Obmann Uwe Träger

Begrüßung: Ich grüße euch sehr herzlich zu dieser Hausandacht für Sonntag, den 4. Juli 2021. Wir lesen diese mit der Zuversicht, Gott vertrauen zu können und daher im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Psalm 73 nach der Lutherbibel: „Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind. Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten. Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Frevlern so gut ging. Sie höhnen und reden böse, sie reden und lästern hoch her. Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden. Darum läuft ihnen der Pöbel zu und schlürft ihr Wasser in vollen Zügen. Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.“ Amen.

Lesung: 1. Mose, Kapitel 50, die Verse 15 – 21 nach der Basis Bibel: „Als Josefs Brüder begriffen, dass ihr Vater tot war, bekamen sie Angst. Sie dachten: ‚Hoffentlich ist Josef uns gegenüber nicht nachtragend. Sonst wird er uns all das Böse heimzahlen, das wir ihm angetan haben.‘ Darum ließen sie ihm mitteilen: ‚Dein Vater hat uns vor seinem Tod aufgetragen, dir zu sagen: Vergib deinen Brüdern das Unrecht und ihre Schuld! Ja, sie haben dir Böses angetan. Nun vergib ihnen dieses Unrecht. Sie dienen doch dem Gott deines Vaters!‘ Als Josef das hörte, fing er an zu weinen. Da gingen seine Brüder zu ihm hin, warfen sich vor ihm nieder und sagten: ‚Wir sind deine Knechte.‘ Aber Josef sagte zu ihnen: ‚Fürchtet euch nicht! Bin ich etwa Gott? Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet. Er wollte tun, was heute Wirklichkeit wird: ein großes Volk am Leben erhalten. Deshalb fürchtet euch nicht! Ich werde für euch und für eure Kinder sorgen.‘ Er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.“ Amen.

