Rundbrief 2016-04 Wer ist Jesus für uns heute

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HAPAX und herzliche Grüße zum Rundbrief im April 2016!

Am 9. April 2016 war der 71. Todestag von Dietrich Bonhoeffer. Unser Verein HAPAX besteht nun seit einem Jahr. Ein herzliches Vergelt’s Gott an alle Vereinsmitglieder!

Bonhoeffers berühmte Frage, die ihn oft und immer wieder beschäftigt hat, hat er in seiner Haft formuliert: Wer ist Christus für uns heute?Bonhoeffer schreibt in seinem Brief vom 30. April 1944 an seinen Freund Eberhard Bethge: „Was mich unablässig bewegt, ist die Frage, was Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist.“ (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 8, Gütersloh 1998, S. 402)

In der Vereinszeitung „Verantwortung“ des deutschen Dietrich-Bonhoeffer-Vereins (Dezember 2015) steht ein interessanter Aufsatz von Pfarrer Johannes Herrmann: „Leiden und Widerstand bei Jesus – ein politischer Revolutionär?“ Dieser Aufsatz versucht Bonhoeffers berühmte Frage zu beantworten. Ich fasse diesen auszugsweise zusammen.

„Welchen Jesus meinen wir? ... Es bleiben uns die Evangelisten, die wohl wichtigste Grundlage der biblischen Quellenforschung: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes…Alle haben Jesus nicht gekannt…Wer war dieser Jesus aus Nazareth? Auf jeden Fall war er kein Mann der Kirche und des politischen Establishments. Zu seiner Zeit gab es eine Art theokratischen Kirchenstaat, an dem Jesus scheitern sollte…Jesus verfügte über keine theologische Ausbildung…Er kritisierte in Wort und Tat das Bestehende radikal (Tempelliturgie und Gesetzesfrömmigkeit).

Jesus glaubt an eine in naher Zukunft kommende Weltherrschaft Gottes, die die endzeitliche Weltvollendung bringen wird…Das Reich Gottes ist nahe, keine Gerichtsverkündigung, sondern fundamentale Botschaft vom Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe. Krankheit, Leid und Tod werden ein Ende haben, er verkündet die befreiende Botschaft der Vergebung der Armen und Schuldbeladenen. Seine Botschaft ist revolutionär…Ist Jesus ein Revolutionär?...Er übt scharfe Kritik an den herrschenden Kreisen, den reichen Grundbesitzern, er wendet sich gegen soziale Missstände, gegen Gier und Egoismus, er nimmt Partei für Arme, Verfolgte und Unterdrückte, für Gleichberechtigung der Frauen…Jesus ist kein süßlicher Romantiker, kein braver Kirchenchrist…Jesus ist gewaltfrei. Er ruft nicht zu einer religiösen Theokratie auf (wie der IS-Staat), sondern in seine Nachfolge…Nirgendwo versucht er, weltliche Macht zu ergreifen…Friede, Befreiung aus dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt. Er erscheint in den Evangelien als waffenloser Wanderprediger und charismatischer Arzt…Der Einzug in Jerusalem auf einem Esel: nicht das weiße Pferd des strahlenden Siegers, sondern das Reittier der Armen. Jesus ist unbequem, er stört die konservativen Kreise…Er stellt das religiöse System in Frage und die Ordnung und die Regelhaftigkeit jüdischer Gesetze grundlegend in Frage. Insofern hat seine Botschaft schon politische Konsequenzen…Aber kein Klassen-kampf, kein Freund-Feind-Schema…Nächstenliebe, Feindesliebe, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Aufforderung zum Dienen…Von ihm strahlt eine Revolution der Gewaltlosigkeit aus…Jesus – keine gutbürgerliche Erscheinung…keine Abkehr aus der Welt…Jesus, kein Gesetzeseiferer, kein Asket, nimmt an größeren Gastmählern und Hochzeiten teil…Er beruft die Jünger in die Nachfolge, nicht in die Institution namens Kirche. Er ruft auf zum Gehorsam gegenüber Gott…Die Bergpredigt ist und bleibt das Ärgernis schlechthin, ein Stein, an dem wir uns ein Leben lang reiben müssen…Jesu nachfolgen heißt, sich auf ihn und seinen Weg einlassen. Leiden und Widerstehen gehören für Jesus zusammen…Jesus hat das Leid nicht gesucht, es wurde ihm aufgezwungen. Wer Jesus nachfolgt, der nehme sein eigenes Kreuz auf sich – nicht in mönchischer Askese das Leid suchen ist christlich, sondern das gewöhnliche, das normale, das alltägliche Leid ertragen, das ist dem an den Gekreuzigten Glaubenden aufgetragen…Wer sich auf dem Weg Jesu einlässt, kann das Leid nicht schlechthin beseitigen, aber er kann es im Glauben an den mitleidenden Jesus durchstehen und bewältigen…Wer Jesus ernsthaft nachfolgt, wird automatisch in eine Spirale des Leidens hinein gezogen…Im Blick auf den Gekreuzigten vermag der Mensch in der Welt von heute nicht nur zu handeln, sondern auch zu leiden. In der Nachfolge Jesu kann der Mensch in der Welt von heute wahrhaft menschlich leben, handeln, leiden und sterben. Im Glück und Unglück, gehalten von Gott und hilfreich den Menschen. Wer Jesus ernsthaft nachfolgt, wird automatisch in eine Spirale des Leidens hineingezogen.“

Bonhoeffer war ein ernsthafter Nachfolger Jesu. Deshalb hat er nicht nur sein Buch „Nachfolge“ geschrieben, sondern ist auch durch die Nazis in die Spirale des Leidens gekommen, hat mit seinem Leben bezahlt und somit aber auch den Kampf gegen die Mächte des Bösen in einer nicht heilen Welt angesagt.

Wer ist Christus für uns/für dich heute? Diese Frage zu beantworten, ist eine hohe und herausfordernde Aufgabe und sicherlich nicht mit einem Satz zu beantworten. Es ist aber eine wichtige Aufgabe, der sich jedes Vereinsmitglied von HAPAX stellen sollte.

 

Lesen wir bis zum nächsten Rundbrief im Mai 2016:

Psalmen 28 - 30; Matthäus 7, 1 – 6

Beste Grüße, Euer Obmann Uwe