Frauen im Widerstand: Marlene Dietrich, oder die Mär von „Lili Marleen“

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Wenn von Frauen im Widerstand gegen Hitler die Rede ist, fällt den meisten zuerst Sophie Scholl und dann Marlene Dietrich ein.

„Sie war häufiger an der Front als General Eisenhower“, lästerte Regisseur Billy Wilder, in dessen Film „Zeugin der Anklage“ sie 1957 die Titelrolle spielte.

Die Mär, dass sie Widerstand gegen Hitler geleistet und geplant hätte, ihn zu verführen und dann zu ermorden, wurde durch die PR-Abteilung Hollywoods in Umlauf gebracht.

Wahr ist, dass Josef Goebbels als Reichspropagandaminister versuchte, sie - wie auch andere im Ausland tätige prominente deutsche Künstler - durch hohe Geldbeträge und attraktive Arbeitsangebote „heim ins Reich“ zu holen. Marlene Dietrich lehnte das jedoch strikt ab.

Marie Magdalena Dietrich kam 1901 in Berlin-Schöneberg in gutbürgerlichen Verhältnissen zur Welt. In ihrer Kindheit und Jugend erhielt sie eine musische Ausbildung und erlernte Englisch und Französisch. Das nützte ihr später in ihren Emigrationsheimaten sehr.
Dass sie wie Hedy Lamarr  eine Ausbildung an der renommierten Max Reinhardt-Schule absolvierte, ist ein Irrtum. Wohl erhielt sie ihre erste größere Rolle 1920 in dem von Reinhardt inszenierten Stück „Der Widerspenstigen Zähmung“.
Sehr früh schon prägte Marlene Dietrich mit ihren überweiten Hosen die Mode ihrer Zeit und inspirierte Frauen wie die US-amerikanische Schauspielerin Katherine Hepburn zu ihrem burschikosen Aussehen. Sie verkörperte die Generation der zu Selbständigkeit aufstrebender selbstbewusster junger Frauen aus gutem Hause und wurde schnell zu einer Ikone der Frauenbewegung.

Bereits 1930 emigrierte Marlene Dietrich in die USA, deren Staatsbürgerschaft sie 1939 annahm.
Ihre ältere Schwester führte beim KZ Bergen-Belsen die Kantine der dortigen Wachmannschaft und ein Truppenkino. Die Dietrich leugnete später öffentlich ihre Existenz, unterstützte sie aber finanziell und durch ihre Fürsprache bei der „Entnazifizierung“.

Während der Kriegszeit tingelte Marlene Dietrich ab 1942 wie viele andere amerikanische Künstler als Truppenbetreuung durch Italien, Afrika und Frankreich.
Nach Frankreich emigrierte sie 1976. Bereits seit 1938 hatte die Dietrich in Paris ein Domizil, das sie nutzte, wenn sie in Europa tätig war.
Sie war stark geltungsbedürftig. Sobald eine Kamera auftauchte, nahm sie die Gelegenheit wahr, sich zu positionieren und das natürlich als patriotisch treue „Amerikanerin“. Meist trat sie sogar in speziell für sie überweit geschnittener amerikanischer Uniform auf, nicht im Uniformrock der weiblichen Streitkräfte, sondern in Uniformhosen der GI´s.   


Marlene Dietrich am Krankenlager eines Soldaten (flickr)


Marlene Dietrich mit dem französischen
Schauspieler und Soldat Jean Gabin (pinterest)

Häufig wird Marlene Dietrich mit dem (Anti-)Kriegslied „Lili Marleen“ in Verbindung gebracht. Doch es war die deutsche Sängerin Lale Andersen, die 1938 dieses Lied für die Nationalsozialisten herausbrachte und das zu Kriegsbeginn zum ersten Millionenseller wurde. Marlene Dietrich sang dieses Lied bei ihren Auftritten ab 1944 auf Englisch und verkaufte so ihr „Anti-Hitler“-Image.
1960 tourte die Dietrich nochmals durch Deutschland, wurde zwar verehrt aber wie Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräterin“ geächtet. Marlene Dietrich betrat danach nie wieder deutschen Boden. Sie begründete das damit, dass sie nicht vergessen könne, was sie in Nazi-Deutschland erlitten hätte.

Dass die Dietrich als Widerständlerin gesehen wird, liegt viel an dem 1961 gedrehten Film „Urteil von Nürnberg“ mit einem Who-is-who-Aufgebot Hollywoods (u.a. Spencer Tracy und der junge Maximilian Schell). Sie spielte die Frau eines hingerichteten Nazi-Generals.
Mit Beginn des Kalten Krieges begann sie, sich pazifistisch zu engagieren. Am deutlichsten machte sie dies 1962 mit dem Lied „Sag mir, wo die Blumen sind“.

Als ihre Karriere stagnierte, verlor sie sich in starken Depressionen und versuchte diese mit Alkohol zu kompensieren.
1975 stürzte Marlene Dietrich bei einem Auftritt in Sidney betrunken in den  Orchestergraben und verletzte sich schwer. Ihre alte Freundin Katherine Hepburn reiste an, um sie aufzuheitern und wurde weggeschickt. So sollte sie niemand sehen! Sie zog sich völlig in ihre Pariser Residenz zurück und mied jeden öffentlichen Kontakt.
Ihr Bett verließ sie kaum noch. Telefonisch terrorisierte sie von dort aus Freunde und prominente Bekannte wie Ronald Reagan, Michael Gorbatschow und Queen Elisabeth II. von England.

1992 starb sie in ihrem Haus in Paris.
Die rastlos getriebene Ikone, die versuchte ihre Herkunft so lange zu verleugnen, wurde in ihrer Geburtsheimat Berlin zur ewigen Ruhe gebettet.

Quellen: Wikipedia, Bild-Zeitung, LEMO Lebendiges Museum online, spiegel.de