Gedanken zur Lesung: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, leben muss man es vorwärts.“ Das ist ein kluger und tiefsinniger Satz. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard (1813 – 1855) schreibt diese Worte in seinen Tagebüchern. Er drückt damit eine Erfahrung aus, die wohl viele von uns schon gemacht haben. Wir haben Pläne für unser Leben. Wir erträumen uns ein schönes Leben und eine sichere Zukunft. Oft aber kommt es ganz anders, als wir es uns vorstellen. Glück und Unglück liegen dicht beieinander. Niemand wünscht sich schwere Zeiten für sich selber, doch dem Schweren, den Abgründen, den finsteren Tälern kann ich nicht ausweichen. Ich treffe eine falsche Entscheidung, und das Leben nimmt plötzlich eine Richtung, die ich gar nicht wollte. Menschen, denen ich vertraut habe, nutzen mich aus, hauen mich übers Ohr oder tun mir Böses. Dann fragen wir uns: „Wozu soll das alles gut sein? Steckt da ein Sinn dahinter?“ Wenn das Leben nicht nach unseren Vorstellungen verläuft, dann suchen wir nach einem guten Sinn und einem roten Faden. Manchmal erkennen wir im Rückblick sinnvolle und gute Zusammenhänge und verstehen dann unser Leben besser, indem wir es rückwärts noch einmal anschauen. In schweren Zeiten wurden wir stärker, klüger und reifer. Aus manchem, was kaum zu ertragen und verletzend war, ist dann doch Gutes für unser Leben entstanden. Doch solange wir im Chaos und im Dunkel drinstecken, hilft es nicht weiter, wenn wir meinen: „Naja, irgendeinen Sinn wird das Ganze wohl haben, auch wenn wir ihn nicht sehen.“ Viele Christinnen und Christen werden sagen: „Das, was mich durch schwere Zeiten hindurchgetragen hat, war mein Vertrauen zu Gott, war mein Vertrauen, dass Gott bei mir ist.“ Von diesem wohltuenden Gottvertrauen erzählt auch die Geschichte von Josef aus dem ersten Buch Mose, die zur Weltliteratur gehört. „Josef und seine Brüder“, so heißt ein Roman von Thomas Mann (1875 - 1955). Der Komponist Andrew Lloyd Webber (geb. 1948) hat ein Musical über Josef geschrieben. Josef wächst mit seinen elf Brüdern auf. Er ist der Lieblingssohn seines Vaters Jakob, der ihm einen besonderen Mantel schenkt. Dazu kommt noch, dass Josef seinen Brüdern von seinen Träumen erzählt, in denen sich die Brüder vor ihm verneigen. Dadurch entsteht Wut, Neid und Eifersucht bei seinen Brüdern. Sie wollen Josef loswerden. Bei einer günstigen Gelegenheit verkaufen sie ihn an eine Karawane, die nach Ägypten zieht. Dem Vater Jakob erzählen die Brüder, ein wildes Tier habe Josef getötet. Josef kommt in Ägypten in das Haus eines hohen Beamten am Hof des ägyptischen Pharaos. Dessen Frau findet Gefallen an Josef. Als er sie abweist, beschuldigt die Frau ihn der versuchten Vergewaltigung. Josef kommt ins Gefängnis. Er besitzt die Gabe, Träume zu deuten. Damit hilft er einem Gefangenen, dem Mundschenk des Königs. Doch der vergisst ihn, nachdem er freigelassen worden war. Erst Jahre später, als der Pharao seltsame Träume hat, fällt diesem ehemaligen Mithäftling Josef ein. Josef deutet die Träume des Pharaos. Auf das Land kommen sieben fette, gute Jahre zu, dann aber sieben magere Hungerjahre. Er rät dem Pharao, sich auf diese Dürre vorzubereiten und Vorratsspeicher anzulegen. Der Pharao ist so beeindruckt von Josefs Klugheit und Weisheit, dass er ihn zum zweiten Mann im Staate macht. Josef organisiert mit Geschick und Weitsicht die Vorbereitung für die kommende Hungerzeit. Die Katastrophe für Ägypten ist abgewendet. Doch auch in den umliegenden Ländern herrscht Hunger, so auch bei der Familie von Josef. Josefs Brüder erfahren, dass es in Ägypten noch Getreide gibt und machen sich auf den Weg dahin. Sie treffen mit Josef zusammen, erkennen ihn aber nach all den Jahren nicht. Nach vielen Verwicklungen gibt sich Josef aber als ihr Bruder zu erkennen. Jakob, der alte Vater, ist überglücklich, dass sein Sohn noch lebt. Auch er darf nachkommen, damit nun die ganze Familie in Sicherheit ist. Doch als Jakob stirbt, haben die Brüder Angst, dass Josef sich an ihnen rächen will. Grund genug hätte er ja, denn schließlich hatten die Brüder Schuld an seinem Unglück, an der Sklaverei, an dem Gefängnis, in dem Josef jahrelang hockte. Josef vergibt seinen Brüdern und sagt ihnen: „Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet.“ Rache ist immer eine Verlockung und Versuchung, vor allem dann, wenn ich plötzlich in einer stärkeren Position bin als vorher. Dann kann ich ja endlich all die Verletzungen, die Enttäuschung, alles, was ich aushalten musste, voller Wut dem anderen heimzahlen. Aber Rache bringt nicht weiter, so verständlich das auch oft ist. Die Brüder haben Angst vor Josefs Rache. Darum erzählen sie von einem angeblich letzten Willen ihres Vaters, den sie Josef weitersagen sollen: „Vergib doch deinen Brüdern!“ Nirgendwo ist von so einem letzten Willen Jakobs etwas zu lesen. Haben die Brüder sich das bloß ausgedacht, um sich mit einer Lüge vor Josefs Zorn zu schützen? Aber als Josef davon hört, fängt er an zu weinen, wohl auch, weil er die Angst seiner Brüder fast mit Händen greifen kann. Josef vergibt seinen Brüdern und sagt ihnen: „Habt keine Angst! Ich bin nicht Gott! Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet.“ Diese Sätze sind der leuchtende Abschluss der Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Sie hüllen all das, was vorher war, auch die Angst und Sorgen, in das helle Licht der Fügungen und Lenkungen Gottes. Gott hat aus all dem Dunklen Gutes werden lassen, denn er kann das Böse und Dunkle verwandeln in Gutes und in Licht. Ich denke dabei auch an Dietrich Bonhoeffer. Er hat das Dunkel und den Terror der Naziherrschaft am eigenen Leib erfahren müssen. Aber er schreibt dazu ein ganz persönliches Glaubensbekenntnis: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“ Um Gottvertrauen geht es in der Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Josef gehört zu den Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. In der ganzen Geschichte lesen wir nichts davon, dass Josef mit Gott ringt, zu Gott betet oder mit ihm hadert. Sein Gottvertrauen ist einfach da. Auch Gott ist einfach da. Immer wieder ist zu lesen: Gott war mit Josef, und darum veränderte sich das Schwere in Gutes. Gott ist da als die allumfassende Wirklichkeit und der Grund des Lebens. Daher fühlt sich Josef am Ende der Geschichte nicht als Sieger, sondern als dankbarer Teil der Geschichte Gottes. Die Josefgeschichte will uns Mut machen, dass auch wir mit einstimmen in Josefs Erkenntnis: „Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet.“ „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, leben muss man es vorwärts.“ Es mag wohl sein, dass wir in den Bruchstücken unseres Lebens nicht immer den Sinn des Ganzen verstehen. Aber es kann diese leuchtenden Momente wie bei Josef geben, dass auch wir sagen: „Ich blicke zurück auf mein Leben. Nicht alles war leicht, vieles war kaum zu tragen. Aber nun erkenne ich, dass Gott es zu einem guten Ganzen zusammengefügt hat. Und er kann sogar aus dem Bösen, das andere Menschen mir antun, Gutes entstehen lassen.“ Dieses Vertrauen kann uns helfen, auch schwierige und dunkle Zeiten zu überstehen. Dieses Vertrauen zu unserem Gott wünsche ich uns allen an allen Tagen unseres Lebens! Amen.

