der Auflösung vieler Gewissheiten, die Rahmenbedingungen unserer Existenz verschoben. Erkennbar. Konzepte sind auf die Probe gestellt. Lebensmuster fallen „aus dem Rahmen“. Und wie lässt sich individuelles Handeln mit Normen vereinbaren? Denn zeugen nicht die Öl- und Kohlereserven, die unseren Energiebedarf bis heute gespeist, zeugen diese nicht von ungeheuren Katastrophen, die irgendwann einmal stattgefunden, unsere Sprache per definitionem postapokalyptisch prägen? Was soll da noch Schlimmes kommen? Haben wir doch alle Katastrophen gleichzeitig – Pandemie – Die vollständige Kontrolle unseres Denkens – Globale Erhitzung, mit Tigermücke, nicht Erwärmung, – Inflation – Krieg – last not least. Dann gibt es je nachdem Hauptkatastrophen, beruhend auf falscher Sicht von Covid-Skeptikern, die auf Manipulation der Mächtigen pochen zwecks sozialer Kontrolle, gegen Wissenschaft, verstärkend aber wirtschaftliche Ausbeutung. Wie das sich auf den Einzelnen auswirkt, das Leid ist hier nicht zu benennen.
Mein Vater erzählte, dass es pro-forma Ehen gab, mit Soldaten an der Front, damit gab es einen Kohleschein mehr…
- Wachen und beten sind möglich
„Jeder, der einem andern hilft,
ist Gethsemane,
jeder, der einen andern tröstet,
ist Christi Mund.“ (Jürgen Moltmann)
Daß Menschen leiden und untröstlich sein können, ist hier angenommen. Wir sollten uns den Traum von einem Menschen, der keinen Trost braucht, verbieten. … Trost brauchen und trösten ist menschlich, so menschlich, wie Christus war. (Dorothee Sölle)[12]
Das Leiden muss Sprache finden und benannt werden, und zwar nicht nur stellvertretend für viele, sondern in persona von den Leidenden selber. Es ist notwendig, daß Menschen zum Sprechen kommen, um nicht vom Unglück zerstört oder von der Apathie verschluckt zu werden.
Eine der traditionellen Möglichkeiten der Selbstformulierung ist heute wie verschüttet: das Gebet. Die Fähigkeit, in einen Dialog mit sich selber einzutreten, erscheint immer mehr Menschen als sinnlos und überflüssig.[13]
Katastrophe versus Apokalypse
Klagen heißt nicht Jammern. Wer klagt, reißt den Horizont auf. Klagen als Gebetsform.
1 Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
2 Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der HERR hat Großes an ihnen getan!
3 Der HERR hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
4 HERR, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
5 Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
6 Sie gehen hin und weinen
und streuen ihren Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben. (Psalm 126)
Günther Anders[14]
Die evangelische Theologin Dorothee Sölle (deren Todestag sich nun im April zum 20. Mal jährt) zitiert Franz Kafka:
Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke. Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern. (Franz Kafka)
Das Leiden oder das Unvereinbare
Kognitive Verzerrungen sind systematische Fehler im Denken und Wahrnehmen, die dazu führen können, dass unsere Urteile und Entscheidungen ungenau oder irrational sind.
Es gibt das Leiden wie ein Überguss. Wir sind Leid(en). Aber viel mehr das fragmentarische Leiden, das uns die die Späne ins Fleisch pfählt. Auch das Tell Leiden – alles überragend.
Als ich die Etymologie nachschlug – wurde ich gefragt: Leiden oder Lieben? Eigentlich wollte ich eine Antwort und keine Frage…Nämlich eine Antwort auf das Lieben ohne Leiden – Gibt es aber nicht, noch nicht – aber: wir arbeiten daran.
Und die Hoffnung? Oder doch bloße Zuversicht?
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach (seinem) Vorsatz berufen sind. (Eph 1,11; Phil 1,19; 2Tim 1,9)
VERWANDLUNG VON LEID
Literatur: Nacht des Herzens
Joseph Grobens Studie versucht, den Verlust eines Kindes an einer Reihe von Einzelschicksalen darzustellen.
Dieses Buch gibt auf eine etwas andere Art Einblick in das private Leben berühmter Persönlichkeiten. Es zeigt sie als verwaiste Eltern. Zum Beispiel Marcus Tullius Cicero, der seine Tochter Tullia im Jahre 45 v. Chr. verlor und ihr einen Tempel errichten wollte, dessen Bau vereitelt wurde; der Tod seiner Tochter bedeutete auch eine Krise im Denken Ciceros. Nie war er philosophisch so produktiv wie in den Monaten nach Tullias Tod. Die lateinische Literatur verdankt dieser "Trauerarbeit" einige ihrer besten Texte, inhaltlich wie stilistisch.
