Andacht 2021-06-27 Gaben und Fähigkeiten
Obmann Uwe Träger
Begrüßung: Ich grüße euch sehr herzlich zu dieser Hausandacht für Sonntag, den 27. Juni 2021. Wir lesen diese mit der Erkenntnis, dass Gott uns Gaben und Fähigkeiten geschenkt hat und daher im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Lied: „Wohl denen, die wandeln“, Evangelisches Gesangbuch 295, Strophe 1: „Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit, nach seinem Worte handeln und leben allezeit; die recht von Herzen suchen Gott und seine Zeugniss' halten, sind stets bei ihm in Gnad.“
Lesung 1: Evangelium nach Markus, Kapitel 10, die Verse 35 - 40 nach der Basis Bibel: „Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst. Jesus fragte sie: ‚Was möchtet ihr denn? Was soll ich für euch tun?‘ Sie antworteten: ‚Lass uns neben dir sitzen, wenn du in deiner Herrlichkeit regieren wirst – einen rechts von dir, den anderen links.‘ Aber Jesus sagte zu ihnen: ‚Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet! Könnt ihr den Becher austrinken, den ich austrinke? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?‘ Sie erwiderten: ‚Das können wir!‘ Da sagte Jesus zu ihnen: ‚Ihr werdet tatsächlich den Becher austrinken, den ich austrinke. Und ihr werdet die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde. Aber ich habe nicht zu entscheiden, wer rechts und links von mir sitzt. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.‘“ Amen.
Lied: „Wohl denen, die wandeln“, Evangelisches Gesangbuch 295, Strophe 2: „Von Herzensgrund ich spreche: dir sei Dank allezeit, weil du mich lehrst die Rechte deiner Gerechtigkeit. Die Gnad auch ferner mir gewähr; ich will dein Rechte halten,
verlass mich nimmermehr.“
Lesung 2: 1. Korinther, Kapitel 14, Verse 1 - 4: „Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet! Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse. Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde.“
Gedanken zur Lesung 2: Das Wort „Mobbing“ kennen alle. Der Begriff „Mobbing“ ist aktuell, die Sache aber ist alt. Früher wurde dafür das Wort „Intrige“ gebraucht. Es geht darum, gezielt und verborgen einem anderen Menschen mit Worten und Taten zu schaden. Das gab und gibt es leider immer wieder, vor allem im Internet. Was allerdings in der Gegenwart zum Glück neu ist, ist eben die Tatsache, dass man dieser Intrige viel Aufmerksamkeit schenkt und sehr genau untersucht, warum es dazu kommt und wer die Drahtzieher sind. Dadurch hat man etwas Wichtiges herausgefunden: Mobbing trifft in erster Linie die Guten und Tüchtigen, denen man sich vielleicht unterlegen fühlt, auf die man neidisch ist, gegen die man sich wehren möchte, sich dazu aber nicht in der Lage fühlt. Die Sache ist wie gesagt alt. In der Lesung 1 steht, dass Jesu Jünger versuchten, sich den besten Platz zu sichern. Auch in der Urgemeinde des ersten christlichen Jahrhunderts waren die Menschen nicht dagegen gefeit. Daher ist es für den Apostel Paulus nötig und wichtig, dass er den Menschen in der christlichen Gemeinde in Korinth (Griechenland) klipp und klar sagt: „Ihr seid verschieden. Ihr habt verschiedene Fähigkeiten und Begabungen. Was uns eint, ist unser Glaube an den gemeinsamen Herrn Jesus. Was uns verbindet, ist sein Geist. Alle eure Gaben sind wichtig und gut. Wir können den Glauben in der Welt nur gemeinsam leben.