Andacht 2023-11-19 Vollendung in Gottes Herrlichkeit
Uwe Träger
Begrüßung: Ich grüße Sie und Euch sehr herzlich zur Hausandacht für Sonntag, den 19. November 2023. Wir lesen diese mit dem Vertrauen, dass Gott seine Schöpfung erhalten und in seiner Herrlichkeit vollenden wird und daher im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Verse aus Psalm 104 nach der Basis Bibel: Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, wie groß bist du! In Pracht und Schönheit bist du gekleidet. Du hüllst dich in Licht wie in einen Mantel. Quellwasser schickst du die Täler hinab. In Bächen fließt es zwischen den Bergen dahin. Alle Tiere auf dem freien Feld trinken daraus, auch die Wildesel löschen dort ihren Durst. Die Vögel des Himmels bauen Nester an ihren Ufern, in den Zweigen trällern sie ihr Lied. Aus den Wolken um deinen Palast lässt du Regen auf die Berge niedergehen. Wind und Wetter, die du gemacht hast, schenken der Erde ihre Fruchtbarkeit. Für das Vieh lässt du Gras wachsen und Getreide für den Ackerbau des Menschen. So kann die Erde Brot hervorbringen und Wein, der das Menschenherz erfreut. So gibt es Salböl für ein glänzendes Gesicht und Nahrung, die das Menschenherz stärkt. Nun macht sich der Mensch ans Werk und tut seine Arbeit bis zum Abend. Wie zahlreich sind deine Werke, Herr. In Weisheit hast du sie alle gemacht. Die Erde ist voll von deinen Gütern. Mein Lobgesang soll ihm gefallen. Ich, ja ich freue mich über den Herrn. Lobe den Herrn, meine Seele! Halleluja!
Lesung: Römer, Kapitel 8, die Verse 18-25 nach der Basis Bibel: Ich bin überzeugt: Das Leid, das wir gegenwärtig erleben, steht in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die uns erwartet. Gott wird sie an uns offenbar machen. Die ganze Schöpfung wartet doch sehnsüchtig darauf, dass Gott die Herrlichkeit seiner Kinder offenbart. Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen – allerdings nicht durch eigene Schuld. Vielmehr hat Gott es so bestimmt. Damit ist aber eine Hoffnung verbunden: Denn auch die Schöpfung wird befreit werden aus der Sklaverei der Vergänglichkeit. Sie wird ebenfalls zu der Freiheit kommen, die Gottes Kinder in der Herrlichkeit erwartet. Wir wissen ja: Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute. Und nicht nur sie: Uns geht es genauso! Wir haben zwar schon als Vorschuss den Geist Gottes empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern. Denn wir warten ebenso darauf, dass Gott uns endgültig als seine Kinder annimmt. Dabei wird er auch unseren Leib von der Vergänglichkeit erlösen. Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr. Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht? Wir aber hoffen auf etwas, das wir noch nicht sehen. Darum müssen wir geduldig warten. Amen.
Gedanken zur Lesung: Der Apostel Paulus schreibt einen Brief an die christliche Gemeinde in Rom. In der Regel schreibt er Briefe an Gemeinden, die er auf seinen Missionsreisen gegründet oder persönlich kennengelernt hat, um mit diesen weiterhin Kontakt zu halten. Die christliche Gemeinde in Rom kennt er nicht. Dort er war noch nie. Er hat aber die Absicht, nach Rom zu reisen. Dort kommt er auch tatsächlich an und wird dort von den Römern enthauptet. Über seinem Grab wurde im 4. Jahrhundert die Pauluskirche errichtet. Sein Brief, den er ca. 55 nach Christus schrieb, ist sozusagen sein theologisches Testament, in dem er all seine Erkenntnisse darlegt. Der Abschnitt aus seinem Brief, den wir vorhin gehört haben, hat die ganze Schöpfung Gottes im Blick – nicht nur Menschen, sondern auch Pflanzen und Tiere. Paulus sieht nicht nur das Seufzen und Leiden der Menschen, sondern auch das Leiden der gesamten Natur. Er bindet alles Lebendige in die Heilsgeschichte Gottes ein. Daher sagt er, dass für die gesamte Schöpfung, also für alle Lebewesen das Leiden und Seufzen einmal ein Ende haben werden. Gott selbst wird alles Lebendige erlösen und in seine Herrlichkeit führen. Genau dieser Zuspruch macht diesen Text so speziell und aktuell. Seit der ökumenischen Vollversammlung 1983 im kanadischen Vancouver reden die christlichen Kirchen von der Schöpfungs-verantwortung