Plutarch und Timoxena hingegen relativieren den Verlust der gleichnamigen Tochter, da das Kind jetzt in einem schmerzlosen Zustand weile und nicht entbehre, was es weder gekannt noch besessen habe und weiter: der Kindertod, eine Gnade für die unsterbliche Seele - wer lange lebt, verwickelt sich in "irdische Leidenschaften und Zufälle", das Leben "entfremdet die Seele der Erinnerung an die jenseitigen Dinge ...". Bezeichnend für den hochgebildeten und toleranten Philosophen Plutarch ist auch, dass er Dionysos mit der ägyptischen Gottheit Osiris und mit dem Gott der Juden identifiziert und den gemeinsamen Jenseitsglauben unterstreicht. Stefan Andres, der den Verlust seiner siebenjährigen Tochter Mechthild in einem Gedichtzyklus und einem Roman betrauerte. Arthur Schnitzler und die ohnmächtige Trauer, nachdem seine Tochter in Venedig Selbstmord begeht: "Fort ist sie - mit ihren achtzehn Jahren aus der Welt - dieses himmlische einzige Wesen - nie, nie mehr kommt sie wieder - und aus dieser Tiefe der Verzweiflung gibt es kein hinauf." Schriftsteller wie Dostojewski, Eichendorff, Goethe, Hugo, Else Lasker-Schüler und Storm stehen neben Musikern wie Berlioz, Haydn, Dvorák, Mahler, Schumann, neben Wissenschaftern, Philosophen, Herrschern. Ihre Reaktion reicht von heftiger Revolte - Freud spricht nach dem Tod seiner Tochter Sophie von der "Ungeheuerlichkeit, dass Kinder vor den Eltern sterben, ... man wird ungetröstet bleiben, nie einen Ersatz finden, ... es ist die einzige Art, die Liebe fortzusetzen". Über den eigenen Tod - Hofmannsthal starb während der Beerdigung seines Sohnes Franz, welcher sich das Leben nahm - bis zu demütiger Unterwerfung unter das Schicksal: Ludwig XIV. nahm den jähen Tod seiner drei Thronfolger als verdiente Strafe Gottes hin. Nur Fjodor Dostojewski entwickelt in seinem Roman Die Brüder Karamasow Hoffnung: "Sagt nicht in Wahrheit unsere Religion, dass wir von den Toten auferstehen und wieder leben und einander alle wiedersehen...?" Der Weg aus der Trauer führt durch die Trauer. Einen Ausweg aus dem Unfassbaren mündete bei vielen schöpferischen Menschen in kathartischen Leistungen: Friedrich Rückert schrieb 446 "Kindertotenlieder", Käthe Kollwitz schuf ihr Hauptwerk Die trauernden Eltern. Guiseppe Verdi schrieb tragische Meisterwerke wie La Traviata, Nabucco oder Aida. Jeder Verlust hat sein eigenes Profil. Die trauernden Betroffenen kommen in Werken wie Gedichten, Briefen und Musikstücken selbst "zu Wort".[15]
Conclusio
Das Leiden ist eine Schneekugel
Nun komme ich zurück auf die anfangs gestellte Frage, ob Fasten noch zeitgemäß sei. Ich lasse dazu einen Lehrer der Islamischen Theologie[16] zu Wort kommen und zwar deshalb, weil dies genauso an den beiden Fakultäten unserer Religion gelehrt wurde. Mehr noch: „Wen Gott liebt, den züchtigt er.“
WAS DU KAPUTT MACHST, MUSST DU HEILEN!
