Ostergruß des deutschen Bonhoeffer-Vereins

Palmsonntag, 28.3.2021

Das ‚Du‘ finden - ein Grußwort der Vorsitzenden zu Karfreitag und Ostern 2021

 
Julius Schnorr von Carolsfeld, Jesu Seelenkampf in Gethsemane.
Dietrich Bonhoeffer kannte dieses Bild seit seiner Kindheit. „Gethsemane“ und dort mit Jesus eine Stunde wachen wurde ein Pfeiler seiner Theologie.

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Ich glaube, wir müssen das Große und Eigene wirklich unternehmen und doch zugleich das selbstverständlich-und allgemein-Notwendige tun, wir müssen dem ‚Schicksal‘– ich finde das ‚Neutrum‘ dieses Begriffes wichtig – ebenso entschlossen entgegentreten wie uns ihm zu gegebener Zeit unterwerfen. Von ‚Führung‘ kann man erst jenseits dieses zwiefachen Vorgangs sprechen, Gott begegnet uns nicht nur als Du, sondern auch ‚vermummt‘ im ‚Es‘, und in meiner Frage geht es also im

Grunde darum, wie wir in diesem ‚Es‘ (‚Schicksal‘) das ‚Du‘ finden, oder m.a.W. [...] wie aus dem ‚Schicksal‘ wirklich ‚Führung‘ wird. Die Grenzen zwischen Widerstand und Ergebung sind also prinzipiell nicht zu bestimmen; aber es muß beides da sein und beides mit Entschlossenheit ergriffen werden. Der Glaube fordert dieses bewegliche, lebendige Handeln. Nur so können wir uns[ere] jeweilige gegenwärtige Situation durchhalten und fruchtbar machen“ (DBW 8,333 f.).

Es dürfte nicht schwerfallen, diese den Titel für die Gefängnisbriefe prägenden Worte Dietrich Bonhoeffers („Widerstand und Ergebung“) aus seinem Brief vom 21. Februar 1944 „für uns heute“ zu lesen.

Das „Schicksal“ der Pandemie hat uns heute schon über ein Jahr „unterworfen“. Und schon „Halt!“;denn Bonhoeffer spricht aktivisch: „wir“ müssten uns dem „Schicksal“ „zu gegebener Zeit unterwerfen“. Das ist etwas anderes.

Ob wir das nun nachvollziehen können oder nicht, vielleicht doch ein wenig zu heldenhaft finden, zu stark, zu sehr nach dem Gutsherrn, der aus seinem Schloss heraustritt. Hier steht es: Dietrich Bonhoeffer ließ sich offensichtlich auch im Gefängnis nicht den Mut nehmen, dass er selbst seinem „Schicksal“ sich unterwirft oder entschlossen entgegentritt. Auch am 21. Juli 1944 fällt er nicht, sondern „wirft“ er sich in Gottes Arme. Und auch in seinem Gedicht „Jona“, einem der wichtigsten und oft missverstandenen Texte, ist es „Jona“ höchstselbst, der den Seeleuten sich selbst ausliefert, auf dass das „Meer“ sich beruhige.

„Der Glaube fordert dieses bewegliche, lebendige Handeln“ zwischen „Widerstand und Ergebung“. An anderen Stellen begründet Bonhoeffer, inwiefern der Glaube diese Lebenskunst nicht nur „fordert“, sondern überhaupt erst begründet und ermöglicht. Und auch in dem zitierten Passus steht es indirekt geschrieben, nämlich: „[In] meiner Frage geht es also im Grunde darum, wie wir in diesem ‚Es‘ (‚Schicksal‘) das ‚Du‘ finden, oder m.a.W. [...] wie aus dem ‚Schicksal‘ wirklich ‚Führung‘ wird.

“Längst ist der Bundeskanzlerin Eingeständnis eines politischen Fehlers und die Bitte um Verzeihung schon in den Dreck gezogen. Man spricht von Taktik und inflationärer Schuld-Bekenntnis-Kultur. Wir kennen Frau Merkel nicht persönlich und nehmeneinmal einfach an, sie habe das so gemeint, wie siees gesagt hat. Wir könnten dann in ihrer Handlung einen jener außerordentlichen und seltenen Momente in der Politik und im gesellschaftlichen Diskurs erkennen, wie Bonhoeffer sie im Blick gehabt hat, als er meinte, es könne doch gelingen, im „Es“ das „Du“zu „finden“, im „Schicksal“ Gottes „Führung“.

Jemanden ernsthaft um Verzeihen bitten – und wir haben keinen Grund, das Frau Merkel einfachhin abzusprechen – ist ein personales Geschehen zwischen „Ich“ und „Du“.

Als in Bonhoeffers Sinn „letzter“ Grund, dass überhaupt verziehen werden kann, jemand jemandem tatsächlich verzeiht, erscheint der „Gott in Menschengestalt!“ (8,558) im Hintergrund nicht nur, sondern mitten in diesem Geschehen. Das war Bonhoeffers Glaube. So dachte er theologisch.

„Nur so können wir uns[ere] jeweilige gegenwärtige Situation durchhalten und fruchtbar machen.“

Als wäre es für uns heute geschrieben.

Wir wünschen Ihnen allen eine inspirierte Karwoche und ein gesegnetes Osterfest! Bleiben Sie behütet!

Gez.:

Petra Roedenbeck-Wachsmann

Dr. Bernd Vogel

 


(Anmerkung der Redaktion: Das Grußwort erreichte uns als PDF-Datei und wurde von uns, ob der besseren Lesbarkeit auf unserer Homepage, in Normaltext umgesetzt. Bild und Briefkopf wurden als Bild wieder eingefügt.)