der Menschen, die dringlicher ist wie nie zuvor. Aufgrund des massiven Einflusses des Menschen auf die Entwicklung der Öko- und Biosphäre hat sich seit dem Jahr 2000 die Bezeichnung Anthropozän für unser jetziges Erdzeitalter etabliert, in dem vor allem der Mensch durch seinen gigantischen Ausstoß von Kohlendioxid die Ökosphäre aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Der Begriff Anthropozän - das heißt Zeitalter des Menschen - geht auf den niederländischen Chemiker und Atmosphärenforscher Paul Crutzen (1933 – 2021) und den amerikanischen Biologen Eugene Filmore Stoemer (1934 – 2012) zurück. Der Glaube an den Schöpfer, so wie es im Glaubensbekenntnis heißt, stellt Christinnen und Christen in die Verantwortung, für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen Sorge zu tragen. Bei allem Bearbeiten, Gestalten und Bebauen ist die Vielfalt der Schöpfung zu achten und zu erhalten. Die Natur als Schöpfung Gottes hat einen eigenen Wert, so dass ein rücksichtsloses und grenzenloses Ausplündern der Naturressourcen mit dem Glauben an den Schöpfer und der Achtung seiner Schöpfung nicht vereinbar ist. Der Mensch ist als Ebenbild Gottes dazu aufgerufen und aufgefordert, das sein zu lassen, was für die Natur kontraproduktiv ist und achtsam das zu tun, was dem Gleichgewicht des Ökosystems Erde dient. Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788 – 1869) lehrte das Mitempfinden des Menschen mit Tieren und Pflanzen. Der Arzt, Theologe und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer (1875 – 1965) lehrte die Ehrfurcht vor dem Leben. Und der gegenwärtige Förster Peter Wohlleben hat in seinem 2023 erschienen Buch „Waldwissen. Vom Wald her das Leben verstehen“ aufgezeigt, dass Tiere und Pflanzen kommunizieren und aufeinander aufpassen. Heute wissen wir um die Endlichkeit von Ressourcen und um das große Leiden, dass wir Menschen Pflanzen und Tieren zugefügt haben und das immer noch tun. Wir wissen, wie hemmungslos wir die Natur ausgebeutet haben und das immer noch tun. Wir wissen, dass wir Menschen ein Teil der Natur sind, die gleiche Luft wie die Tiere und Pflanzen atmen und mit der gesamten Schöpfung verflochten sind. Schaden wir der Natur, schaden wir uns selbst. Das zeigt uns mit aller Deutlichkeit die globale Erderwärmung. Der Apostel Paulus erinnert uns daran, dass die gesamte Schöpfung, auch wir Menschen, der Vergänglichkeit unterliegen, weil Gott es so bestimmt hat. Menschen, Tiere, Pflanzen haben nur eine bestimme Lebenszeit auf Erden. Zu der gehört Wachsen und Gedeihen, Leiden und Seufzen, Freude und Hoffnung. Es ist die Hoffnung, dass Gott einmal seine gesamte Schöpfung in die Herrlichkeit erlösen wird, wo Leiden und Seufzen aufhören. Der Philosoph und Atheist Karl Marx hat gemeint, dass diese christliche Hoffnung nur eine billige Vertröstung für das Volk sei. Er meinte damit, dass die Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit die Menschen im Hier und Heute wie eine Droge benebelt. Der Mensch solle lieber selbst anpacken und ohne Gott die Welt zum Positiven verändern. Ich denke, dass Paulus die Menschen wohl nicht mit seiner christlichen Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit benebeln und ihr somit jede Verantwortung für die Welt entziehen wollte. Im Gegenteil! Er sieht sehr genau auf das Leiden von Mensch und Natur und nimmt das alles sehr ernst. Er möchte aber, dass wir uns nicht nur auf das Leiden von heute, auf die Sorgen der Welt von heute konzentrieren und daran verzweifeln. Er will eben diesen Blick in die Zukunft und in die Herrlichkeit Gottes mit uns trainieren. Er möchte, dass wir uns von dort her für heute Hoffnung und Zuversicht holen. Zwei Techniken gibt Paulus uns mit: eine Übung für die Gedanken und eine Atemtechnik. Für die Gedankenübung nutzt Paulus einen besonderen Vergleich. Er sagt: Wir wissen ja: Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute. Paulus vergleicht also das Leiden dieser Welt mit dem Geburtsprozess. So eine Geburt dauert meistens lange, die Schmerzen kommen und gehen, werden zum Schluss immer schlimmer. Gleichzeitig stößt der Körper in der