Andacht 2023-03-19 Vergebung von Schuld
Uwe Träger, Obmann
Begrüßung: Ich grüße Euch und Sie sehr herzlich zu dieser Hausandacht für Sonntag, den 19. März 2023. Wir lesen diese mit dem Vertrauen, dass Gott unsere Schuld vergibt und daher im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Worte aus Psalm 118 nach der Lutherbibel von 2017: Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Es sagen nun, die den Herrn fürchten: Seine Güte währet ewiglich. In der Angst rief ich den Herrn an; und der Herr erhörte mich und tröstete mich. Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun? Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen. Der Herr ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil. Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des Herrn behält den Sieg! Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen. Ich danke dir, dass du mich erhört hast und hast mir geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Du bist mein Gott, und ich danke dir; mein Gott, ich will dich preisen. Amen.
Lied: „Such, wer da will, ein ander Ziel“, Evangelisches Gesangbuch 346, Strophen 1 bis 4
Strophe 1: Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden; mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden.
Strophe 2: Such, wer da will, Nothelfer viel, die uns doch nichts erworben; hier ist der Mann, der helfen kann, bei dem nie was verdorben. Uns wird das Heil durch ihn zuteil, uns macht gerecht der treue Knecht, der für uns ist gestorben.
Strophe 3: Ach sucht doch den, lasst alles stehn, die ihr das Heil begehret; er ist der Herr, und keiner mehr, der euch das Heil gewähret. Sucht ihn all Stund von Herzensgrund, sucht ihn allein; denn wohl wird sein dem, der ihn herzlich ehret.
Strophe 4: Meins Herzens Kron, mein Freudensonn sollst du, Herr Jesu, bleiben; lass mich doch nicht von deinem Licht durch Eitelkeit vertreiben; bleib du mein Preis, dein Wort mich speis, bleib du mein Ehr, dein Wort mich lehr, an dich stets fest zu glauben.
Lesung: Markus-Evangelium, Kapitel 12, die Verse 1-12 nach der Lutherbibel von 2017: Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme. Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen anderen Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte einen anderen, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118, 22 - 23): Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen? Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon. Amen.
Gedanken zur Lesung: Vielleicht haben Sie dieses Gleichnis schon einmal gelesen oder gehört. Leider hat dieses in der Geschichte des Christentums unendlich viel Leid verursacht. Es hat nämlich immer wieder dazu gedient, Hass von Christen gegen Juden anzuzetteln, auch Verfolgungen, Diskriminierungen der und Morde an Juden zu rechtfertigen. Wie kann das sein? Jesus, seine Jünger und viele seiner Zuhörer waren Juden. Wie passt das zu seinen Worten und Taten, die die grenzenlose Liebe Gottes zu allen Menschen verdeutlichen sollen, ja auch zu den Menschen, die uns Böses wollen? Haben die christlichen Kirchen durch die Jahrhunderte hindurch unser Gleichnis total missverstanden? Schauen wir genau hin. Das Gleichnis knüpft zunächst an eine ganz alte Geschichte aus dem Buch des Propheten Jesaja an. Die handelt von einem Weingutsbesitzer. Dieser erwartet von seinem Weinberg gute Trauben, bekommt aber saure. Mit dem Weingutsbesitzer ist Gott gemeint, mit dem Weinberg das Volk Israel. Der Besitzer reagiert auf seine Enttäuschung, indem er den Weinberg und alle zugehörigen Einrichtungen zerstören lässt. Damit kündigt der Prophet Gottes Gericht über das Volk für seinen Ungehorsam an. Aber Israel bleibt dennoch immer noch Gottes auserwähltes Volk. Dieses Bild vom