Andacht 2021-09-05 Schuld und Vergebung
Obmann Uwe Träger
Begrüßung: Ich grüße euch sehr herzlich zu dieser Hausandacht für Sonntag, den 5. September 2021. Wir lesen diese mit dem Vertrauen, dass Gott aus Liebe unsere Schuld vergibt und daher im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Worte aus Psalm 112 nach der Lutherbibel 2017: „Wohl dem, der den Herrn fürchtet, der große Freude hat an seinen Geboten! Sein Geschlecht wird gewaltig sein im Lande; die Kinder der Frommen werden gesegnet sein. Reichtum und Fülle wird in ihrem Hause sein, und ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis, gnädig, barmherzig und gerecht. Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht und das Seine tut, wie es recht ist! Denn er wird niemals wanken; der Gerechte wird nimmermehr vergessen. Vor schlimmer Kunde fürchtet er sich nicht; sein Herz hofft unverzagt auf den Herrn. Sein Herz ist getrost und fürchtet sich nicht, bis er auf seine Feinde herabsieht.“ Amen.
Lesung: 1. Mose, Kapitel 4, Verse 1-16 nach der Basis Bibel: „Adam schlief mit seiner Frau Eva. Sie wurde schwanger und brachte Kain zur Welt. Da sagte sie: ‚Mithilfe des Herrn habe ich einen Sohn bekommen.‘ Danach brachte sie seinen Bruder Abel zur Welt. Abel wurde Hirte und Kain wurde Ackerbauer. Eines Tages brachte Kain dem Herrn von dem Ertrag seines Feldes eine Opfergabe dar. Auch Abel brachte ein Opfer dar: die erstgeborenen Tiere seiner Herde und ihr Fett. Der Herr schaute wohlwollend auf Abel und sein Opfer. Doch Kain und sein Opfer schaute er nicht wohlwollend an. Da packte Kain der Zorn, und er blickte finster zu Boden. Der Herr fragte Kain: ‚Warum bist du so zornig, und warum blickst du zu Boden? Ist es nicht so: Wenn du Gutes planst, kannst du den Blick frei erheben. Hast du jedoch nichts Gutes im Sinn, dann lauert die Sünde an der Tür. Sie lockt dich, aber du darfst ihr nicht nachgeben!‘ Kain sagte zu seinem Bruder Abel: ‚Lass uns aufs Feld gehen!‘ Als sie auf dem Feld waren, fiel Kain über seinen Bruder Abel her und erschlug ihn. Da sagte der Herr zu Kain: ‚Wo ist dein Bruder Abel?‘ Kain antwortete: ‚Das weiß ich nicht. Bin ich dazu da, auf meinen Bruder achtzugeben?‘ Der Herr entgegnete ihm: ‚Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit vom Ackerboden zu mir. Verflucht sollst du sein, verbannt vom Ackerboden, den deine Hand mit seinem Blut getränkt hat! Wenn du ihn bearbeitest, wird er dir künftig keinen Ertrag mehr bringen. Du wirst ein heimatloser Flüchtling sein und von Ort zu Ort ziehen.‘ Kain erwiderte dem Herrn: ‚Die Strafe ist zu schwer für mich. Du verjagst mich jetzt vom Ackerland und verbannst mich aus deiner Gegenwart. Als heimatloser Flüchtling muss ich von Ort zu Ort ziehen. Jeder, dem ich begegne, kann mich erschlagen.‘ Der Herr antwortete: ‚Das soll nicht geschehen! Wer Kain tötet, an dem soll es siebenfach gerächt werden.‘ Der Herr machte ein Zeichen an Kain. Niemand, der ihm begegnete, durfte ihn töten. Kain zog fort, weg vom Herrn, und ließ sich im Land Nod nieder. Das liegt östlich des Gartens Eden.“
Lied: „Mir ist Erbarmung widerfahren“, Evangelisches Gesangbuch, Nummer 355, Strophe 1: „Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert; das zähl ich zu dem Wunderbaren, mein stolzes Herz hat's nie begehrt. Nun weiß ich das und bin erfreut und rühme die Barmherzigkeit.“
Gedanken zur Lesung: In dieser Geschichte von Kain und Abel wird leider eine tiefe Wahrheit über den Menschen erzählt. Es ist eine Wahrheit, die wir ungeschminkt wie vor einem Spiegel vorgehalten bekommen und die sich täglich in der Welt neu ereignet und bestätigt: Neid, Zorn und Gewalt. Da sind ein Mann und eine Frau. Ihre Namen sind Adam und Eva. Diese sind keine Eigennamen, sondern Ausdrücke für das Menschsein überhaupt. Aus Erdboden wurde der Mensch Adam geformt. Eva bedeutet Leben. Diese Urmenschen bekommen einen Sohn. Kain wird geboren. Sein Name bedeutet „Mein Geschöpf“. Eva jubelt und dankt, weil sie