Andacht 2023-01-15 Jahr der Gnade
Uwe Träger, Obmann
Begrüßung: Ich grüße Euch und Sie sehr herzlich zu dieser Hausandacht für Sonntag, den 15. Jänner 2023. Wir lesen diese Hausandacht im Namen des Gottes, der bei uns ist, uns sieht und daher im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Lied: „Sonne der Gerechtigkeit“, Evangelisches Gesangbuch 262, Strophen 1, 2, 5 und 6
Strophe 1: Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit; brich in deiner Kirche an, dass die Welt es sehen kann. Erbarm dich, Herr.
Strophe 2: Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit; dass sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt. Erbarm dich, Herr.
Strophe 5: Gib den Boten Kraft und Mut, Glauben, Hoffnung, Liebesglut, und lass reiche Frucht aufgehn, wo sie unter Tränen sä’n. Erbarm dich, Herr.
Strophe 6: Lass uns deine Herrlichkeit sehen auch in dieser Zeit und mit unsrer kleinen Kraft suchen, was den Frieden schafft. Erbarm dich, Herr.
Lesung: Evangelium nach Lukas, Kapitel 4, die Verse 16 – 21 nach der Basis Bibel: Jesus kam auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er wie gewohnt in die Synagoge. Er stand auf, um aus der Heiligen Schrift vorzulesen. Man reichte ihm die Schriftrolle mit dem Propheten Jesaja. Jesus rollte sie auf und fand die Stelle, wo geschrieben steht: Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu verkünden. Den Gefangenen soll ich zurufen, dass sie frei sind, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen. Ich soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt. Amen.
Gedanken zur Lesung: Der Begriff „Zeitenwende“ ist von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2022 gekürt worden. Dieser steht im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg seit Feber 2022 gegen die Ukraine und wurde vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede im deutschen Bundestag aufgegriffen. Eine Zeitenwende bezieht sich auf gravierende geschichtliche, politische, wirtschaftliche und persönliche Ereignisse. Mit der Geburt Jesu begann die christliche Zeitrechnung. Durch die Reformation gab es viele gravierende Veränderungen in Europa. Durch den Mauerfall 1989 zerbrach der Kommunismus in Europa und Deutschland wurde wiedervereinigt. Auch im persönlichen Leben gibt es wichtige Zeitenwenden, wenn zum Beispiel Kinder geboren werden, wenn ein großer Umzug bevorsteht, wenn ein lieber Mensch zu Grabe getragen werden muss, oder wenn die Rechnungen der Energieversorger kommen und dann viele Menschen finanziell nicht mehr über die Runden kommen. Natürlich kann Mitte Jänner niemand wissen, was alles in der Welt oder in unserem Leben passieren wird. Auch wenn wir schon viele wichtige Termine in unseren Kalendern stehen haben, so können wir aber nicht wissen, ob sich mit diesen glückliche oder unangenehme Momente verbinden werden. Auch im Leben Jesu gab es eine entscheidende Zeitenwende, als er in seiner Heimatstadt Nazareth öffentlich auftrat und die frohe Botschaft von der Liebe Gottes verkündete. Nazareth war damals ein kleiner Ort, ist heute eine Stadt im Norden Israels, liegt in der Nähe des Sees Genezareth und hat etwa 77.000 Einwohner. Vor diesem öffentlichen Auftreten Jesu beschreibt der Evangelist Lukas, wie Jesus in der Wüste versucht wird. Er soll ein Supermann sein und große Wunder vollbringen. Aber Jesus widersteht 40 Tage und Nächte. Danach weicht alles Böse von ihm. Für den Evangelisten Lukas war damit klar: Jetzt fängt eine wirkliche Zeitenwende an. Es beginnt eine Zeit, in der Menschen die heilvolle Nähe Jesu erleben dürfen. Jesus zitiert Worte, die schon vor langer Zeit in das Buch des Propheten Jesaja aufgenommen worden und vielen Menschen seiner Zeit bekannt waren. Er stellt damit die Menschen ins Licht, die gerne von anderen ins Dunkel gestellt und unsichtbar gemacht werden. Jesus zitiert: „Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu verkünden.