Beim Leiden muss sich der Heilprozess in uns vollziehen -
Besagter o.g. Lehrer: „Gott hat nichts davon, wenn Menschen leiden. Dennoch ist Leiden stark mit Demut, Bescheidenheit, Geduld, aber auch Hoffnung und Willenskraft verbunden. Leiden erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens, aber zugleich an die Schöpferkraft in uns, mit der man das eigene Leben in Hand nehmen und verändern kann. Leiden darf aber nicht pauschal als Weg zum Heil glorifiziert werden. Das Aufwerten vom Leiden hilft vor allem Betroffenen, die in der Rede vom Leid als Weg zu Gottesnähe etwas Trost finden könnten. Die Gerechtigkeit Gottes wird dafür sorgen, so der muslimische Glaube, dass uns jede Form des Leidens wiedergutgemacht wird, spätestens im Jenseits, am Tage des Gerichts. Dieser Glaube erleichtert Menschen in schwierigen Situationen, diese erst einmal zu akzeptieren, aber auch, darauf zu hoffen, dass es irgendwo irgendwann einen Ausweg geben wird. Dass man, während man fastet, die Gewissheit hat, bald kommt der Sonnenuntergang, bald darf ich wieder essen und trinken, dieser tröstende Gedanke ist es, der es ermöglicht, dass Fastende verborgene Kräfte in sich zur Entfaltung bringen, denn Hoffnung spendet Überlebenskraft.“
In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Joh. 16, 33
Mit Sophokles’ Antigone hat sich Heidegger mehrmals befaßt. Er hat mindestens zwei Mal den Versuch gemacht, die Antigone-Tragödie auszulegen; eine Auslegung dieser Tragödie im Ganzen hat er nie gegeben, soweit dies uns bekannt ist. Der erste Versuch fällt in den Sommer 1935, der zweite in den Sommer 1942. Die Auswahl des Auszulegenden scheint führ beide Versuche schon im Jahre 1935 getroffen zu sein. An dieser Auswahl hält auch die Antigone-Auslegung fest, die Heidegger sieben Jahre später vortrug. Auszulegen waren vier „tragende und ragende“ Worte, welche aus dem ersten Stasimon der Antigone hervorgehoben wurden.[17]
Auch Hölderlin übersetzte Sophokles aus dem Griechischen.
Sophokles, Antigone, 2. Akt, VV 332-383.
Es gibt viel Ungeheuerliches, doch nichts
Ist ungeheuerlicher als der Mensch.
Er jagt im winterlichen Sturm
Über das graue Meer und gelangt
Von Brechern umtost, ans Ziel.
Er quält die erhabenste der Göttinnen,
die unerschöpflich-unermüdliche Erde
Jahraus, jahrein mit wirbelndem Pflug
Und ackert auf ihr mit seinen Rossen hin und her.
Über Scharen leichtsinniger Vögel
Wirft er seine Schlingen aus, fängt
Alle möglichen wilden Tiere und Meeresgetier
Im Maschenwerk seiner Netze.
Mit List besiegt der einfallreiche Mensch
Das schweifende Wild in den Bergen,
Zwingt das Pferd mit der Mähne im Nacken
Und den unbändigen Stier
Und das doppelte Joch.
Er lernte das Sprechen, das hauchfreie Denken
Und das Zusammenleben nach Gesetzen.
Es gelang ihm, der mit allem fertig wurde,
Die Unbilden des Wetters zu meiden,
den eisig-klaren Frost und den prasselnden regen.
Keiner Sache, die auf ihn zukommt,
Begegnet er unvorbereitet,
Nur dem Tod entrinnt er nicht,
Wenn er sich auch Mittel
Gegen Krankheit und Not ersann.
Klug und geschickt,
Unverhofft der Dinge Herr,
Beschreitet er bald den Weg zum Schlechten,
Bald zu Guten.
Wer die Gesetze seines Landes hochhält,
Sowie das gottgeheiligte Recht,
Ist ein Segen für die Gemeinde,
Ein Fluch, wer zum Bösen neigt und frevelt.
Er soll nicht an meinem Herd sitzen
Und mir nicht gleichgesinnt sein,
Der solches tut.
(Übersetzung E. Sandvoss)
Grundkurs Phil. Anthropologie, Schelkshorn, TB 1[18]
Grace
Leiden ist auch, sich etwas vorzumachen. Das heißt bewusst oder unbewusst. Oder beides zusammen, teils teils. Leiden, ohne an etwas leiden zu wollen, ausblenden. Etwas, das sich ausblenden ließe. Anderes lässt sich nicht ausblenden. Ausblenden ist nicht, sich etwas vorzumachen. Beim Ausblenden hat man das Ausmaß erkannt. Beim sich Vormachen anderer Tatsachen jongliert man noch zwischen Anzeichen und Leidenskriterien, versucht das Leiden im Keim zu ersticken, so es sich ließe, ventiliert, wägt ab, beobachtet und ist damit befasst, ständig umzuschichten; was an sich schon ein Leidensprozess darstellen kann, nicht aber das Leiden erfasst, umfasst, das eigene Leiden, das Leiden des anderen oder das Leiden am Leiden des Anderen. Also macht man sich vor, dass es gar kein Ausmaß eines Leidens erreicht, steckt Gefilde ab, sichert sich ab, mit Unterschriften und versucht das Leiden so zu minimieren, dass es verhandelbar wäre. Das Köcheln bezieht sich in dem Fall wohl eher auf Augenmerk. Nicht aus den Augen verlieren, aber nicht ignorieren. Und keine Angst. Vor allem. Keine Angst. Keine Panik. Keine Phobien und keine Trigger. Klammheimlich und schleichend verändert sich der Alltag. Man wächst mit den Aufgaben, sagen die Alten. Du hast gelernt, kein Mitleid, sondern Mitgefühl. Unvereinbar und kein Feilschen. Kein Feilschen mit Leidensdruck, mit Schmerz.