Weinberg greift unser Gleichnis von den bösen Winzern auf. In unserem Gleichnis wird der Weinberg Pächtern anvertraut. Diese stehen für die Volksmasse der Juden. Zu ihnen schickt der Eigentümer zur Erntezeit Boten – dabei ist an die Propheten des Alten Testamentes gedacht. Diese sollen seinen Anteil an dem Ertrag holen, aber die Pächter verweigern ihm das. Ihre Auseinandersetzungen mit den Boten steigern sich dramatisch von Jahr zu Jahr: Der Erste muss unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Zweite wird verprügelt. Der Dritte wird auf den Kopf geschlagen. Als Letzten schickt der Weingutsbesitzer seinen Sohn. Gemeint ist: Gott schickt Jesus in die Welt, weil er meint, dass die Pächter sich nicht trauen, ihm etwas anzutun. Aber ganz im Gegenteil: Sie töten ihn, um sich den Weinberg dann selbst anzueignen. Daraufhin verjagt und vernichtet der Besitzer die Pächter. Den Weinberg verpachtet er an andere. Israel soll demnach jetzt nicht mehr Gottes Volk sein. Die frühen Christen haben das in der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 erfüllt gesehen. Damit soll Gott die Juden dafür bestraft haben, dass sie Jesus getötet hätten. Später wollten Christen diese Bestrafung fortsetzen, indem sie die Juden aus ihren Häusern vertrieben und umbrachten. Da scheint also ein Gleichnis Jesu mit den Verbrechen von Christen gegen die Juden zusammenzuhängen. Lässt sich dieser verhängnisvolle Knoten noch auflösen? Bis heute wird immer wieder aus antisemitischen Kreisen behauptet, dass die Juden am Tod Jesu schuld seien. Das ist schlicht und einfach falsch. Wir wissen, dass die Kreuzigung keine jüdische, sondern eine römische Strafe war. Es war der römische Beamte Pilatus, der Jesus kreuzigen ließ. Allerdings war die damalige jüdische Religionsbehörde in die Sache verwickelt. Ein kleiner Kreis von Pharisäern und Schriftgelehrten hat Jesus bei Pilatus angeschwärzt und ihn beschuldigt, eine Revolution anzuzetteln. Vermutlich hatten sie Angst, beim Volk an Einfluss zu verlieren. Aus diesem kleinen Kreis hat unser Gleichnis „die Juden“ gemacht. Aus Angst entstand dann das Pauschalurteil über „die Juden“, so wie wir heute allgemein „die Russen“ für den Krieg in der Ukraine beschuldigen. Die Christen des ersten Jahrhunderts sind nicht für die Judenverfolgungen der letzten zweitausend Jahre verantwortlich. Fakt ist, dass sie eine gefährliche Weiche gestellt haben. Heute hat sich der Wind völlig gedreht. Nach dem furchtbaren Mord an Millionen Juden im Dritten Reich herrscht eine Scheu davor, irgendetwas Jüdisches zu kritisieren, wie zum Beispiel das harte Vorgehen gegen die Palästinenser in der gegenwärtigen Siedlungspolitik der israelischen Regierung. Heute werden auch die jüdischen Religionsführer von damals in Schutz genommen. Sie hätten auf Grund ihrer Erwartung eines politischen Befreiers gar nicht anders handeln können. Sie haben es aber versäumt, sich besser über die Jesusbewegung zu informieren. Der Streit um den Tod Jesu bewegt unsere Kirche bis heute, aber wir können nun nicht bei diesem stehen bleiben. Denn sonst geriete völlig aus dem Blick, was das Gleichnis denn mit uns heute zu tun hat. Es ist leicht, über die Schuld anderer Menschen Vergangenheit und Gegenwart zu diskutieren. Das Gleichnis enthält doch eine entscheidende Wahrheit, der wir uns nicht entziehen können. Der evangelische Liederdichter Paul Gerhardt hat diese Wahrheit in seinem berühmten Passionslied, das auch am Karfreitag gesungen wird, so ausgedrückt: „Nun, was du Herr, erduldet, ist alles meine Last. Ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat! Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad!