Auszug aus dem Aufsatz "Wer war Alice Gerstel?" unseres Vereinsmitgliedes Mechthild Podzeit-Lütjen

Geschrieben von Super User on . Posted in Beiträge/Kommentare Archiv

Der ganze Aufsatz ist erschienen in der Zeitschrift Dialog - Du Siach 125, OKTOBER 2021, Seiten 20 - 27 
www.christenundjuden.org

Leben
Rühle-Gerstel, deutschsprachige Schriftstellerin, wurde 1894 in Prag geboren. Sie wird in jüdischer Tradition erzogen, wird diese aber bald hinter sich lassen. Ihre Familie gehört zu den begüterten jüdischen Familien der Stadt, wie Werfels und zu Brod, Kisch, und Kafka findet sie bald Kontakt. Trotz oder auch wegen dieser Nähe zum Großbürgertum wird Alice Gerstel Kommunistin.

Im ersten Weltkrieg arbeitet Gerstel freiwillig als Krankenschwester in verschiedenen Lazaretten, wobei der Titel Krankenschwester damals sicher auch ohne Diplom durchging. Franz Werfel, Freund ihrer Freundin Gertrud Spirk, weist sie eindringlich darauf hin, sich von der übermächtigen, despotischen Familie zu lösen. Es mag ein Grund gewesen sein, dass sie einen 20 Jahre älteren Mann heiratet. Hinzu kommt allerdings, dass gleichaltrige Männer rar waren.(1)
Sie beginnt dann 1917 ein Studium in Literatur und Philosophie, studiert in ihrer Heimatstadt Prag und in München. In München am Institut für Zeitgeschichte liegt auch ihr Nachlass.(2) Während ihres Studiums lernt sie Alfred Adler aus gesundheitlichen Gründen kennen. Beginnt aber später eine Psychotherapie bei Leonard Seif und setzt mit Lehranalyse bei Erwin Wexberg fort. Nach dem Mädchenlyzeum besuchte sie ein Pensionat in Dresden, dann das Lyzeum und das deutsche Lehrerinnenseminar in Prag.
Im Ersten Weltkrieg leistete sie einen Einsatz als Krankenschwester.(3) So steht es im Stadtwikipedia von Dresden. Die jüdische Herkunft wird nicht erwähnt. Auch ist hier von Exil nicht die Rede:
1936 erfolgte die Berufung nach Mexiko als Übersetzerin in ein Regierungsbüro. Danach fand sie Arbeit als Handelsjournalistin.
Vorher aber: Sie schloss Freundschaft mit Milena Jesenská, sie zog 1932 nach Prag. Und mit Grete Fantl habe sie die marxistisch-individualpsychologische Arbeitsgemeinschaft Dresden gegründet. So heißt es dort. Und Gerstel studierte 1917 bis 1921 in Prag und München Literaturwissenschaft und Philosophie. 1921 promovierte sie über Schlegel, heißt es dort. Dass Gerstel auch über Chamfort, Nicolas (*6. April 1741 in Clermont, Auvergne) promovierte, wird nicht einmal erwähnt. Chamfort war ein französischer Schriftsteller in der Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution. Er starb an den Folgen eines Suizidversuches am 13. April 1794, als er in Paris von erneuter Verhaftung bedroht war.(4)
Alice Rühle-Gerstel war Individualpsychologin der Schule Alfred Adler, Verlegerin von sozialpädagogischen Schriften, Journalistin, Übersetzerin, Schriftstellerin und Autorin des frühen antistalinistischen Frauenromans ‚Der Umbruch oder Hanna und die Freiheit‘. Sie war Feministin, eine assimilierte Prager deutsche Jüdin, eine Altösterreicherin. Das ‚Jüdische‘ wurde ihr erst im Zuge der NS-Verfolgung bewusst.

Marta Marková legt mit dieser zeitgeschichtlichen Doku-Biographie über Alice Rühle-Gerstel eine kulturpolitische Arbeit über die versunkene Welt der internationalen linken intellektuellen Szene vor.(5) Marta Marková wurden die Rechte von Kalmar übertragen, als er an Krebs erkrankte. Hinsichtlich ihrer Arbeit über Jesenská war seine Wahl bezüglich weiterer Arbeit zu Rühle-Gerstel für ihn ausschlaggebend.

Anmerkungen:
1
Die Sympathie zu Otto entstand über dessen Handschrift. Alice R.-G. hatte einen Traum als Botschaft, wo sie von einem Schriftbild träumte, dessen Schreiber sie lieben würde. Ihr griech. Verlobter starb bei einem Reitunfall; sie wollte von ihm keine Schriftstücke; erst bei der Beerdigung bekam sie einen Umschlag und erkannte, dass sie diesen Mann nicht geliebt hatte. Bei einer Freundin lag ein Schriftstück von Otto Rühle auf dem Tisch. Sie bat, ihn ihr bekannt zu machen. Auch er hatte sich mit Grafologie auseinander gesetzt.
2 Nachlass Alice Rühle-Gerstel, Institut für Zeitgeschichte, München, Bestand: ED 227
3 http://www.stadtwikidd. de/wiki/Alice_R%C3%BChle-Gerstel Abruf Februar 2019.
4 https://de.wikipedia. org/wiki/Nicolas_Chamfort Abruf Februar 2019, Volker Harry Altwasser schrieb über Nicolas Chamfort den Roman „Glückliches Sterben“ mit dem Untertitel „Volker Harry Altwassers Roman über Bruno Franks Bericht, in dem Chamfort seinen Tod erzählt“. Quelle: https://www.dieterwunderlich.de/Nicolas-Chamfort.htm (c) Dieter Wunderlich. 2015.
5 https://www.nationalfonds.org/detailansicht/263.html Abfrage Februar 2019.