ihren Sohn mit Hilfe Gottes bekommen hat. Das ist ein Grund zur Dankbarkeit. Der zweite Sohn bekommt den Namen Abel. Dieser Name bedeutet „Windhauch“. Sein Leben wird in der Tat nach kurzer Zeit verwehen. Abel spielt in der Geschichte nur eine Nebenrolle. Er spricht kein einziges Wort. Kain wird begeistert empfangen und mit Stolz hochgehalten. Abel wird nur beiläufig erwähnt. Kein Wunder, dass wegen dieser unterschiedlichen Behandlung ein brisanter Konflikt entsteht. Bei unserer Erzählung geht es nicht um einen historischen Tatsachenbericht, weil konkrete Details fehlen. Wie haben diese Menschen gewohnt? Was aßen sie? Wie waren sie gekleidet? Wo genau hat sich alles abgespielt? Wie waren die Brüder? Wie groß ist der Altersunterschied? usw. Es wird lediglich ohne Wertung berichtet: Abel wurde Schafhirte, und Kain wurde Ackerbauer. An ihren Arbeiten spiegeln sich die zwei Lebensformen der frühen Menschheit wider: die sesshaften Bauern einerseits, die wandernden Nomaden mit ihren Vieherden andererseits. Beide Brüder geben Gott etwas ab von den Erträgen ihrer Arbeit, denn sie wissen, dass sie ihr Wohlergehen dem Segen Gottes verdanken. Und dann geschieht das Unverständliche: Gott sieht auf Abel und seine Gabe, auf Kain und seine Gabe sieht er aber nicht. Das ist alles. Keine genaue Erklärung und Begründung. In Kinderbibeln sieht man sehr anschaulich, dass der Rauch von Abels Opfer direkt zum Himmel hinaufsteigt, während Kains Feuer kaum brennt und der Rauch am Boden bleibt. Übertragen auf heute heißt das: Es gibt Menschen, die scheinen vom Pech verfolgt zu sein. Sie verlieren ihren Arbeitsplatz, werden schwer krank, finden keinen Partner und können sich wenig leisten. Andere haben einfach Glück. Es scheint ihnen alles zu gelingen - Reichtum, Beziehungen, Karriere. In der Welt gibt es bittere Armut von sehr vielen Menschen und grenzenlosen Reichtum von wenigen. Wir wissen nicht, warum das Leben oft so ungerecht ist. Wir können nur diesen oft rätselhaften, menschlicher Vorstellung entzogenen Gott aushalten. Es gilt, seine unendliche Freiheit anzuerkennen, sich dem Menschen zuzuwenden oder nicht. Gott nimmt das eine Opfer an, das andere verwirft er. Nicht, weil Abel etwas besser gemacht hätte. Der Text erzählt nichts davon, dass Kain einen Fehler beging. Gott ist einfach frei. Er entscheidet, er handelt vollkommen unabhängig nach eigenem Ermessen und muss seine Entscheidung vor niemandem rechtfertigen. Das akzeptieren wir aber nicht gerne. Das macht uns eher zornig, weil wir dies ungerecht finden. Wir möchten gerne kontrollieren können, was Gott tun darf und was nicht. An dieser Stelle bricht dann in der Geschichte der Konflikt auf. Aus Ärger wird Aggression, aus Aggression wird Gewalt, aus Gewalt wird Mord. Kain ermordet Abel. Die Reaktion Kains ist absolut nachvollziehbar. Er ist verletzt, enttäuscht, nicht anerkannt und verbittert. Es trifft uns tief, wenn wir nicht die Beachtung kriegen, die wir brauchten. Kain wird zornig und senkt den Blick. In der anschließenden Frage Gottes wird aber sehr wohl sichtbar, dass Gott auch ihn anschaut. „Warum bist du zornig, und warum ist dein Blick gesenkt?“ Vielleicht hatten wir diesen gesenkten Blick auch schon einmal. Er verhindert das Ansehen des anderen. Er verhindert, dass man überhaupt noch etwas sieht außer sich selbst und die erlittene Kränkung. „Wo ist dein Bruder Abel?“, fragt Gott. Er bekommt darauf die patzige, ja zynische Antwort Kains: „Bin ich dazu da, auf meinen Bruder achtzugeben?