Lied: „Komm in unsre stolze Welt“, Evangelisches Gesangbuch 428, Strophen 1 und 5
Strophe 1: „Komm in unsre stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben. Überwinde Macht und Geld, lass die Völker nicht verderben. Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin.“

Strophe 5: „Komm in unser dunkles Herz, Herr, mit deines Lichtes Fülle; dass nicht Neid, Angst, Not und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle, die auch noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht.“

Gebet: Guter Gott! Dein Sohn Jesus Christus hat unsere Schuld am Kreuz getragen. Alle Lasten unseres Lebens willst Du in deine liebevollen Hände nehmen. Im Vertrauen auf Dich bitten für alle, die unter ihrer Schuld zusammenbrechen, die krank sind, die um einen lieben Menschen trauern, die verzweifelt sind und sich ausgebrannt fühlen, die sich in ihrem Leben verrannt haben. Im Vertrauen auf Dich bitten wir für Deine Kirche, der Du Dein Wort anvertraut hast. Lass uns dieses Wort zu den Menschen bringen, die sich nach Trost, Hilfe und Hoffnung sehnen. Im Vertrauen auf Dich bitten wir für alle, die Verantwortung haben, in Politik und Wirtschaft, in den Schulen, in Krankenhäusern, Seniorenheimen und Tourismusverbänden. Gib ihnen Kraft für ihr Tun, und lass sie gute Entscheidungen treffen! Im Vertrauen auf Dich bitten wir um Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt. Im Vertrauen auf Dich bitten wir für uns selbst. Du weißt, wo wir uns zu viel zumuten, wo wir unsere Grenzen nicht anerkennen wollen. Schenke uns Barmherzigkeit für uns selbst und für die Menschen, die mit uns leben! Dir vertrauen wir uns an, heute und an allen Tagen, die Du uns schenken wirst. Amen.

Vater Unser
im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen: Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Sonntag an der Hand dessen, der uns Mut macht, ihm zu vertrauen! Es segne und behüte euch der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen.

Bleibt von Gott behütet!
Herzliche Grüße, Euer Obmann Uwe