Weil das Leiden die Ressourcen Zeit und Raum gefordert hat.
Einmal gelitten würde doch reichen, wieviel schafft eine Seele, an Leid zu verarbeiten? Leid lässt sich vielleicht minimal kompensieren.
Das Wort, dass später alles besser würde, war ein Wort in Gottes Ohr. Die Situation des Leidens multiplizierte sich insofern. Das Leiden wurde somit zu einem Prozess von Leiden. Wobei das Empfinden von Leid sich ähnelte. Die verschiedenen Ebenen der ethischen und praktischen Zusammenhänge geben einen Mix mit jeweiligen Anteilen. Es zeichnet dich. Es zeichnet dein Leben. Es zeichnet deine Sprache. Es zeichnet deine Fragen. Und Antworten. Und deine Endlichkeit.
„Ich lege die Hand aufs Herz, wenn ich zwar weiß, was zu tun ist, aber zögere und nicht den Mut aufbringe, es zu tun …“ „Dann sagt mein Herz: Du tust mir weh. Achte auf dich – achte auf mich. Nimm dir Zeit, ich schenke sie dir in Fülle. Und gönne dir den nötigen Schlaf. Ich wache für dich. Beherzige das Wort aus dem Lied der Lieder (Hoheslied 5,2): „Ich schlief, doch mein Herz war wach.“[19]
„Hope“ lautete Obamas Wahlkampfslogan einmal. Was Obama seiner Tochter Malia auf „Der Kampf ums Klima sei gescheitert“ sagte: „Ja, vielleicht schaffen wir diese Marke nicht. Aber für Millionen mache es einen Unterschied, ob wir bei 2,5 oder 3,5 Grad landen.“
Zitat von Jan-Heiner Tück: Die Auferstehung des Gekreuzigten aber reißt einen Horizont der Hoffnung auf, der quersteht zu resignativen oder apokalyptisch gefärbten Einstellungen. Unsere Biografien werden nicht im Ozean des Nichts untergehen. Wir werden auf der anderen Seite des Todes erwartet, so die österliche Hoffnung. Christus, der „Anführer des Lebens“ (Apg 3,15), ist uns vorausgegangen. Das himmlische Hochzeitsmahl ist eine sprechende Metapher für die unbeschreibliche Fülle des Lebens, das vor uns liegt. Diesen Übergang vom Tod zum Leben feiern Christinnen und Christen, wenn sie an Karfreitag und Ostern des Todes und der Auferstehung Jesu Christi gedenken.[20]
Zitat von Dietrich Bonhoeffer: Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Künste der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind durch Erfahrung mißtrauisch gegen die Menschen geworden und mußten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig bleiben, wir sind durch unerträgliche Konflikte mürbe oder vielleicht sogar zynisch geworden – sind wir noch brauchbar?
Nicht Genies, nicht Zyniker, nicht Menschenverächter, nicht raffinierte Taktiker, sondern schlichte, einfache, gerade Menschen werden wir brauchen. Wird unsere innere Widerstandskraft gegen das uns Aufgezwungene stark genug und unsere Aufrichtigkeit gegen uns selbst schonungslos genug geblieben sein, daß wir den Weg zur Schlichtheit und Geradheit wiederfinden?[21]
Fazit
Was soll Philomela tun? Die Flucht versperren ihr Wächter; steinern und fest stehn die Mauern des Hofes; stumm versagt der Mund ohne Zunge die Kunde der Tat. Ideen gibt Schmerz und Not macht erfinderisch. Klug spannt die Kettfäden sie im Baum des fremden Stuhls, der webt, und fügt in das weiße Fadennetz purpurne Zeichen, die erzählen, was ihr widerfuhr. Das fertige Werk händigt einer Dritten sie aus und bittet gebärdenreich, es der Herrin zu bringen. Die Botin trug es zu Procne und wusste nicht, was sie ihr übergab. (Ovid, Metamorphosen, Buch 6, 572-580)
Kintsugi: Wie uns Bruchstellen im Leben stark machen (können)…
Wenn Zerbrochenem neues Leben eingehaucht wird: Kintsugi ist eine von langer Tradition geprägte japanische Methode, zerbrochene Keramik zu reparieren. Das Besondere: Kintsugi versucht nicht, die augenscheinlichen Makel der Reparatur zu verbergen, vielmehr stellt es diese durch die Verwendung von Gold- oder Silberpigmenten im Lack in den Vordergrund – und schafft so eine völlig neue Schönheit und Wertschätzung des ursprünglichen Objekts.[22]
Bibliographie
Brantschen, Niklaus: Gottlos beten. Eine spirituelle Wegsuche. Patmos. Ostfildern. 2021.