“ Diese gute Nachricht gilt allen, die zur Kategorie „Armutsrisiko“ gehören. Gemeint sind die, denen buchstäblich das Nötigste zum Leben fehlt, die nicht viel zählen, keinen Einfluss und keine Lobby haben, die bewusst überhört und übersehen werden und die man nicht als Partner gebrauchen kann, wenn man nach ganz oben kommen will. Jesus zitiert weiter: „Den Gefangenen soll ich zurufen, dass sie frei sind.“ Gemeint sind alle, die unschuldig in Gefängnissen sitzen, weil sie sich für Freiheit, für Gleichberechtigung und für die Würde jedes einzelnen Menschen stark gemacht haben. Diese sollen dies ungehindert und ohne Androhung von Gewalt und Benachteiligungen tun können. Gemeint sind auch die, die gefangen sind in Gewohnheiten, in Schuld und in unguten Beziehungen. Diese sollen eine neue Zukunft bekommen, Weitblick erhalten und unter weitem Horizont leben können. Nichts und niemand soll sie mehr festhalten. Jesus zitiert weiter: „Den Blinden soll ich zurufen, dass sie sehen werden.“ Gemeint sind die, die Körper, Geist und Seele wieder richtig spüren und das Leben in allen Farbschattierungen wahrnehmen können; die wieder merken, was wirklich guttut und schön ist und sich nicht mehr verrennen in Trends, die morgen schon wieder veraltet sind. Jesus zitiert weiter: „Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen.“ Gemeint sind alle, die fremdbestimmt wind und nicht über ihr eigenes Leben entscheiden dürfen; die abhängig von anderen Menschen leben, weil man ihnen den eigenen Willen ausgeredet hat; die wieder etwas Neues wagen dürfen, ihre Träume und Wünsche verwirklichen können und neugierig auf die Zukunft sind. Frauen und Männer sollen sich als gleichwertig erleben. Alle Menschen sollen ihr Verschiedensein als einen kostbaren Schatz wahrnehmen. Und dann fügt Jesus noch etwas hinzu, das Zeitenwende in Vollendung meint: „Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.“ Jesus macht seinen verdutzten Hörern klipp und klar, dass das, was damals bei Jesaja aufgeschrieben wurde, durch ihn Wirklichkeit wird - nicht irgendwann, sondern jetzt in seiner Gegenwart! Wir können uns sicher vorstellen, dass viele Hörer in der Synagoge von Nazareth skeptisch waren. Denn Jesus hat den üblichen Anspruch eines Lehrers der Heiligen Schriften deutlich überschritten. Die Zuhörer dürften spottend gesagt haben: „Das gibt es doch gar nicht! Niemand kann mit einer solchen Vollmacht reden. Wenn wir etwas über Gott wissen möchten, dann schauen wir in den Schriften nach. Und außerdem: Den kennen wir doch. Der kommt doch aus unserem Ort. Sein Vater ist ein einfacher Zimmermann.“ Es ist schade, wenn Menschen nicht mehr an eine Umkehrung zum Guten glauben können und immer alles gleich negativ kommentieren müssen oder immer nur eine Perspektive haben, wenn das eigene Leben festgefahren ist. Wer heute einen realistischen Blick in die restlichen 11 Monate des Jahres wirft, wird feststellen, dass eine globale Zeitenwende zum Guten, zu einem friedlichen Miteinander der Nationen und ein Leben in demokratischen Strukturen unendlich weit entfernt ist und vieler Anstrengungen bedarf. Und mancher persönliche Ausblick auf die kommende Zeit wird auch nicht gerade Jubelstürme auslösen. Dennoch und trotzdem: Christen haben immer wieder am eigenen Leben erfahren, wie diese gute Nachricht von der Liebe Gottes sie bewegt, antreibt und beflügelt und auch tröstet, aufbaut und mutig macht. Sie hält Menschen nicht klein, sondern lässt sie aufrecht gehen. So soll es auch in diesem Jahr