“ Evangelisches Gesangbuch 85, 4) Das erscheint uns modernen Menschen auf den ersten Blick fremd zu sein. Wir waren doch damals gar nicht dabei! Aber mit dieser Reaktion machen wir es uns zu leicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass Jesus in all seinem Reden und Tun ganz von Gottes Liebe erfüllt war. Darum geht sein Leben und Sterben alle Menschen an, auch uns heute. Die Aussage Jesu gilt auch uns: „Was ihr einem von meinen geringsten Brüdern antut, das tut ihr mir an.“ (Matthäus 25, 40). Bei Jesu Brüdern denken wir an die Juden, die im Dritten Reich ermordet wurden. Wir heute gehören zwar nicht mehr zur Täter-Generation, doch als Deutsche und Österreicher tragen wir Mitverantwortung, ob wir wollen oder nicht. Jesu Brüder und Schwestern sind auch die Menschen, mit denen wir täglich umgehen und zu tun haben. Wann und wo habe ich selbst Jesus verraten und bin seiner Sache untreu geworden? Wann habe ich einen Menschen bewusst oder unbewusst verletzt? Wie oft habe ich sogar die lebendige Verbindung zu Gott selbst vernachlässigt oder aufgrund einer Anfeindung gegen den christlichen Glauben meinen Mund gehalten? Wollte Gott uns nach Verdienst bestrafen, dann käme keiner von uns ungeschoren davon. Nun blitzt ganz am Schluss des Gleichnisses ein Licht auf, das mit einem Schlag die ganze dunkle Szene erhellt. Es bringt nach der finsteren Ankündigung von Gottes Gericht eine völlig überraschende Wende. Das Licht geht von dem Vers aus Psalm 118 aus: „Der verworfene Stein ist zum Eckstein geworden.“ Damit will unser Gleichnis sagen: Jesus ist mehr als bloß ein letzter Prophet Israels. Er ist zum Eckstein geworden, zum Schlussstein von Gottes Zuwendung zu uns Menschen. Ein Schlussstein ist der wichtigste Stein in einem Gewölbe, der es als Ganzes zusammenhält und vor dem Einsturz bewahrt. Jesus hat also den Riss zwischen Gott und uns Menschen gekittet. Er hat allen, die sich zu ihrer Schuld bekennen, Gottes Vergebung zugesprochen. Dafür hat er sein Leben gegeben. Unsere Entfremdung von Gott und auch unsere Verachtung anderer Menschen bleiben eine ernste Sache, aber wir dürfen Gott mit den Worten des Vater Unser bitten: „Vergib uns unsere Schuld.“ Daher dürfen wir uns täglich darauf verlassen und vertrauen, dass das Gewölbe seiner Güte und Liebe über uns halten wird. Amen.
Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“, Evangelisches Gesangbuch 85, Strophen 1, 4 + 7
Strophe 1: O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret: Gegrüßet seist du mir!
Strophe 4: Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad!
Strophe 7: Es dient zu meinen Freuden und tut mir herzlich wohl, wenn ich in deinem Leiden, mein Heil, mich finden soll. Ach möcht ich, o mein Leben, an deinem Kreuze hier mein Leben von mir geben, wie wohl geschähe mir!
Fürbitten: Guter Gott! Wir wollen mit dem Vertrauen, dass Du unsere Schuld vergibst unsere weiteren Lebenswege gehen. Wir bitten Dich um Deinen heiligen, guten Geist, der uns Mut macht zum Leben, der uns zueinander bringt, der uns Kraft gibt für neue Schritte, der in uns Hoffnung weckt. Wir bitten Dich um Deinen heiligen, guten Geist, der unsere Gemeinschaft in der Pfarrgemeinde stärkt, der uns Freude am Glauben schenkt, der uns offen für Veränderungen macht. Wir bitten Dich um deinen heiligen, guten Geist, dass das Verständnis unter den Menschen wächst; dass Wege zum Frieden immer wieder gesucht werden; dass Ungerechtigkeit und Not ein Ende und Macht und Weisheit zueinander finden.
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen: Ich wünsche Euch und Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche mit dem Vertrauen, dass Gott unsere Schuld vergibt. Es segne und behüte Euch und Sie der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen.
Herzliche Grüße, Euer / Ihr Obmann Uwe