Frauen im Widerstand - Frauen hinter den Widerstandskämpfern

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Mechthild Podzeit-Lütjen, Vereinsmitglied

"Das schönste Fremde ist bei dir": zum 20. Juli: Frauen hinter den Widerstandskämpfern


Der Titel "Das schönste Fremde ist bei dir" ist geliehen bei Schriftsteller Alfred Kolleritsch, der seit gestern zu den Vorangegangenen zählt.

In diesen Tagen der Pandemie eines Virus, die für die Welt eine Krise bedeuten, für die Menschen mit dem Ausnahmezustand zurecht zu kommen, zu Rande zu kommen, zu leben, wie ein lockdown mit restriktiven Auflagen es eben zulässt. Dazu seien Kinder und Alte und Gebrechliche eigens genannt.

In diesen Tagen wird im möglichen Rahmen der Maßnahmen 75 Jahre Kriegsende gedacht und der Shoah.

Da fällt der Blick an der Bücherwand auf das Buch, das längst rezipiert wohl, dennoch in vielen Aussagen herangezogen, Maßstäbe relativieren könnte. Insofern, als bewusst, wie es vorangegangene Menschen in Krisenzeiten geschafft haben. Nämlich auch um ihrer Gewissen willen.

Das Buch, ein Porträt von Nina von Stauffenberg, geborene Freiin von Lerchenfeld. Die Ehefrau des am 21. Juli 1944 hingerichteten Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg. „Ich habe eine schlimme Nachricht für euch“, sagt eine Mutter zu ihren vier Kindern und eröffnet ihnen, dass ihr Vater in der vorangegangenen Nacht erschossen wurde. Sie ist schwanger mit ihrer Tochter Konstanze.

Sie wird in die Gestapo-Zentrale Berlin, Prinz-Albrecht-Straße in Sippenhaft genommen, ins KZ Ravensbrück überstellt.

S. 178: "Meiner Mutter waren spätestens in Ravensbrück die Augen aufgegangen, was ein KZ bedeutete, dass Schikanen und Folterungen für die Inhaftierten an der Tagesordnung waren und ein Menschenleben nichts galt. Dennoch, das Ausmaß dessen, was wirklich geschehen war, überstieg jede Vorstellungskraft. Erst jetzt wurde ihr die ganze Tragweite der menschenverachtenden Politik Hitlers bewusst."

Zu erwähnen ist, dass Claus Stauffenberg Katholik war und Nina Protestantin. Sie konvertierte nie, erzog ihre Kinder aber im katholischen Glauben ihres Mannes (S. 187).

Nina war früh in die Vorbehalte ihres Mannes gegen Hitler und seine Pläne eingeweiht, wusste, dass sein Leben und das ihrer Familie gefährdet war und hat ihn dennoch bedingungslos unterstützt. Abgesprochen mit ihm war, wie sie sich darstellen sollte: als unwissende Hausfrau zwischen Kindern und Windeln. Dieser Grundsatz konnte sie schützen, konnte von der Wahrheit aber nicht entfernter sein.

Eine über die Generationen hinüber gerettete Perlenkette, ursprünglich einer Hofdame von Zarin und Kaiserin, Katharina I. geschenkt, wurde von Nina gehütet, "denn die begleitende Legende mit Wahrscheinlichkeitsgehalt faszinierte meine Mutter". Aufgrund der Machtansprüche des Thronfolgers des regierenden Zaren geriet dieser in Gefangenschaft und wurde enthauptet. Die Vorfahrin, Kammerfrau, bot an, den Kopf annähen zu dürfen, um so dem Volk eine unversehrte Leiche zu präsentieren. Loyal und pragmatisch habe Anna Iwanowna Cramer (*1694) diese bizarre Aufgabe ausgeführt. Als Lohn erhielt sie das mehrreihige Perlencollier mit Schloss in Brillanten gefasstem Smaragd.