“ Gott weiß, was geschehen ist. Das Blut, das nach biblischer Vorstellung das Leben ist, schreit zu Gott. Er hört die Schreie des Opfers, von dem nichts außer die Spur der Gewalt übrig ist. Gott hört und sieht die Opfer und deren Blut, das zum Himmel schreit. Es sind zum Beispiel die Menschen, die wegen Krieg, Hass und Naturzerstörung ihr Leben oder alles Hab und Gut verloren haben. Hat Kain als Mörder nicht auch dasselbe Schicksal verdient wie sein Opfer? Diejenigen, die die Todesstrafe befürworten, werden sicherlich ein Ja fordern. Ich persönlich bin gegen die Todesstrafe, denn trotz dieser wird weiterhin gemordet. Auch das Leben eines Mörders ist wertvoll und kostbar. Das erstaunliche ist, dass Gott sich auch dem Täter Kain zuwendet, indem er ihn nicht der Rache der anderen ausliefert. Aber eine Strafe erhält er trotzdem. Es ist ihm nicht mehr möglich, den Boden zu bebauen, ohne das Blut seines Bruders schreien zu hören. Deswegen wird er rast- und heimatlos. Der Fluch, der über Kain kommt, ist nicht irgendeine erdachte Strafe Gottes. Es ist die logische Konsequenz seines Handelns. Wenn wir diesen Tatort jenseits des Garten Eden untersuchen und analysieren, auch wenn wir genau hinschauen und lesen, gelingt es uns nicht, diese Geschichte als alte und verstaubte Story wegzulegen, als ob diese uns nichts anginge. Das stimmt nämlich nicht. Wir verstehen umso besser das „Menscheln“ in dieser Geschichte, nämlich die Sünde, die an der Tür lauert, wenn ich meinen Blick nicht mehr von mir und meiner Kränkung weglenken kann und auch das Leben mit Schuld. Niemand von uns kann sagen, dass er sich noch nie schuldig gemacht hätte, denn sonst wäre die Bitte im Vater Unser „Und vergib uns unsere Schuld“ absolut sinnlos und überflüssig. In diesem Sinne sind wir auch wie Kain Täter von Schuld auslösenden Worten und Taten. Gott schaut uns trotzdem an, weil wir von ihm Gott geliebte Menschen sind und bleiben. Gott sucht das Gespräch mit uns, er geht uns nach und lässt uns nicht fallen. Gottes Liebe hängt nicht davon ab, wie sehr wir uns in Schuld und Unrecht verstrickt haben. Gottes Liebe und Vergebung sind immer größer als unser Bemühen und als unsere Weisheit und Vernunft. Das macht das Blut Jesu deutlich, das am Kreuz zum Himmel schreit, der Welt Sünde trägt und den Teufelskries der Schuld durchbrochen hat. Dadurch macht er Menschen und diese Welt heil für ein Leben in Freiheit, Frieden und Versöhnung. Amen.
Lied: „Mir ist Erbarmung widerfahren“, Evangelisches Gesangbuch, Nummer 355, Strophe 2: „Ich hatte nichts als Zorn verdienet und soll bei Gott in Gnaden sein;
Gott hat mich mit sich selbst versühnet und macht durchs Blut des Sohns mich rein.
Wo kam dies her, warum geschieht's? Erbarmung ist's und weiter nichts.“
Fürbitten: Guter Gott! Stärke unseren Glauben und gib uns Kraft, anderen Menschen mit Liebe und Wertschätzung zu begegnen! Im Vertrauen auf Dich bitten wir für alle, die von Ängsten und Sorgen erdrückt werden; für alle, die um Ihre Existenz fürchten; für alle, die ihren Glauben verloren haben, für alle, die krank sind und für alle, die um einen lieben Menschen trauern! Tröste sie durch hoffnungsvolle Menschen, die ihnen Mut zusprechen! Im Vertrauen auf Dich bitten wir für eine gute Zukunft der Kinder und Jugendlichen; für alle, die wegen ihrer Religion und Hautfarbe benachteiligt oder verfolgt werden! Gib denen Kraft und Weisheit, die die Rechte und Würde dieser Menschen nicht aus den Augen verlieren! Im Vertrauen auf Dich bitten wir für Frieden in der Welt und in unseren Familien; für unsere Achtsamkeit zur Natur; für alle, die wegen Krieg und Naturzerstörung ihre Heimat verlassen müssen! Gib allen Menschen, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Naturschutz einsetzen, Kraft, Geduld und Weisheit! Im Vertrauen auf Dich bitten wir für das Personal in Krankenhäusern, Ordinationen und Seniorenheimen, bei den Rettungen und Feuerwehren, bei der Polizei und beim Bundesheer; für alle, die in den christlichen Kirchen und politischen Gemeinden Verantwortung haben! Segne sie, dass ihre Worte und Taten mit Liebe zu den Menschen erfüllt sind! Amen.
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen: Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Sonntag an der Hand dessen, der aus Liebe unsere Schuld vergibt! Es segne und behüte euch der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen.
Bleibt von Gott behütet!
Herzliche Grüße, Euer Obmann Uwe