“ Der Apostel Paulus betont also, wie wichtig es ist, als Christen in der Welt zusammenzuhalten, sich zu ermutigen und die gegenseitigen Gaben zu schätzen. Im heutigen Predigttext geht es ihm vor allem um eine Gruppierung innerhalb der Gemeinde, die sich anscheinend in den Vordergrund stellen möchte, und zwar mit Geheimnistuerei. Das ist ein Mittel, das in der Mobbingforschung als eine Möglichkeit erkannt wurde, andere auszuspielen und schlecht zu machen. Geheimnistuerei meint: Eine bestimmte Gruppe ist eingeweiht und kennt sich aus, eine andere wird ausgegrenzt, indem ihr Informationen vorenthalten werden. Eingeweiht sind die sogenannten Zungenredner. Was ist das – Zungenreden? Es ist uns fremd! Live habe ich das noch nie gehört, nur in Videos. Zungenreden kommt vor allem in charismatischen Gemeinden vor, zum Beispiel in den Pfingstgemeinden, die es bei uns gibt und die besonders in Brasilien wie die Pilze aus dem Boden schießen. Das sind Gemeinden, die sich ganz besonders darüber identifizieren, vom Heiligen Geist bewegt und inspiriert zu sein. Zu Beginn dieser Gottesdienste geraten Menschen durch besondere Lieder und Gebete in eine Art Trance. In den dicht gefüllten Kirchen beginnen sie, in fremden Sprachen – also in Zungen – zu reden und zu beten. Oft sind diese Worte gar keiner bestimmten Sprache zuzuordnen, sondern nicht zu identifizieren. Das klingt so, also ob ein kleines Kind, das noch nicht seine Muttersprache kann, ein Lied in einer fremden Sprache singen will. Diese charismatischen Gottesdienste sind sehr lebendig. Viele junge Leute sind anwesend und singen moderne Lieder. So lebendig sind unsere herkömmlichen Gottesdienste nicht. Die Leute, die in solchen Gottesdiensten in Zungen beten, geraten so in Ekstase, dass sie die Kontrolle über sich verlieren können. Das Beten in Zungen, also in Sprachen, die man nicht kennt, gehörte zu den allerersten Gaben der jungen christlichen Gemeinden im ersten Jahrhundert nach Christus. Offensichtlich hat sich bereits Paulus bemüht, diese Fähigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, damit kein Schindluder damit betrieben wurde. Die Gefahr bestand für ihn: Es kann ja niemand überprüfen, welche Worte die Gläubigen sprechen und was sie für göttliche Anweisungen erhalten haben. Sie können hinterher viel erzählen. Sie können diese Trance auch vortäuschen und sich damit zu einer exklusiven Gruppe innerhalb der Gemeinde machen, nach dem Motto: „Wir wissen Bescheid und Ihr habt keine Ahnung“. Der nächste Schritt ist dann nicht mehr weit. Vom „Ihr habt keine Ahnung“ bis zum „Ihr gehört nicht dazu“ trennen nur wenige Schritte. Paulus betont deshalb, dass das mit den verschiedenen Gaben von Menschen alles schön und gut ist. Diese können aber nur wirken, wenn ein liebevoller Umgang miteinander die Grundlage ist. „Strebt nach der Liebe“, so beginnt er seine Worte und meint, dass alles, was wir tun, den Menschen gut tun soll, sie aufbauen und trösten und sie nicht ausgrenzen und verletzen soll. Paulus betont, dass es das richtige Christentum und die richtige Frömmigkeit gar nicht gibt. Es gibt viele Menschen, die zur Gemeinde gehören, die sich bemühen und kümmern und die ihre Fähigkeiten einbringen. Erkennen soll man die christlichen Gemeinden daran, dass sie die Liebe unter sich wirken lassen. Deshalb benennt er im heutigen Predigttext eine Fähigkeit als ganz besonders wichtig: Die Fähigkeit der prophetischen Rede, denn die prophetische Rede verschweigt nichts. Sie weist nicht hin auf eine kleine und besondere Gruppe, sondern sie weist in die Zukunft. Sie erklärt. Sie beschreibt Gottes Willen. Sie legt das aus, was die Zungenredner in ihrer ganz eigenen Sprache von Gott gehört haben. Daher ist die prophetische Rede einladend und ein Zeichen für die Gläubigen, also für die, die über den Glauben mit anderen Menschen sprechen und sich mit anderen Christen und Christinnen darüber austauschen, was es heißt, heute an Jesus Christus zu glauben. Natürlich stehen auch die in Gefahr, sich als etwas Besonderes anzusehen nach dem Motto: „Wir haben verstanden, worum es geht, wir können es anderen erklären.