S. 162: "Wegen der Bombenangriffe war auch in Trogen angeordnet worden, dass in den Häusern nachts kein Licht brennen durfte, wer gegen den Verdunklungsbefehl verstieß, wurde hart bestraft. So saß meine Mutter allabendlich im Stockfinsteren mit der Familie beisammen. Es ist kaum zu glauben, aber mit ihrem unverwüstlichen Optimismus versuchte sie, noch dieser Situation etwas Positives abzugewinnen und brachte der Familie den Kanon „oh, wie wohl ist mir am Abend“ bei. Von heute aus betrachtet, hat das eine seltsame Situationskomik, damals aber half es sicherlich, sich die Angst von der Seele zu singen."
S. 178: "Hungern mussten wir nicht, im Gegensatz zu vielen, die unter schrecklichen Entbehrungen in Lagern lebten und nichts besaßen, was sich auf dem Schwarzmarkt gegen Butter und Fleisch eintauschen ließ… Suppen mit Sägemehl gestreckt, kratziges Porridge, Fleisch von verendeten Pferden…"
S. 162: "…Aluminiumschüsseln mit, von denen ich mir gleich eine für meine Windelwäsche nahm. Zuvor gab es nur eine kleine Emailschüssel für alles! Salat, Füße, Windeln!"

Dieses Buch zeigt, welch ungewöhnliches Maß diese Frau vor und nach dem Attentat an innerer Stärke bewies.
S. 66: "Liebe, das bedeutete für sie auch Verzicht – ein Begriff, der heute seltsam unmodern, fast exotisch klingt. Doch sie benutzte das Wort nicht pathetisch und hatte auch nicht den Eindruck, sich zu opfern."

Das Leben ihrer Mutter aufgezeichnet hat Konstanze, ihre Tochter, die am 27. Januar 1945 in Haftzeit unter dramatischen Umständen geboren wurde.
Das Leben dieser Frauen wurde bis heute nicht anerkannt, vielleicht selten. Sie werden als ahnungslose Opfer gesehen, Historiker erwähnen Frauen der Widerstandskämpfer allenfalls am Rande, im öffentlichen Bewusstsein spielen sie kaum bis gar keine Rolle.

„Die Familie Stauffenberg wird ausgelöscht bis ins letzte Glied“, das hatte der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, am 3. August 1944 vor einer Versammlung von Gauleitern angekündigt.

Nina starb mit 92 Jahren – sie hat Claus 62 Jahre überlebt; ihren neunzigsten Geburtstag begeht sie mit 43 Nachkommen.

S. 214: "Doch im Nachhinein ahne ich, mit wie viel Härte gegen sich selbst diese Stärke erkauft war.
Hätte sie sonst kurz vor ihrem Tod behauptet, ihr Mann fehle ihr nicht mehr? 'Ich musste meinen Mann stehen, ich musste weiter und habe mich daran gewöhnt. Und jetzt bin ich alt und vermisse es gar nicht, dass nicht noch jemand dabei ist. Ich bin am liebsten allein.'
"Nein, sie war nicht 'noch einmal davongekommen', sie war geprägt und gezeichnet durch den 2. Juli 1944. Eine Einzelkämpferin gestattet sich keine schwachen Momente, eine Einzelkämpferin behauptet, dass es gar nicht wehtut …"

Das Gedicht, ein einziges, das Nina im KZ schrieb: 

Du bist bei mir,
Wenn auch Dein Leib verging,
Und immer ist’s, als ob
Dein Arm mich noch umfing.

Dein Auge strahlt mir zu
Im Wachen und im Traum.
Dein Mund neigt sich zu mir,
Dein Flüstern schwingt im Raum:

"Geliebtes Kind! Sei stark,
Sei Erbe mir!
Wo du auch immer bist,
Ich bin bei Dir!"

Keine der Witwen des 20. Juli hat je wieder geheiratet, was zweifellos für die tiefe Verbundenheit zu ihren Männern spricht. Auch nicht die Witwe Hermine, von Robert Bernardis, der Befehl „Walküre“ gab, und am 8. August 1944, in Plötzensee starb, gehängt mit einer Klaviersaite. Sie lebte zuletzt in Linz/A.


Zitate (S. 66, 162, 178, 214) sowie Gedicht (S. 43 und 215) aus: Schulthess, Konstanze: Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Ein Porträt. Pendo Verlag. München. 2009. 216 S.

Sekundärliteratur: Über Gedichte und Tat zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg https://www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publikationen/beitraege/vitzthum-09.pdf

Wien, Juni 2020