Frankl, Viktor E.: … trotzdem Ja zum Leben sagen. Deutscher Taschenbuchverlag. München. 2004.
Frankl, Viktor E.: Bergerlebnis und Sinnerfahrung. Tyrolia. Innsbruck. 1993.
Frankl, Viktor E.: Psychotherapie für den Alltag. Kreuz Verlag. Freiburg i. Br. 2015.
Groben, Joseph: Requiem für ein Kind. Trauer und Trost berühmter Eltern. Dittrich. Köln. 2002.
Guardini, Romano: Vom Sinn der Schwermut. Grünewald Verlag. Mainz. 19997.
Guardini, Romano: Das Gebet des Herrn. Grünewald Verlag. Mainz. 19987. (1. Auflage 1932)
Herrigel, Eugen: Zen in der Kunst des Bogenschießens. Barth Verlag. 1999.
Schulz, Michael: Karl Rahner begegnen. St. Ulrich Verlag. Augsburg. 1999.
Sölle, Dorothee: Leiden. Herder. Stuttgart. 19846. P 97; 111-217.
Treitler, Wolfgang: Jesus, Josefs Sohn. Brill. 2023.
[1] https://www.sn.at/kultur/allgemein/ausrutscher-und-ehekrieg-anna-karenina-in-der-josefstadt-126470539 Abruf April 2023
[2] Vgl. Merleau-Ponty 1974, S. 157 und Merleau-Ponty 2004, S. 175.
[3] Vgl. Merleau-Ponty 1974, S. 99.
[4] Aus einer Betrachtung von Kollegin Petra Pirklhuber, unveröffentlicht. (Gedankentausch zur Hermeneutik des Fleisches)
[5] Treitler, Wolfgang: Jesus, Josefs Sohn. Vorwort.
[6] Springer, Jürgen: 100 Jahre Heinrich Böll. Wider den Halbschlaf. In: Christ der Gegenwart. 51/ 2017.
[7] Ebd.
[8] LinkedIn: leider nicht mehr zugänglich.
[9] Die Presse: Werbeschaltung. Samstag, 1. April 2023. P4.
[10] Ebd.
[11] Die Presse: Feuilleton. Freitag, 24 März 2023. P29.
[12] Sölle, Dorothee: Leiden. Verlag Herder. Freiburg i. Br. 1995. P 217
[13] Ebd. P 97
[14] Ausführungen, Bezug nehmend auf Slavoj Žižek: „Was soll da noch Schlimmeres kommen?“ Die Presse, Spectrum. Samstag, 15. April 2023. P I.
[15] Selbstzitat: Rezension von Mechthild Podzeit-Lütjen: Joseph Groben, Requiem für ein Kind. Trauer und Trost berühmter Eltern. EURO 25,70/413 Seiten. Dittrich, Köln 2002. In: DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.11.2002.
[16] Mouhanad Khorchide. Leiter des Zentrums für Islamische Theologie. Universität Münster. Furche 13. 30. März 2023. P11.
[17] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-476-02938-6_2 Abruf April 2023
[18] https://phktf.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/i_christl_philosophie/Schelkshorn/SCH_WS16_GK_Phil_Anthr_Textblaetter_Stand_18012017.pdf Abruf April 2023
[19] Brantschen, Niklaus: Gottlos beten. P126 + 127.
[20] Tück, Jan-Heiner: Die Presse, Debatte. Freitag, 7. Mai 2023. P26.
[21] Quelle: Widerstand und Ergebung, DBW 8, S. 38
[22] https://www.japandigest.de/kulturerbe/geschichte/kunsthandwerk/kintsugi/