schmerzhaftesten Phase aber auch Endorphine aus, die schmerzlindernd sind und der Mutter helfen, sich auf ihr Kind zu freuen und die Geburtsschmerzen dann auch hinter sich zu lassen. Für Paulus ist das Leiden hier auf Erden so etwas wie ein Geburtsprozess, mitunter sehr schmerzhaft, aber mit Aussicht auf Freude und neues Leben. Das heißt: Es kommt einmal der Tag, an dem wir die Herrlichkeit erleben werden und dann wird das Leid dieser Zeit für uns nicht mehr so wichtig sein. Paulus möchte, dass wir mitten in Leid und Sorge nach vorne sehen, wo die Herrlichkeit ist, die wir einmal erleben werden. Wir sollen uns vorstellen, wie es einmal sein wird und über dieser Vorstellung sollen wir im Hier und Heute Trost und Zuversicht finden - nicht billige Vertröstung, sondern echten Trost. Zu dieser Gedankentechnik kommt noch eine Atemtechnik hinzu - das Seufzen. Seufzen tut man, wenn es einem zu viel wird, man Sorgen hat, zuweilen keinen Ausweg sieht. Seufzen drückt diesen Gefühlszustand aus, aber es verschafft uns auch Erleichterung im Ausatmen und Loslassen. Wo wir keine Worte mehr haben, nicht mehr weiterwissen, können wir seufzen. Einige von uns verbinden mit dem Seufzen die Ausdrücke „Ach Je!“ oder „Oh je!“ oder „Oh Maria!“ Das heißt: „Ach oder Oh Jesus, hilf mir!“ Oder: „Oh Maria, hilf mir!“ Bewusst redet Paulus vom Seufzen der Menschen und auch vom Seufzen der Natur. Das Seufzen ist bei Paulus nicht ein Zeichen von Hilf- und Ratlosigkeit. Wer seufzt, der sehnt sich nach Veränderung und wünscht sich Verbesserung herbei. Wer seufzt, hat Hoffnung. Die gesamte Welt leidet. So war es, so ist es und so wird es weiterhin sein. Doch es gibt Grund zur Hoffnung, denn diese Welt und alles Leben sind Teil eines größeren Ganzen. Dieses größere Ganze ist Gottes Herrlichkeit, das in Jesus schon aufgeblitzt ist. Es ist ein Leben der gesamten Schöpfung ganz in, mit und bei Gott. Deswegen brauchen wir keine Angst zu haben, sondern können zuversichtlich leben, mit unseren Freuden und Sorgen und auch mit unserem Seufzen auf eine bessere Welt mit Frieden und Liebe. So lasst uns zuversichtlich bleiben, denn Gott ist da und bei uns am Abend und am Morgen und gewiss an jedem neuen Tag. Amen.
Lied: „Gott hab uns Atem“, Evangelisches Gesangbuch 432, die Strophen 1 – 3
Strophe 1: Gott gab uns Atem, damit wir leben. Er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.
Strophe 2: Gott gab uns Ohren, damit wir hören. Er gab uns Worte, dass wir verstehn. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön.
Strophe 3: Gott gab uns Hände, damit wir handeln. Er gab uns Füße, dass wir fest stehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn.
Fürbitten: Guter Gott! Stärke uns, wenn wir von Angst und Sorge geplagt werden! Gib uns Hoffnung, wenn wir verzweifeln! Hilf uns auf, wenn die Lasten des Lebens uns zu Boden drücken! Wir bitten Dich für alle, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Naturschutz einsetzen. Lass sie trotz aller Rückschläge nicht resignieren! Öffne unsere Augen für die Momente, in denen Dein Friede aufleuchtet! Wir denken an unsere Kranken und Sterbenden, an die, die mutlos sind, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen. Wir bitten Dich für Deine Kirche auf dieser Welt. Lass uns laut für die Schwachen eintreten, die nichts zu melden haben! Lass uns Dein Hoffnungswort sagen in alles Hoffnungslose hinein! Wir bitten für die Christen und Christinnen in aller Welt, die ihren Glauben nicht frei leben können. Beschütze sie und lass sie spüren, dass Du bei ihnen bist! Wir denken auch an uns selbst. Du weißt, wo wir Dein Licht, Dein Wort und Deinen Trost brauchen. Du schenkst Hoffnung. So können wir unseren Weg gehen, voll Vertrauen auf Dich.Formularbeginn In der Stille können wir Dir nun sagen, was wir auf dem Herzen haben. Amen.
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen: Ich wünsche Euch und Ihnen einen gesegneten Sonntag mit dem Vertrauen, dass Gott seine Schöpfung erhalten und in seiner Herrlichkeit vollenden wird. Es segne Euch und Sie der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
Herzliche Grüße, Euer / Ihr Obmann Uwe