“ Deshalb stellt Paulus seinen ganzen Überlegungen die Aufforderung voran: „Strebt nach der Liebe!“ Auch in christlichen Gemeinden kommt es leider bis heute vor, dass Menschen sich gegenseitig bewusst schaden wollen. Aus irgendeinem Grund fühlen sich Christenmenschen anderen unterlegen und wollen dann mit gezielten Mitteln die anderen klein machen. Paulus benennt für dieses Problem die einzige Lösung. Er erinnert die Christinnen und Christen damals daran, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Alle sind wichtig in der Gemeinde, denn alle haben ganz besondere Gaben und Fähigkeiten. Wir wissen das aus unseren heutigen Gemeinden auch. Jemand kann besonders gut musizieren, jemand versteht viel von finanziellen Belangen, wieder andere sind besonders kreativ und können Gruppen gut leiten, engagieren sich in der Kinder- und Jugendarbeit, organisieren Kirchenkaffees, kümmern sich um saubere Kirchen und gepflegte Friedhöfe oder punkten in Sitzungen mit guten Lösungen und Vorschlägen. Keine dieser Fähigkeiten ist besser oder schlechter als die anderen, alle aber sind wichtig und wertvoll, nur so können wir in der Welt als Christen bestehen. Viel nötiger als die Frage „Was kann der oder die denn da schon wieder besser als ich“ sind die Fragen „Was kann ich besonders gut?“ „Was kann ich einbringen?“ Was ich nicht so gut kann, das überlasse ich lieber anderen. Ja, Paulus hat recht, wenn er alle Menschen in den christlichen Gemeinden erinnert: „Strebt nach der Liebe!“ Das heißt: Jede christliche Gemeinde setzt sich aus unterschiedlichen und wertvollen Menschen zusammen, die ihre Gaben und Fähigkeiten haben und einbringen. Wenn diese Gaben und Fähigkeiten gleichberechtigt wertgeschätzt werden, dann ist und bleibt das Tun und Reden einer Pfarrgemeinde auf Jesus gerichtet und zukunftsorientiert. Amen.
Lied: „Wohl denen, die da wandeln“, Evangelisches Gesangbuch 295, Strophe 3: „Mein Herz hängt treu und feste an dem, was dein Wort lehrt. Herr, tu bei mir das Beste, sonst ich zuschanden werd. Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen den Weg deiner Gebot.“
Gebet: Im Vertrauen auf Deine Gegenwart in Deiner Welt, in Deiner Kirche und in unserem Leben bitten wird Dich: Gib uns Kraft, dass wir wertschätzend miteinander umgehen und dass wir unsere Begabungen und Stärken entdecken und diese zum Wohl unserer Pfarrgemeinde einsetzen! Im Vertrauen auf Dich bitten wir für alle, die an ihrem Leben verzweifeln, deren Herz bitter geworden ist, die nicht mehr glauben können, die keine Freude mehr spüren und in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen, die Angst vor der Zukunft und um ihre Existenz haben, die unter Krieg und Verfolgung leiden, die krank sind und um einen lieben Menschen trauern! Tröste diese Menschen, schenke ihnen Kraft und Hoffnung durch den Glauben und die Fürbitte von anderen Menschen! Im Vertrauen auf Dich bitten wir um Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt und für die, die in Kirche und Politik, in der Wirtschaft und in Schulen, Krankenhäusern, Seniorenheimen, Tourismusverbänden und woanders Verantwortung haben! Amen.
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen: Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Sonntag an der Hand dessen, der uns Gaben und Fähigkeiten geschenkt hat! Es segne und behüte euch der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen.
Lied: „Wohl denen, die da wandeln“, Evangelisches Gesangbuch 295, Strophe 4: „Dein Wort, Herr, nicht vergehet, es bleibet ewiglich, so weit der Himmel gehet, der stets beweget sich; dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit gleichwie der Grund der Erden, durch deine Hand bereit'.“
Bleibt von Gott behütet!
Herzliche Grüße, Euer Obmann Uwe