sein. Deshalb wird dieses Jahr auch eines sein – wie es Jesus formuliert –, in dem der Herr Gnade schenkt. Ein angenehmes Jahr des Herrn soll es werden. Ein Jahr, das Mut macht, sich wieder aufs Neue aufzumachen und dabei zu wissen: Gott ist an meiner Seite. Ein angenehmes Jahr soll es werden, nicht weil uns vieles locker geschenkt wird oder weil wir gegen alle möglichen Krisen immun sind, sondern weil wir mit Gottes Rückenwind in die kommenden Tage, Wochen und Monate hineingehen. Gnade – das ist die große Kraft, die von Gott kommt und uns nicht fallen lässt, die hilft, nach Niederlagen wieder aufzustehen und die lehrt, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Gnade hat nichts damit zu tun, dass man sich keinen Fehler erlauben darf, weil der andere einem die Gunst entzieht oder böse wird oder uns die Folgen spüren lässt. Gnade hat mit dem Vertrauen zu tun, wie es Dietrich Bonhoeffer einmal formuliert hat: „Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müßte alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ Die Antrittsrede Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth kann man auf unser noch junges Jahr so übertragen: Gehe mutig los und weiter mit der guten Nachricht, dass sich die Zeit immer wieder auch positiv wenden wird und die Hoffnung auf Gutes viel Raum gewinnt! Die Liebe Gottes wird Dich begleiten. Sie wird Dich entlasten und heilen. Sie wird Dich frei machen und Dir die Augen öffnen für Gottes Zeitenwende, die in Jesus täglich neu Realität wird. Amen.
Lied: „Komm in unsere stolze Welt“, Evangelisches Gesangbuch 428, Strophen 1, 2 und 5
Strophe 1: Komm in unsre stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben. Überwinde Macht und Geld, lass die Völker nicht verderben. Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin.
Strophe 2: Komm in unser reiches Land, der du Arme liebst und Schwache, dass von Geiz und Unverstand unser Menschenherz erwache. Schaff aus unserm Überfluss Rettung dem, der hungern muss.
Strophe 5: Komm in unser dunkles Herz, Herr, mit deines Lichtes Fülle; dass nicht Neid, Angst, Not und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle, die auch noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht.
Fürbitten: Guter Gott! Wir wollen mit dem Vertrauen, dass Du bei uns bist und uns siehst, unsere weiteren Lebenswege gehen. Wir bitten Dich für alle, die Angst vor der Zukunft haben; die um ihre Existenz fürchten; die unter Hunger, Krieg und Gewalt leiden; die einen lieben Menschen verloren haben. Tröste sie mit hoffnungsvollen Menschen, die ihnen Mut zusprechen und für sie beten! Wir bitten Dich für Frieden in der Welt und in unseren Familien; für eine gute Zukunft der Kinder und Jugendlichen; für unsere Verantwortung für Deine Schöpfung; für alle, die wegen ihrer Religion, Hautfarbe und ihres Geschlechtes benachteiligt oder verfolgt werden. Gib allen Menschen Kraft, Geduld und Weisheit, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Naturschutz einsetzen! Wir bitten Dich für das Personal in Krankenhäusern, Ordinationen und Seniorenheimen, bei den Rettungen und Feuerwehren, bei der Polizei und beim Bundesheer; für alle, die in den christlichen Kirchen und politischen Gemeinden, beim Tourismus, in Schulen und Firmen, in der Landwirtschaft und woanders Verantwortung haben. Segne sie, dass ihre Worte und Taten mit Liebe zu den Menschen erfüllt sind! Amen.
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen: Ich wünsche Euch und Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche an der Hand des Gottes, der bei uns ist und uns sieht. Es segne und behüte Euch und Sie der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen.
Herzliche Grüße, Euer / Ihr Obmann Uwe