HAPAX und herzliche Grüße zum Rundbrief Dezember 2015!

Innerhalb der letzten monatlichen Versammlung am 9. Dezember 2015 haben wir den letzten erhaltenen Brief Bonhoeffers an seine Verlobte Maria vom 19.12.1944 gelesen. Bonhoeffer schreibt dort über die Stille: „Ich bin so froh, dass ich Dir zu Weihnachten schreiben kann…Es werden sehr stille Tage in unseren Häusern sein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag nicht kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du, die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer gegenwärtig.“ (Brautbriefe, S. 208)

Die Adventszeit wird oft als die stillste Zeit des Jahres bezeichnet. Das klingt allerdings widersprüchlich, denn viele Menschen haben mehr Hektik und Stress also sonst. In vielen Gemeindebriefen und Predigten rufen die Pfarrerinnen und Pfarrer zu Stille und Besinnung auf. Dies ist allerdings auch widersprüchlich, denn die Geistlichen haben auch mehr Termine als sonst.

Das gegenwärtige Leben unserer Zeit ist ein Leben mit Schnelligkeit und Geschwindigkeit, mit dem raschen Wechsel von Bildern, Landschaften und Menschen. Es ist ein Lebensstil mit den Prinzipien Lernen und Vergessen, Anschaffen und Haben, Benutzen und Wegwerfen. Viele Menschen unserer Zeit spüren sich selber nicht oder nicht mehr und nehmen ihre Grenzen auch nicht wahr, weil sie ständig auf der Überholspur leben oder mit dem Wettlauf mit sich selbst beschäftigt sind. Das Leben ist aber mehr als Machen. Deswegen sollte der Mensch Zeiten und Räume finden, um seine Mitte und Seele zu finden und zu bilden. Dies sind Zeiten und Räume, um mal offline zu sein, um das Recht auf Faulheit zu wahren, um die Muße zu entdecken, um Natur und Wälder zu genießen und um den Luxus Stille schätzen zu lernen.

Die Stille auszuhalten ist allerdings für viele Menschen schwer. Sie kann bedrohlich, beängstigend und unangenehm sein, weil die Stille auch nicht verarbeitete Schichten der menschlichen Seele frei legen kann. Aber letztendlich braucht es Mut, Stille zu suchen und zu wagen, um die eigene und Gottes Stimme zu hören, um sich zur eigenen Mitte hinzuwenden, um sich auf die inneren Kräfte zu konzentrieren und um bewusst Körper, Geist und Seele zu spüren.

Die Heilige Schrift gibt genügend Zeit und Raum für den Mut zur Stille. Sie stellt deutlich heraus, wie wichtig die Stille für eine lebendige Beziehung zu und mit Gott ist, um seinen Willen zu erkennen und sein Wort für das eigene Leben zu hören. Stille vor Gott heißt Gott wahrnehmen, auf ihn warten, ihn fragen und ihn bitten, die richtigen Entscheidungen für das Leben zu finden (Psalm 37, 7; Josua 9).Wer in der Stille angekommen ist, weiß, wer und wie Gott ist, nämlich der Schöpfer des Himmels und der Erde und eine sehr große Quelle des Lebens, des Friedens und der Liebe (Psalm 46, 11). Gott erweist seine Macht nicht mit Lärm, Erdbeben, Donner und Blitz, sondern – wie es der kraftlos gewordene Prophet Elia wahrgenommen hat – mit einem stillen und sanften Säuseln (1. Könige 19, 8 – 15). Durch die Stille werden Prioritäten deutlich und anschaulich. Seele und Herz der Menschen sollen nicht auf mächtige Menschen, Reichtum, Gewalt und menschliche Vernunft und Weisheit vertrauen, sondern auf Gott, bei dem Hoffnung, Hilfe, Schutz, Stärke, Geborgenheit und Weisheit ist (Psalm 62, 2 – 13; Psalm 65, 2 – 3; Psalm 131, 1 – 3; Jesaja 30, 12 – 17; Jesaja 32, 17).

Durch die Stille findet der Mensch Ruhe und Frieden in seinem Herzen und in seiner Seele, so dass er Ängste, Sorgen, Lasten des Lebens getrost an Gott abgeben kann (Matthäus 11, 28 – 30, Philipper 4, 6). Der Apostel Paulus ermahnt die christliche Gemeinde zu einem stillen Leben, das ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Leben ist (Römer 12, 1 – 3). Die Menschen aller christlichen Gemeinden haben mit ihren Worten und Taten, Gottvertrauen und Gebet, Liebe und Frieden, Dankbarkeit, Stille und innerer Ruhe Gott und Mensch die Ehre zu geben (1. Thessalonicher 4, 9 – 12; 1. Timotheus 2, 1 – 2). Jesus predigt die Liebe Gottes zu den Menschen. Er wandert deswegen durch Israel, lehrt die Menschen in zahlreichen Synagogen (Markus 1, 21) und heilt sehr viele kranke Menschen (Markus 1, 32 – 34). Um neue Kraft zu schöpfen und mit Gott in Beziehung zu treten und seinen Willen zu vernehmen, zieht er sich regelmäßig in die Einsamkeit mit Stille und Gebet zurück (Markus 1, 35). Die Stille ist also nach der Bibel eine heilsame spirituelle Unterbrechung.

Und solche heilsamen und spirituellen Unterbrechungen brauchen wir nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über, damit – wie Bonhoeffer es selbst erfahren hat – die Seele Organe ausbilden kann, die wir im Alltag nicht kennen.

Ich wünsche Euch im Namen unseres Vereins HAPAX eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und einen guten Start in das neue Jahr 2016.

Und seid – mit den Worten Bonhoeffers – stets von guten Mächten umgeben…!

Lesen wir bis zum Rundbrief Jänner 2016:
Psalmen 16-18; Matthäus-Evangelium Kapitel 6, die Verse 1 - 4

Beste HAPAX-Grüße, Euer Obmann Uwe